Nach Abstufung: "Müssen jetzt zupacken"
Von Daniela Kittner
Freitag, 12 Uhr Mittags. Vizekanzler Michael Spindelegger steht beim traditionellen Botschafter-Empfang in der Hofburg in der Schlange, als ihm ein Kabinettsmitarbeiter die Hiobsbotschaft zuraunt: Standard & Poor’s stuft Österreich herab. Ab da geht es rund. Spindelegger ruft den Kanzler an, der gerade in Innsbruck auf Dienstreise ist. Szenarien werden entworfen, Reaktionen erarbeitet, Expertenmeinungen eingeholt.
Zu den wichtigsten Beratern der Regierung in dieser Krise gehören die Experten des Finanzministeriums und der Nationalbank, allen voran Gouverneur Ewald Nowotny. Diesem fällt auch die Rolle zu, Abends im Staatsfernsehen den Österreichern die erste Interpretation der neuen Lage zu geben. Ernst – ja, Panik – nein. Am Montag wird das Krisenmanagement mit einer hochrangigen Runde zum Thema Banken fortgesetzt. Die Regierungsspitzen, Finanzministerin Maria Fekter, die Finanzmarktaufsicht und Gouverneur Nowotny werden analysieren, was bezüglich des Osteuropa-Engagements der heimischen Banken – insbesondere in Hinblick auf Ungarn – getan werden kann und muss.
Kritik
Abgestimmt ist an der Staatsspitze auch die Kritik an der Rating-Agentur. Einer der schärfsten Kritiker von Standard & Poor’s ist Nowotny selbst: "Besonders aggressiv und politisch" sei die Agentur. Auch Bundespräsident Heinz Fischer sagte am Samstag im ORF-Radio, es wäre fair gewesen, hätte die Agentur die Sparmaßnahmen Österreichs abgewartet, bevor sie dem Land die Top-Bonität aberkennt. Für "unverständlich und falsch" hält Faymann die Herabstufung Österreichs. Dennoch sind sich alle einig: Der Verlust der Top-Bonität muss zur nachhaltigen Budgetsanierung führen. Und zwar schnell. Im KURIER-Interview nimmt Spindelegger zu Ursachen und Folgen des Verlusts der Top-Bonität Stellung. Er hält die Herabstufung für "unverständlich und nicht nachvollziehbar".
Motive
Seit die Agentur Fitch vor fünf Tagen Österreichs Triple-A bestätigt habe, sei nichts passiert, was die Herabstufung durch Standard & Poor’s rechtfertigen könne. Dass neun EU-Länder auf einen Schlag herabgestuft wurden, lasse auf einen politischen Hintergrund schließen: "Es handelt sich um eine US-Agentur. Die USA stehen in großem Wettbewerb mit Europa. Standard & Poor’s hat die USA herabgestuft, jetzt könnte es sein, dass die Herabstufung Europas ein Nachzieheffekt war." Der Vizekanzler will aber jetzt "keine Wagenburgmentalität entwickeln". Das habe "keinen Sinn".
Spindelegger: "Wir müssen das Zupacken in den Vordergrund stellen. Wir müssen Österreich wieder stark machen." Die Herabstufung werde "hoffentlich bewirken, dass allen ein Licht aufgeht, dass sich etwas ändern muss". Die Österreicher sollen nicht beunruhigt sein, sagt der Vizekanzler: "Die Regierung wird alles wieder auf gerade Beine stellen." Angesichts der Reaktionen der Opposition zweifelt er aber daran, dass es mit der Schuldenbremse in der Verfassung noch etwas werden könnte: "Zuerst stiehlt sich die Opposition bei der Schuldenbremse aus der Verantwortung. Dann zeigt sie mit dem Finger auf die Regierung."
"Große Koalition hat bestenfalls Ramsch-Status"
Jetzt sei es wichtiger denn je, dass die Opposition einer Schuldenbremse in der Verfassung zustimme, ließ der Bundeskanzler per Facebook -Eintrag wissen.
Die Parteizentralen gaben aber der Koalition die Schuld an der Herabstufung – und untermauerten ihre bekannten Forderungen:
Heinz-Christian Strache fordert als Antwort auf die Herabstufung Neuwahlen. "Wenn Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger als erste Reaktion darauf nichts anderes einfällt, als ,Unverständnis‘ zu äußern, dann ist es höchste Zeit, diese Herrschaften in die Wüste zu schicken", so der FPÖ-Chef per Aussendung. Der Euro sei eine Fehlkonstruktion – und das Aufrechterhalten dieses Systems ermögliche erst, dass man es von außen spekulativ angreifen könne.
Die Grünen plädieren dafür, sich "nicht von einzelnen Ratingagenturen hysterisch machen zu lassen". Vize-Klubchef Werner Kogler erklärte, entscheidend seien die auf den Märkten gebildeten Zinsen. Es gehe also um die Glaubwürdigkeit der Reformprogramme, man müsse das Steuersystem umstrukturieren: mit Vermögenssteuern und einer Entlastung der Leistungseinkommen, Investitionen in Bildung und Einsparungen durch die Zusammenlegung von Sozialversicherungen. Das sei besser als eine "wirtschaftspolitisch falsch konstruierte" Schuldenbremse.
BZÖ-Chef Josef Bucher hat auf die Abstufung mit der Forderung nach einem "Reformfrühling" für das Land reagiert. Es müsse am System gespart werden, so Bucher. Bucher warnte erneut davor, das Budget hauptsächlich über Steuererhöhungen zu sanieren. Er sah für Panik keinen Anlass: "Österreich ist immer noch Triple-A, nur diese Große Koalition hat bestenfalls Ramsch-Status."
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