Schwarzer Drei-Fronten-Krieger
Es ist 22 Uhr. ÖVP-Minister und -Abgeordnete lassen den Tag bei Bier und Wein an der Hotelbar ausklingen. Einer fehlt: der Parteichef. Michael Spindelegger schaut erst kurz vor Mitternacht vorbei, bestellt ein Cola light, redet mit ein paar Leuten; und ist auch schon wieder weg. Er muss verhandeln – nicht mit dem Koalitionspartner. Die Wirtschaftsbündler fordern Zugeständnisse beim Steuerpaket.
Die Szene bei der ÖVP-Klubklausur im steirischen Loipersdorf ist symptomatisch für Spindeleggers Polit-Alltag, seit der Vizekanzler und Parteichef auch noch Finanzminister ist. In dieses Amt hat ihn niemand gedrängt. Parteifreunde warnten ihn, es zu übernehmen. Schon sein Vorgänger Josef Pröll ist an der Dreifachbelastung gescheitert. Er habe Spindelegger geraten, sich einen Fachmann für das Finanzressort zu nehmen, erzählt ein Schwarzer. Nach wochenlangem Hin und Her tat Spindelegger kund, es selbst führen zu wollen. Sein einstiger Mentor aus dem niederösterreichischen ÖAAB, Ex-Heeresminister Robert Lichal, glaubt zu wissen, warum: "Das Finanzministerium hat für die Gestaltung in der Politik große Bedeutung." Dabei hat Spindelegger weniger Gestaltungsspielraum als jeder Ressortchef vor ihm – ob des Hypo-Debakels. Das musste er wissen. Nun sind ihm, dem fachlich Unbeschlagenen, auch noch Experten abhanden gekommen: Hypo-Taskforce-Boss Klaus Liebscher und Gerhard Steger, der 16 Jahre lang als Budget-Sektionschef im Ministerium die Fäden zog.
Michael Spindelegger im Porträt
Dessen Abgang wird Spindelegger besonders schmerzhaft zu spüren bekommen. Bis Ende April muss er den Finanzrahmen bis 2018 sowie die Budgets für 2014 und 2015 vorlegen. Ebenso ist zu entscheiden, wie die Hypo "abgewickelt" wird. Der Zeit- und Polit-Druck ist groß, eine "für die Steuerzahler möglichst günstige Lösung" (Spindelegger) zu finden. Berater hat Spindelegger wenige: seinen Staatssekretär Jochen Danninger, wie er Jurist, nicht Finanzfachmann; Klubchef Reinhold Lopatka und Kabinettchef Thomas Schmid. "Spindelegger hat es nicht leicht, er wird das aber schaffen. Er ist korrekt, ehrlich und zuverlässig. Der ideale Schwiegersohn", urteilt Lichal. Ist sein einstiger Mitarbeiter auch der ideale Finanzminister? "Vom Habitus her schon", antwortet der 81-Jährige: "Fragen Sie mich das aber in vier Jahren noch einmal – wenn ich noch lebe."
Ex-Sektionschef Steger lobt Spindeleggers Umgangsformen: "Er hat eine Eigenschaft, die für einen Politiker sehr wichtig ist. Er kann zuhören. Er redet mit den Beamten im Haus. Er drückt auch Wertschätzung aus, bedankt sich, wenn etwas gelungen ist." Und angesichts dessen, was er in Sachen Hypo zu stemmen habe, wirke er "erstaunlich ruhig".
Von Partei genervt
Gesinnungsfreunde bestätigen das. "In der Partei sagen immer mehr Leute, Spindelegger hält mehr Druck aus, als ihm viele zugetraut haben." Ein Regierungsinsider ergänzt: "Er wirkt nicht sehr gestresst, manchmal aber genervt. Am meisten nervt ihn die Partei. Er fühlt sich von ihr teils im Stich gelassen." Tatsächlich hat Spindelegger kein gutes Standing in den eigenen Reihen. Es mangelt ihm an Autorität, die – bei den Bürgern erhobenen – Sympathiewerte sind schlecht. Parteikollegen begehrten gegen ihn auf. Den Steirern missfiel der Koalitionspakt. Die "Westachse" (Vorarlberg, Tirol, Salzburg) und die Steirer drängten – entgegen der Vorgabe – auf Modell-Regionen für die Gesamtschule. Salzburgs VP-Obmann Wilfried Haslauer liebäugelte via KURIER gar mit Vermögenssteuern. Das kränkte Spindelegger besonders, weil er Haslauer als engen Vertrauten sah.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, Spindelegger habe wegen der Querelen den ÖVP-Vorsitz abgeben wollen; mehrfach habe er damit gedroht, sagen Schwarze. Bei der 22-Uhr-"Routinesitzung" am 12. Jänner ließ er sich demonstrativ von Länder- und Bünde-Chefs den Rücken stärken. Intern werde er fortan besser kommunizieren, beteuerte der ÖVP-Chef.
Der Friede währte nicht. Kammer-Boss Christoph Leitl warf Spindelegger bald danach vor, "Gefangener" seiner Beamten im Finanzressort zu sein – und trotzte ihm Begünstigungen für die Wirtschaft ab (GmbH-light, Gewinnfreibetrag etc.).
Zuletzt stritten ÖVP-Länderchefs um die Besetzung der wählbaren Plätze auf der EU-Liste. Machtwort sprach Spindelegger keines, er ließ geheim abstimmen. Ex-Ministerin Beatrix Karl landete auf Listenplatz sechs. Mit einem EU-Mandat wird es für die Steirerin damit wohl nichts. Von den 30 Prozent bei der vergangenen EU-Wahl ist die ÖVP laut Umfragen weit entfernt.
