"Es hat ausgeschaut wie nach einem Terroranschlag"

"Es hat ausgeschaut wie nach einem Terroranschlag"
Die Grazer Innenstadt ist voller Kerzen und Blumen, drei Opfer schweben noch in Lebensgefahr. Der Täter wurde einvernommen.

"Es lagen so viele Verletzte herum. Es hat ausgeschaut wie nach einem Terroranschlag", berichtet der Grazer Unfallchirurg Peter Panzenböck. Am Tag nach dem Unfall fällt es ihm noch sichtlich schwer, über das Geschehene zu reden. "Heute ist erst der Tag der Verarbeitung", sagte er Sonntagmittag.

Er war zufällig mit seiner Frau die Herrengasse entlang gegangen und in eine Seitengasse eingebogen. Plötzlich lief ein Mann auf ihn zu und rief: "Bitte kommen Sie, Herr Doktor." Das Bild, das sich Panzenböck bot, wird er so schnell nicht vergessen. "Überall sind Körper herumgelegen. Die meisten hatten Schädel-Hirntraumata und die Gliedmaßen waren verdreht. Ich habe mich vor allem um ein Kind einer Touristenfamilie gekümmert. Es war so eine lange Strecke, auf der so viele Verletzte lagen."

Schwierig sei die Zeit gewesen, bis die Rettungskräfte vor Ort waren. Panzenböck: "Man geht ja nicht mit der Notarzttasche spazieren." Mit bloßer Hand renkte er die schlimmsten Brüche wieder ein. "Einige waren so tief in der Bewusstlosigkeit, dass sie das nicht mehr mitbekommen haben. Ich hoffe, dass nun keiner mehr stirbt."

Immer noch schwer mitgenommen wirkte am Sonntag der Grazer Bürgermeister. Siegfried Nagl musste zusehen, wie der SUV Adis Dolic und seine Frau auf einem Gehsteig "niedergemäht hat", danach habe der Lenker ihn selbst anvisiert. "Ich hatte Glück, ich konnte mich retten", sagte Nagl leise. "Ich weiß, du trägst in der Politik Verantwortung. Aber da kannst du nicht helfen, weil ein Mensch anscheinend durchdreht."

Unter den ersten Helfern befand sich Stadtpfarrprobst Christian Leibniz, vor dessen Kirche Valentin R. getötet wurde. Der Vierjährige war mit seinem Papa unterwegs. Der kleine Bub wurde über die Windschutzscheibe des grünen SUV geschleudert und war sofort tot.

"Ich habe dem Vater Trost gespendet, so gut es ging", schilderte Leibniz. Bei der ökumenischen Trauermesse am Abend zuvor bat er um ein "Licht des Glaubens. Angesichts so eines Ereignisses muss man verstummen."

Ein paar Meter entfernt starb das dritte Opfer, eine junge Frau. Ihre Identität konnte die Polizei auch am Sonntag nicht bekannt geben. Es hieß, es könnte sich um eine Frau gehandelt haben, die vor der Stadtpfarrkirche um Almosen gebettelt habe.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, versuchte gestern, in Graz Trost zu spenden: "Ich hab’ das Buaberl da liegen sehen", sprach ein Grazer die Politikerin unter Tränen an, nachdem sie vor der Stadtpfarrkirche weiße Rosen im Gedenken an die Opfer abgelegt hatte.

Am Rathaus wehten schwarze Flaggen. Das Lokal, in dessen Gastgarten der SUV gerast war und acht Menschen verletzt hatte, war geschlossen. "Es ist einfach unfassbar, was hier passiert ist", sagte Mikl-Leitner. "Diese Wunde wird schwer heilen, das braucht Zeit." Bis zum Nachmittag schwoll das Meer aus Kerzen in der Innenstadt an rund um Valentins Bild lagen Blumen und Kuscheltiere.

Drei Opfer in Gefahr

Immerhin gab es am Tag nach der Tragödie auch positive Nachrichten: Von jenen 34 Menschen, die bei der Amokfahrt verletzt wurden, durften fünf am Sonntag wieder nach Hause, unter ihnen ein Kind. Und: "Drei Opfer schweben nicht mehr in Lebensgefahr", hieß es aus dem Uni-Klinikum Graz. Um drei andere Opfer wird aber weiterhin gebangt.

Im UKH Graz befanden sich noch neun Opfer des Verdächtigen, drei von ihnen wurden so schwer verletzt, dass sie noch auf der Intensivstation lagen. "Aber ihr Zustand ist stabil", zeigt sich Primar Michel Plecko erleichtert. "Allerdings begreifen die Menschen erst jetzt, welches Glück sie eigentlich gehabt haben, dass sie noch am Leben sind."

Einen Tag nach der verheerenden Amokfahrt mit drei Toten durch die Grazer Innenstadt ist der Lenker des Geländewagens am Sonntag von der Polizei einvernommen worden. Er soll sich dabei eher ausweichend verhalten haben, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Kroschl, auf APA-Anfrage mit.

Am Samstag konnte der 26-Jährige nicht einmal auf die Fragen der behandelnden Ärztin antworten, sein psychischer Zustand war dazu zu schlecht. "Angeblich hat er bei seiner Festnahme von einer Messerstecherei gesprochen, dass er auf dem Weg in die Schmiedgasse (zur Polizei, Anm.) mit dem Auto jemanden angefahren habe, hielt er für möglich. Das Ausmaß war ihm aber anscheinend nicht bewusst", schilderte Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Festnahme verlief ohne Gegenwehr des Lenkers, er fuhr bereits langsam, als ihn die Beamten vor der Polizeiinspektion anhielten.

Über die Befragung, die am Sonntag um 14.00 Uhr begonnen hatte, gab es bis zum Abend kaum Informationen. Der 26-Jährige konnte zwar einvernommen werden, wich aber immer wieder aus, schilderte der Staatsanwalt. Der Verdächtige sollte anschließend in die Haftanstalt Graz-Jakomini gebracht werden, wo er am Montag einem Haftrichter vorgeführt wird.

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