Mindestsicherung: Empörung in SPÖ-regierten Bundesländern
Wiens scheidende Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) hat am Dienstag Kritik am Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Mindestsicherung geübt. "Es lässt für die Betroffenen nichts Gutes ahnen, wenn die Bundesregierung ein neues Mindestsicherungsgesetz innerhalb weniger Wochen durchpeitschen will", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Dass sich die Länder in der Begutachtung einbringen könnten, bezeichnete sie als "Augenauswischerei": "Eine Stellungnahme abgeben zu können, hat mit echten Verhandlungen nichts zu tun", kritisierte sie.
Das Wiener Mindestsicherungsmodell sei jedenfalls ein "gutes Vorbild für ganz Österreich", befand sie. "Seit sechs Monaten sind die Zahlen deutlich rückläufig. Das zeigt, dass die starke Arbeitsmarktanbindung in Wien funktioniert."
Auch im Burgenland ist man höchst unzufrieden. Er finde die Vorgangsweise von Bundeskanzler Kurz bei der Mindestsicherung befremdlich, teilte Burgenlands Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) auf Anfrage mit.
Darabos: "Politik des Drüberfahrens"
Man müsse dies als "unfreundliche Aktion den Ländern gegenüber" beurteilen. Darabos verwies darauf, dass es einen einstimmigen Beschluss aller Landes-Sozialreferenten gegeben habe - auch aus ÖVP-regierten Ländern - wonach bis Ende Juni Vorschläge für die Diskussion gesucht werden sollten. Dies sei von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die bei der Konferenz gewesen sei, auch begrüßt worden.
Offensichtlich bediene sich Kurz zwei Tage nach dem Ende der Landtagswahlen einer "Politik des Drüberfahrens" und versuche, Pflöcke einzuschlagen. Es werde interessant sein zu beobachten, wie dies bei wichtigen Dingen aussehe, die demnächst zu verhandeln seien, etwa im Hinblick auf die Kosten der Abschaffung des Pflegeregresses. Da werde es bei so einer Vorgangsweise "massiven Widerstand geben seitens der Länder".
Besonders verärgert äußert sich die für Soziales zuständige steirische Landesrätin Doris Kampus (, sie sei vom Vorgehen der Regierung bei der Mindestsicherung entsetzt und sprach von "Desavouierung" und "Wortbruch". "Die Bundesländer sind offenbar nichts mehr wert und Gespräche mit der Sozialministerin reine Zeitverschwendung, wenn sie von Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache immer wieder zurückgepfiffen und öffentlich bloß gestellt wird", resümierte die Steirerin.
Grüne: Regierung spielt Arme gegen Ärmste aus
Verärgert reagieren auch Grüne Landesräte darauf, dass Kurz die Verhandlungen der Länder über eine neue Mindestsicherung nicht abwarten will. Die Grünen Soziallandesrätinnen Katharina Wiesflecker (Vorarlberg) und Gabriele Fischer (Tirol) sowie die Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein warnen gemeinsam mit Bundessprecher Werner Kogler vor einer verfassungswidrigen Vorgangsweise. Der Verfassungsgerichtshof habe erst kürzlich Regelungen mit einer Wartezeit und einer Deckelung von 1.500 Euro eine klare Abfuhr erteilt. Dass Kurz eine Politik der Ausgrenzung betreibe und Arme gegen noch Ärmere auszuspielen versuche, disqualifiziere sich von selbst.
Kogler erinnert daran, dass überall dort, wo Grüne mitregieren, Mindestsicherungslösungen getroffen wurden, die dem VfGH-Erkenntnis entsprächen: "Überall dort hingegen, wo FPÖ und ÖVP den Ton angeben, kommt ideologie-getriebenes unsoziales Gemurks zustande, das vor dem Höchstgericht nicht hält."
Viel Lob aus ÖVP-Ländern
Bei den ÖVP-Landeshauptleuten sieht man den Vorstoß aus Wien hingegen positiv. Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, frischgebackener Wahlsieger, begrüßte am Dienstag eine bundeseinheitliche Lösung. Auch Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus Niederösterreich und Günther Platter (ÖVP) aus Tirol äußerten sich wohlwollend.
Auch die Wiener Neos reagierten in einer Aussendung auf den Vorstoß der Bundesregierung. Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger beurteilte "das Ansinnen der Bundesregierung, die Mindestsicherung zu vereinheitlichen" als "grundsätzlich positiv". Sie sprach sich dafür aus, im Zuge der Reform eine Wohnsitzbindung einzuführen.