Mikl-Leitner für Frauen im Zivildienst
In knapp zwei Wochen geht es nicht nur um Wehrpflicht oder Berufsheer. Im Zuge der Volksbefragung entscheidet sich auch, ob der Zivildienst bleibt, oder das bezahlte, freiwillige Sozialjahr kommt.
ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zieht nun im Finale alle Register und legt sich mit einer aktuellen Rekord-Statistik für die Beibehaltung des Zivildienstes ins Zeug. „Trotz rückläufiger Geburtenjahrgänge hält der Trend zum Zivildienst ungebrochen an“, sagt sie.
Die Innenministerin untermauert dies mit einer Rekord-Bilanz. Demnach waren im vergangenen Jahr 13.869 Zivildiener in Österreich im Einsatz, was einem Plus von 359 Zivildienern gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2011 entspricht.
Mehr Anträge
Die vom Innenministerium präsentierte Bilanz zeigt auch, dass das Interesse am Zivildienst sowohl bei jungen Männern als auch bei den sozialen und Blaulicht-Organisationen weiter zugenommen hat.
Im Vorjahr stellten bereits knapp 15.000 junge Männer den Antrag auf Ableistung des neunmonatigen Zivildienstes. Mehr als 1000 kamen aber nicht zum Zug. Unterm Strich hat sich aber seit dem Jahr 2000 die Zahl der Zivildiensterklärungen verdoppelt.
Auch die Nachfrage der Organisationen nimmt stetig zu. Im Vorjahr wurde ein Bedarf von 14.600 Zivildienern gemeldet (plus 600 gegenüber 2011). Aber auch nicht alle Wünsche der Sozial- und Rettungsorganisationen wurden von der Zivildienstagentur berücksichtigt.
Besonders die Freiwilligen Rettungsorganisationen profitieren vom System. 43 Prozent der Zivildiener kommen dort zum Einsatz. Sieben von zehn jungen Männern bleiben der Rettung dann noch einige Jahre als Freiwillige erhalten.
Mit diesen Zahlen tritt Mikl-Leitner jetzt dem von der SPÖ forcierten Sozialjahr-Modell entgegen. Denn das sieht laut Sozialminister Rudolf Hundstorfer nur 8000 junge Frauen und Männer vor. Im bisherigen Rekordmonat (März 2012) befanden sich bundesweit aber bereits 10.800 Zivildiener im Einsatz.
Planungssicherheit
Angesichts dieses stark wachsenden Interesses teilt Mikl-Leitner die Sorge nicht, dass rückläufige Geburtenjahrgänge den Zivildienst in Bedrängnis bringen könnten. Die Organisationen könnten somit in den kommenden Jahren fix mit ausreichendem Personal rechnen, sagt die Innenministerin.
Trotzdem verschließt sich Mikl-Leitner einer aktuellen Personaldiskussion nicht. „Ich kann mir vorstellen, den Zivildienst für Frauen auf freiwilliger Basis zu öffnen“, sagt sie zum KURIER. Ihr Nachsatz lautet: Die Diskussion darüber führe sie erst nach der Volksbefragung, wenn klar ist, ob der Zivildienst bleibt.
Eine Absage erteilt sie dem SPÖ-Modell des bezahlten Sozialjahres auch aus einem anderen Grund: „Damit würden wir im Umfeld der Freiwilligenorganisationen die Zwei-Klassen-Gesellschaft einführen.“ Das würde sich nicht vertragen.
Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) trafen Dienstagabend zum einzigen Mal vor der Volksbefragung in einer Diskussion über die Zukunft der Wehrpflicht zusammen: Im ORF-Bürgerforum wurden die Facetten von Wehrpflicht und Berufsheer sowie Zivildienst und Sozialjahr teils sehr emotional diskutiert.
Auch die Positionen der Wehrexperten der Oppositionsparteien waren gefragt. Dabei waren: Peter Fichtenbauer (FPÖ), Peter Pilz (Grüne), Herbert Scheibner (BZÖ) und Christoph Hagen (Team Stronach), wobei sich nur Fichtenbauer für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht aussprach.
Wenig Information
Mit einem historischen Rückblick ging es los: Die ÖVP wollte Ende der 1990er-Jahre die Wehrpflicht noch abschaffen, die SPÖ lehnte wieder bis 2010 ein Profiheer ab.
