Politik/Inland

Nach seiner Absage nimmt Pröll Kanzler Faymann ins Visier

Was inoffizieller Wahlkampfauftakt für Erwin Prölls Rennen um die Hofburg hätte sein können, wurde am Samstag zum ersten offiziellen Auftritt des nö. Landeshauptmanns nach seiner Absage, als Bundespräsident zu kandidieren. Rund 1100 Gäste waren zum traditionellen Neujahrsempfang der ÖVP-Gemeindevertreter nach Grafenegg gekommen – vor allem in der Hoffnung, mehr über Prölls Beweggründe zu erfahren. Das wusste auch der Gastgeber, Gemeindevertreter-Präsident Alfred Riedl, der in seiner Eröffnungsrede feixte: "Schön, dass ihr alle gekommen seid, obwohl die Spannung ja schon aufgelöst ist." Da schmunzelten auch die angereisten ÖVP-Minister Johanna Mikl-Leitner und Hans Jörg Schelling. Gemeindebund-Obmann Helmut Mödlhammer legte nach: "Herr Landeshauptmann, wir hätten es schon gerne gesehen, wenn du dieses höchste Amt übernommen hättest und mit deinem Einsatz dieses Land wieder so gestaltet hättest, wie wir es gerne gesehen hätten."

"Offenes Wort"

Zu jener Frage, "die viele von euch in den letzten Monaten beschäftigt hat", gab es von Pröll "ein offenes Wort unter Freunden". Er habe immer klar gemacht, dass Niederösterreich das Wichtigste sei "und in meiner Lebensplanung hat die Hofburg keinen Platz". Die Niederösterreicher hätten "uns und mir bei der Landtagswahl 2013 ein absolutes Vertrauen ausgesprochen". Das sei eine schwer wiegende Verpflichtung. "Die Entwicklung des Landes ist mir wichtiger als ein persönlicher Karriereschritt."

Und dann zeigte Erwin Pröll, dass er nicht vor hat, künftig leiser zu treten.

Die Flüchtlingsfrage dürfe nicht auf Dauer die Gesellschaft spalten. "Es können nur so viele zu uns kommen, wie unsere Strukturen bewältigen können." Werner Faymann richtete Pröll aus: "Von einem österreichischen Bundeskanzler würde ich mir erwarten, dass er in der Flüchtlingsfrage mehr macht, als sich an die Fersen der deutschen Bundeskanzlerin zu heften." Es müsse auch das Wohl der eigenen Landsleute im Auge behalten werden. "Alles hat Grenzen." Der Kanzler müsse den Ländern beim anstehenden Asylgipfel klar sagen, "womit wir 2016 im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen zu rechnen haben".

Den Finanzminister bereitete Pröll auf harte Verhandlungen beim Finanzausgleich vor: "In der Politik spielt auch psychologische Kriegsführung eine Rolle."

Innenministerin Mikl-Leitner sprach von einer "faktischen Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen, die dort liegt, wo unsere Kapazitäten erschöpft sind". Mit Asyl auf Zeit und verschärftem Familiennachzug sollen die Zahl reduziert werden. Finanzminister Schelling: "Wenn wir bei der Mindestsicherung keine Maßnahmen setzen, werden wir das nicht finanzieren können."

Auch der schwarzen Parteispitze hatte Pröll etwas auszurichten, als er auf das Ergebnis der nö. Gemeinderatswahlen 2015 verwies. Dabei war die ÖVP landesweit auf mehr als 50 Prozent gekommen. "Es ist nicht gottgewollt, dass man in diesen Zeiten nur verlieren kann. Wenn beherzte Persönlichkeiten am Werk sind, ist ein Ergebnis von 50 plus bei Wahlen auch heute noch möglich."