Politik/Inland

Empörung über Strache-Posting zu Graz-Amokfahrt

Ein Posting von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache löste am Wochenende in sozialen Netzwerken einen Shitstorm aus. "Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen!", postete Strache (mittlerweile auf seiner Facebook-Seite überarbeitet, den Verlauf hat die Futurezone hier rekonstruiert).

Mit Terrorismus und Fanatismus hatte das Drama nichts zu tun. Dementsprechend heftig waren die Reaktionen. Selbst auf Straches Facebook-Seite waren diese überwiegend negativ: "So ein Zufall, dass es wieder einmal die Kronen Zeitung ist, die mit ihren Halbwahrheits-Berichten für Propaganda-Zwecke fungiert", war zu lesen. Oder: "HC, du bist einer der erbärmlichsten Menschen, die in Österreich leben." Auch Profifußballer Marko Stankovic empörte sich: "Schämen Sie sich!"

Angegriffen

Der Fußballer von Sturm Graz, der derzeit an den Folgen eines Kreuzbandrisses laboriert, schrieb zurück: "Herr Strache, ich bin in Österreich geboren, meine Eltern sind gebürtige Serben und sind durch die Fußballerkarriere meines Vaters nach Österreich gekommen. Ich bin sozusagen Österreicher mit serbischen Wurzeln. Können Sie anhand dieser Zeilen feststellen, dass der Grund für diese schreckliche Tat sein Herkunftsland ist??? Ich fühle mich durch dieses Posting ihrerseits persönlich angegriffen und sehe in ihrem Posting eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Leuten mit ausländischer Herkunft!!!", stellte er fest. Und er schloss mit der Aufforderung: "Schämen Sie sich, Herr Strache, schämen Sie sich!!!"

Stankovic ist auch am Tag danach empört. Auch, weil er einen persönlichen Zugang zu dem Drama hat. Seine Frau betreibt in der Herrengasse eine Boutique. "Wäre sie zehn Sekunden früher dran gewesen, wäre sie exakt auf dem Weg des Fahrers gewesen. Gar nicht zu denken, was dann gewesen wäre. Schlimm."

Strache auf der Rennstrecke

Während in der Landeshauptstadt so gut wie alle Festivitäten abgesagt wurden, blieb das Rahmenprogramm beim Formel-1-Grand-Prix in Spielberg fast unverändert. Heinz-Christian Strache fand sich an der Rennstrecke ein. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und Vize Michael Schickhofer (SPÖ) hingegen hatten ihren Besuch abgesagt.

Strache hat sich am Montag für sein - später geändertes - Facebook-Posting zur Amokfahrt in Graz gerechtfertigt. Er habe möglicherweise vorschnell Medienberichte zusammengefasst, meinte er unter Berufung auf die Kronen Zeitung. "Der Vorwurf, ich sei ausländerfeindlich, geht daher völlig ins Leere genauso wie die Behauptung, ich hätte aus der abscheulichen Bluttat politisches Kapital schlagen wollen."

Aufgrund unsachlicher Postings und aus Rücksicht auf die Angehörigen wurde die Kommentarfunktion deaktiviert.

Nach der Tragödie in Graz sind in sozialen Netzwerken und Onlineforen neben Äußerungen der Fassungslosigkeit auch teils ausländerfeindliche Kommentare bis hin zu Spekulationen um einen islamistischen Hintergrund aufgetaucht. "Wenn man die Möglichkeit hat, ein Etikett zu finden, dann wird sehr schnell und 'erfreut' darauf zugegriffen", erklärte der Medienpsychologe Peter Vitouch.

Zwei Aspekte treffen hier laut dem Wiener Kommunikationswissenschafter zusammen: "Das Ereignis betrifft die Allgemeinheit stark und zeigt die Hilflosigkeit auf, da es für ein solches keine Voraussagbarkeit gibt. Es löst daher Ängste aus, die mit einer emotionalen Erregung einhergehen", erläuterte Vitouch.

"Wir versuche alle, eine sehr komplexe Welt wieder einfach zu machen"


Um mit der eigenen Hilflosigkeit umzugehen, greifen dann einige Menschen zum Werkzeug der Etikettierung, etwa in dem man sich dann auf Foren derart äußert, dass derartige Handlungen für Menschen einer bestimmten Herkunft typisch wären. "Wir versuche alle, eine sehr komplexe Welt wieder einfach zu machen, aber die Erklärungen sind manchmal derart vereinfachend, dass sie zu Vorurteilen führen", ob diese nun Migranten, Arbeitslose oder andere Gruppen betreffen.

Das Internet biete dann als wesentlichen Punkt die Möglichkeit, sich umgehend und bevorzugt auf emotionale Weise zu äußern. "Würde man sich stattdessen informieren und die Möglichkeit einer kognitiven Verarbeitung nutzen, könnte man auf gewisse Äußerungen verzichten", sagte Vitouch. Grundsätzlich geht es um die Strategien des Einzelnen, mit denen er seine Ängste bewältigt, führte der Medienpsychologe aus. Wem es an Ambiguitätstoleranz mangle, also der Fähigkeit, widersprüchliche oder vieldeutige Situationen zu ertragen, der tendiere dann zu Schwarz-Weiß-Stereotypen - unabhängig davon, wo man politisch stehe: "es kann in beide Richtungen los gehen."

Schutz der Anonymität

Das Internet selbst treffe daran keine Schuld, das sei weder gut noch böse, sondern habe eben Vor- und Nachteile. Dessen kommunikationstechnischen Möglichkeiten hieven das, was früher beim Stammtisch oder in der Bassena auf ähnlichem Niveau diskutiert wurde, in den virtuellen Bereich, der wiederum auch von Extremisten genutzt werden kann. Die Anonymität erleichtert es manchem User, sich aufs "Untergriffigste und Bösartigste" zu äußern, fasste der Kommunikationswissenschafter zusammen.