300 Bürgerinnen und Bürger saßen im Studio – zwecks Ausgewogenheit gleich viele Befürworter von Wehrpflicht und Profiheer sowie Unentschlossene. Es kamen nicht nur Fragen, sondern es gab auch viel Kritik, dass die Debatte um Pro oder Contra der Wehrpflicht nicht fundiert genug verlaufe. Faymann und Spindelegger antworteten meist knapp, lieferten sich aber auch den einen oder anderen spannenden Schlagabtausch.
Faymann nannte die Kritikpunkte am Status Quo und warb für das Berufsheer. „Gäbe es die Wehrpflicht nicht, würde man sie heute einführen?“ fragte der Kanzler und fügte hinzu: „Man muss den Mut haben, auch einmal etwas zu ändern.“ Er sei für Profis, gute Ausbildung und für Freiwilligkeit. Das freiwillige soziale Jahr, mit 1400 Euro pro Monat an Gehalt, könne auch für viele ein Berufseinstieg sein. Faymanns Schlussappell erntete viel Applaus: „Geben wir der Veränderung eine Chance!“
Spindelegger plädierte dafür, die Wehrpflicht mit „einem Heer aus dem Volk für das Volk“ zu reformieren und den Zivildienst „als wertvollen Beitrag für die Gesellschaft“ zu lassen wie er ist. Spindelegger: „Etwas Bewährtes zu ändern, dafür bin ich nicht.“ Die Wehrpflicht könne zu einer „ereignisreichen Zeit, ohne Leerläufe“ werden. Sein Schlussappell, der vom Publikum weniger goutiert wurde: „Gehen wir keine Abenteuer ein!“
Überraschende Schärfe
Für Medienberater und Ex-ORF-Moderator Gerald Groß war die Sendung „ein Highlight an politischer Diskussion, das in seiner Schärfe überrascht hat“. Trotzdem könnten sich Faymann und Spindelegger heute wieder „in die Augen schauen“. Groß nach der Sendung zum KURIER: „Es ist schade, dass sich die beiden nicht früher mit solcher Verve in die Schlacht geworfen haben.“
Anders bewertete Politologe Peter Filzmaier den Auftritt vor hunderttausenden Zusehern. Die Chance, etwas Neues einzubringen, hätten weder Faymann noch Spindelegger genützt, obwohl dies der Mobilisierung Unentschlossener nützen hätte können. „Es wurden die bekannten Positionen ausgetauscht“, sagte Filzmaier in seiner Analyse. Bemerkenswert fand er aber die einhellige Kritik aus dem Publikum, dass es zum Thema zu wenig Informationen gebe und die Diskussion zu wenig tief verlaufe. „Das sollte den Parteien schon zu denken geben.“
Zwölf Tage vor der Volksbefragung zur Wehrpflicht zeigt sich, dass es ans Eingemachte geht. Im Kampf pro Wehrpflicht (ÖVP) versus pro Berufsheer (SPÖ) scheint den Kontrahenten fast jedes Mittel recht zu sein.
Während die ÖVP stets mit dem Argument, dass die Rettung ohne Zivildienst später kommen würde, zu punkten hofft, packt die SPÖ nun mit Unterstützung der Kronenzeitung die Präsenzdienst-für-Frauen-Keule aus. Sukkus: Auch Frauen könnten künftig ins Heer beordert werden, wenn die Wehrpflicht bestehen bleibt.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek unterstellt der ÖVP, „dass sie das im Hinterkopf hat“. Da es künftig weniger junge Männer geben wird (geburtenschwache Jahrgänge), würde das „zwangsläufig heißen, dass auch Frauen verpflichtet werden sollen“, sagte Heinisch im ORF-Radio. Heeresminister Norbert Darabos befand, „von der Gerechtigkeit her ist es überlegenswert, das zu machen“. Kanzler Werner Faymann lässt den Verfassungsdienst prüfen.
In der ÖVP sorgt die Debatte für Nervosität. Es wird befürchtet, dass sich die Stimmung noch drehen könnte – derzeit liegen die Wehrpflicht-Anhänger in Umfragen vorne. Offiziell stuft man den Vorstoß als „Beitrag zum Fasching“ (Vizekanzler Spindelegger) ein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ätzte: „Wie verzweifelt muss man sein, dass man derart untergriffig argumentiert.“ Mit der ÖVP werde es keine Wehrpflicht für Frauen geben, betonten Mikl und Spindelegger unisono.
