Nach Kurz-Abwahl: Wer wird Österreichs Übergangs-Kanzler?
Von vielen offenen Fragen in der aktuellen Situation ist diese wohl eine der dringlichsten: Wer übernimmt bis zur Nationalratswahl die Regierungsgeschäfte?
Theoretisch hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen freie Hand, wen er als Übergangs-Kanzler ernennt. Realpolitisch muss er sich das freilich gut überlegen, braucht der Kandidat – oder die Kandidatin – die „Duldung der Parlamentsparteien“, wie das Van der Bellen nannte. Eben damit diese(r) nicht auch gleich abgewählt wird.
Abberufung
Heute wird Van der Bellen die Regierung Kurz offiziell abberufen, und diese gleich wieder mit den Amtsgeschäften betrauen. Das Kanzleramt übernimmt der bisherige Finanzminister Hartwig Löger – aber nur, bis der Bundespräsident die echte Übergangsregierung nominiert hat.
Und wer wird’s? Chancen hat Gerhart Holzinger. Der 71-jährige Oberösterreicher war beinahe zehn Jahre lang Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und wird vor allem von der SPÖ ins Spiel gebracht. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner hatte zuletzt etwa gemeint, Holzinger hätte „gute Voraussetzungen“ für den heiklen Posten.
Rot & Türkis
Ein anerkannter Verfassungsjurist wäre sicher nicht die schlechteste Wahl, um ein Expertenkabinett anzuführen. Außerdem kommt Holzinger aus dem ÖVP-nahen Cartellverband (CV) und hat unter roten Kanzlern Karriere gemacht; ist also bei Rot und Türkis gut angeschrieben.
Von anderer Seite, nämlich von den Grünen, wird hingegen der frühere ÖVP-Landwirtschaftsminister und Ex-EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler ins Spiel gebracht. „Untadelig, integer und kompetent“ sei der 72-jährige Tiroler, sagte Grünen-Chef Werner Kogler über Fischler. Zudem verfüge er durch seine Kommissionsvergangenheit über die notwendige Erfahrung für den Posten.
Was Kogler sicher auch gefällt, ist, dass Fischler sowohl die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ des oö. Grünen-Landesrates Rudolf Anschober unterstützt als auch seit langem eine Ökologisierung des Steuersystems fordert.
Fraglich ist hingegen, ob Van der Bellen einen ehemaligen Politiker als Übergangs-Kanzler in Betracht zieht. Holzinger scheint die besseren Karten zu haben.