SPÖ-Chefin Rendi-Wagner kämpferisch: "Ja, ich will's wissen"
Von Christian Böhmer
"Ja, ich will's wissen." Überzeugt von sich und ihrer Sache bewarb SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag die bevorstehende Mitgliederbefragung.
Ab 4. März sind 160.000 SPÖ-Mitglieder aufgerufen, ihre Meinung abzugeben. "Mitsprache darf kein Lippenbekenntnis sein", sagte Rendi-Wagner Dienstagmittag.
Dass Parteigranden wie der Wiener Bürgermeister zuletzt auf klare Distanz gingen, irritiert die SPÖ-Chefin nicht besonders. Es müsse Schluss sein mit der "jahrelangen Selbstbeschädigung". Und im persönlichen Gespräch, wie etwa am Montag bei der Bezirkskonferenz in Wien-Simmering, erfahre sie durchaus positives Feedback.
Für die erste Frau an der Parteispitze wird die vier Wochen dauernde Abstimmung eine Schicksalswahl, immerhin hat sie den Mitgliedern - zum ersten Mal in der Geschichte - die Vertrauensfrage gestellt.
Worum geht es sonst noch und warum haben so viele Landesparteien und Landesparteiobleute mit der Befragung ein ernsthaftes Problem?
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:
Worum geht es eigentlich bei der SPÖ-Befragung?
Vier Wochen lang können die 160.000 SPÖ-Mitglieder 15 Fragen zum Kurs der Partei beantworten bzw. nach Wichtigkeit reihen. Die Befragung wurde im Herbst 2019 fixiert und budgetiert. Die Fragen sind teils suggestiv („Jährliche Klimaschutz-Milliarde statt Kosten auf BürgerInnen abwälzen“), teils rote Kern-Anliegen. Eine Forderung ist zum Beispiel „Pflege für alle Menschen sicherstellen – als öffentliche Leistung“. Zum Ärger der anderen Vorstandsmitglieder hat Pamela Rendi-Wagner kurzerhand in den Fragebogen mit aufgenommen, dass auch mit „Ja/Nein“ über sie als Bundesparteivorsitzende abgestimmt werden soll. Das gab es in dieser Form noch nie.
Wie wird die Befragung ablaufen?
Ab 4. März bekommt jedes Mitglied einen Brief der Parteivorsitzenden, dem ein Fragebogen und ein Rücksendekuvert beigelegt sind. Zusätzlich findet sich im Umschlag ein Code, mit dem man den Fragebogen online beantworten kann. Sogenannte Gastmitglieder (zahlen keinen Mitgliedsbeitrag von sechs Euro pro Monat) sind nicht stimmberechtigt – das Parteistatut erlaubt das nicht.
Wer unterstützt Pamela Rendi-Wagner?
Genau das ist das Problem: Obwohl die Vorfeldorganisationen und Landesparteien wissen, dass eine solche Befragung nur erfolgreich sein kann, wenn sie möglichst breit unterstützt wird, ist die Zahl der Fürsprecher enden wollend. Einer der wenigen Parteipromis, die sich öffentlich für Rendi-Wagner deklarieren, ist Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky: „Ich verhehle nicht, dass ich kein großer Freund dieser Art von Mitgliederbefragungen bin“, sagt Vranitzky zum KURIER. Aber wenn es gelte teilzunehmen, werde er das tun. „Und ich werde Rendi-Wagner meine Stimme geben.“
Abgesehen von Vranitzky gibt es kaum prominente Fürsprecher. Im Gegenteil: Neben der mächtigen Landespartei Wien haben auch Niederösterreich, die Steiermark, das Burgenland, Kärnten und Salzburg erklärt, dezidiert nicht mobilisieren zu wollen. Stellvertretend für viele prominente Genossen ist die Haltung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig: Er hält Rendi-Wagners Entscheidung, über sich selbst abstimmen zu lassen, für einen Fehler und sagte kürzlich über die Befragung: „Wir haben als SPÖ Wien nichts damit zu tun.“ Ähnliches gilt für die Gewerkschaft. Die Sozialistische Jugend will nicht nur nicht mobilisieren, sie stellt sich per Beschluss sogar dezidiert gegen Rendi-Wagner.
Welche Szenarien gibt es für die Abstimmung?
Mitgliederbefragungen sind in Parteien grundsätzlich fordernd, im Falle der SPÖ kommt die ungünstige Altersstruktur hinzu – mehr als die Hälfte der 160.000 Mitglieder ist jenseits der 60. „Ein Gutteil davon ist sogar 70 und älter“, sagt ein Mitarbeiter der Bundespartei. „Diese Menschen zur Abstimmung zu bewegen, ist ohne die Hilfe der Landes- und Vorfeldorganisationen fast unmöglich.“
Ab welcher Teilnehmer-Quote ist die Befragung für Rendi-Wagner ein Erfolg?
Die offizielle Sprachregelung lautet: Es gibt keine seriösen Vergleichswerte, daher gibt es auch keine wie auch immer geartete „Schmerzgrenze“. In den Ländern legt man die Latte freilich hoch. „Als Benchmark kann man die Mitgliederbefragung 2018 heranziehen“, sagt Georg Brockmeyer, Landesgeschäftsführer der SPÖ Oberösterreich. Damals nahmen 23 Prozent teil – allerdings mobilisierte hier die gesamte Partei dafür.