Rechtslage
Wie ist die Rechtslage? Verfassungsexperte Heinz Mayer hat in der Krone erklärt, mittel- und langfristig werde kein Weg daran vorbeiführen, dass Frauen zum Heer müssen. Ex-Verfassungsgerichtshof-Präsident Karl Korinek sagt im KURIER-Gespräch, er könne zwar nicht beurteilen, ob es „irgendwann gesellschaftspolitisch einen Druck gibt, aber nach derzeitiger Rechtslage ist das völlig ausgeschlossen“. Auch eine Beschwerde an den VfGH wäre aussichtslos. Der Gleichheitsgrundsatz sei „nicht höherrangig“ als die verfassungsrechtliche Bestimmung, wonach nur Männer den Wehrdienst leisten müssen. Auch andere Rechtsexperten wie Theo Öllinger meinen, ohne Verfassungsänderung könnten Frauen nicht zum Präsenzdienst vergattert werden.
Eine Beschwerde eines Mannes auf Ungleichbehandlung gab es noch nie. Nur eine Frau hat sich Ende der 1980er Jahre an den VfGH gewandt, weil sie den Wehrdienst nicht absolvieren durfte. Das Höchstgericht wies die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die verfassungsrechtliche Bestimmung, wonach nur Männer wehrpflichtig sind „dem Gleichheitsgebot vorgeht“.
Heinz Mayer verteidigt seine Einschätzung. Er habe ja „nicht gesagt, dass es heute oder morgen so sein wird“, erläutert er dem KURIER. Aber: Wenn Frauen und Männer einmal gesellschaftlich gleichgestellt seien, werde es nicht mehr argumentierbar sein, dass Frauen nicht zum Heer müssen.
Einer Gruppe widmet sich die Politik besonders – wenn es ums Kreuzerlmachen geht. Logisch. Ein Drittel der 5,8 Millionen wahlberechtigten Österreicher sind Pensionisten. Die sind auch jetzt wieder gefragt.
Sowohl Rote als auch Schwarze versuchen, sie für ihren Standpunkt zu gewinnen. ÖVP-Seniorenbundchef Andreas Khol und ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch schicken heute einen Brief an die 2500 Seniorenbund-Funktionäre. Dessen Inhalt, den sie weitertragen sollen: Bitte stimmt am 20. Jänner ab – „für den Erhalt von Wehrpflicht und Zivildienst, um auch in Zukunft jederzeit ausreichend Hilfe und Unterstützung der jungen Generation für unser Land und für unsere älteren Landsleute gewährleisten zu können“. Die latente Botschaft: Mit dem von der SPÖ propagierten Berufsheer und dem Sozialjahr sei das nicht garantiert.
Ungemähte Wiese
Die Älteren sind grundsätzlich eine wahlfreudige Truppe. Diesmal ist das anders. „Wir haben 4000 Pensionisten elektronisch zur Sache befragt; 80 Prozent waren für die Wehrpflicht, aber nur die Hälfte davon hat gesagt: Wir stimmen sicher ab“, erläutert Khol dem KURIER. Die restlichen 40 Prozent gelte es zu mobilisieren. Nicht nur schriftlich, auch telefonisch. „Wir rufen 3000 Leute an, alle Wehrpflicht-Befürworter, um sie zu animieren, zur Volksbefragung zu gehen. Wir informieren sie auch darüber, wie sie zu einer Wahlkarte kommen – und dass sie auch via Internet und Fax abstimmen können. Denn die Wiese ist nicht gemäht.“
Zu wenig Information
Schreiberisch aktiv ist auch der SPÖ-Pensionistenverband. Frontmann Karl Blecha verfasst gerade einen Brief, der noch diese Woche abgesendet werden soll – wie beim ÖVP-Gegenüber an die eigenen Funktionäre. „Indoktriniert wird nicht, es geht um reine Sachinformation“, sagt Blecha dem KURIER. „Wir wissen aus Umfragen und Gesprächen mit Älteren, dass sie nicht unbedingt an der Volksbefragung teilnehmen wollen, weil es Informationsdefizite gibt.“ An diese appelliere er, abzustimmen.
Würden sie nicht die Gegenseite stärken, weil laut Khol 80 Prozent der Senioren bei der Wehrpflicht bleiben wollen? „So viele, wie Khol sagt, sind es nicht. Bevor die Kampagnen begonnen haben, hat aber die Mehrheit der Pensionisten die Wehrpflicht dem Berufsheer vorgezogen. Nun zeigt sich: Je mehr sie wissen, was eine Professionalisierung bedeutet – durch eine Profi-Truppe und ein Sozialjahr –, desto stärker verändert sich das Meinungsbild.“ Ob sich die Stimmung der Senioren in so kurzer Zeit zu Gunsten eines Berufsheeres drehen lässt, wagt Blecha nicht zu sagen.