Kein Brüssel-Plan
Könnte der Partei-Obmann einer möglichen Demontage nach einem neuerlich dürftigen Wahlresultat zuvorkommen, indem er Johannes Hahn als EU-Kommissar beerbt? Einige Schwarze sagen, Spindelegger sei "nicht der Typ, der davonrennt". Der Vizekanzler bestätigt das. "Meine Agenda sind die Schaffung solider Finanzen für Österreich und eine rasche Hypo-Lösung. Ich bleibe Finanzminister und somit in Wien", sagt Spindelegger zum KURIER.Das Hauptproblem jener Parteifreunde, die ihn loswerden wollen, ist ohnedies: Mehrheitsfähige Alternativen für die ÖVP-Spitze gibt es derzeit nicht. Umso nervöser sind jene Länderchefs, die bald eine Wahl zu schlagen haben. Etwa Vorarlbergs Markus Wallner, der mit den Neos auch noch einen starken Konkurrenten hat. Das Desaster bei der Hypo und dessen desaströses Krisenmanagement schlagen bereits negativ auf die Stimmung in Ländern und Gemeinden durch, berichten schwarze Partei-Strategen. Eines ist in der ÖVP ehernes Gesetz: Macht sich die schlechte Stimmung in miesen Stimm-Ergebnissen in den Bundesländern Luft, ist Schluss mit lustig...
Österreich braucht jetzt einen sehr sehr guten Finanzminister." Das sagte Andreas Treichl am Samstag im ORF-Mittagsjournal. Ob Michael Spindelegger der richtige Mann am richtigen Ort ist? "Ich hoffe sehr", meinte der Vorstandschef der Erste Group. "Die nächsten Monate und Jahre werden es zeigen." Dringend nötig wäre es – der aktuelle Finanzminister sei aber noch viel zu jung in seinem Amt. Wichtig sei, dass die Regierung in der Causa Hypo zügig entscheide. Sonst werde der Schaden noch größer.
Vorwürfe, die Großbanken hätten die Regierung bei der Finanzierung einer Hypo-Bad-Bank im Stich gelassen, wies Treichl am Samstag zurück.
Diskussion schädlich
Der Erste-Chef hat am Freitag in seiner Jahrespressekonferenz erklärt, im Fall einer Pleite der Hypo Alpe Adria keine Angst um sein Rating zu haben (mehr dazu...). "Ich sage nicht, ich würde die Hypo in einer Sekunde pleitegehen lassen", meinte er am Samstag, aber man müsse über die Möglichkeiten einer Insolvenz reden. Die damit verbundenen Risiken seien gewaltig. Das Allerschädlichste momentan sei aber die derzeitige Diskussion. Egal welche Entscheidung über die Hypo komme, sie sei schnell und zügig durchzuziehen.
Die Schuld, dass eine Hypo-Bad-Bank-Mitfinanzierung durch die Großbanken geplatzt ist, schiebt Treichl an die Regierung zurück. Die Banken hätten ein Angebot gemacht, die Regierung habe es abgelehnt. Unter der Bedingung, dass die Bankenabgabe ab 2017 entfallen oder zumindest gesenkt werden sollte, hätten die Banken für eine Hypo-Bad-Banklösung die Bankenabgabe für drei Jahre - 2014, 2015, 2016 - sofort im Voraus "investiert", was an die 2 Milliarden Euro ausgemacht hätte. Die Regierung wolle allerdings offenbar, dass die österreichischen Banken über 2017 hinaus via Bankensteuer überdimensional belastet blieben.
Diskreditierung des ganzen Hypo-Sektors
Wegen der öffentlichen Pleite-Diskussion um die Kärntner Hypo Alpe Adria ist am Samstag der Hypobanken-Verband zur Beruhigung von Kunden und Gläubigern ausgerückt. Hypoverbands-Generalsekretär Claus Fischer-See warnte vor Panikmache und wegen des Ausnahmefalls Hypo Alpe Adria vor einer Diskreditierung des ganzen Hypo-Sektors. Was die Kärntner Hypo anlangt, appellierte er, "alles zu unterlassen, was eine Realisierung der Vermögenswerte gefährdet und letztlich die Republik zusätzlich belasten könnte - auch wenn das realistisch betrachtet längere Zeit in Anspruch nehmen wird."
Gegenseitige Verpflichtungen könnten schlimmstenfalls ausschließlich im Rahmen der sektoralen Einlagensicherung von Kundeneinlagen und der Pfandbriefstelle entstehen - "und das in einem beherrschbaren Ausmaß", so Fischer-See. Was die Einlagensicherung betreffe, seien die Landes-Hypothekenbanken gewappnet. "Wir garantieren, dass wir alle gesetzlichen Pflichten erfüllen." Die bestehenden Emissionen der Pfandbriefstelle seien mit Haftungen der Bundesländer abgesichert. "Wir haben keinen Zweifel, dass diese Besicherung Bestand hat und werthaltig ist."
Es bestünden Vorkehrungen für den Fall, dass die Landes-Hypothekenbanken vorübergehend in Vorlage treten und für die Liquidität Sorge tragen müssten: "Im Falle der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG würden wir in weiterer Folge die durch das Land Kärnten verbriefte Ausfallshaftung in Anspruch nehmen", so Fischer-See in einer Mitteilung am Samstag.