Politik/Inland

Kickl stellt sich im Parlament doch der Opposition

Die "Empfehlungen" des Innenministeriums für die Medienarbeit der Polizeidienststellen seien nichts anderes als ein "Maulkorberlass" für unabhängige Medien, stellte SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda am Dienstag fest. Politisch verantwortlich dafür sei FPÖ-Innenminister Herbert Kickl.

Die Letztverantwortung dafür trage allerdings Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der dem Treiben seines Innenministers – Stichwort BVT – tatenlos zusehe. Kurz, der derzeit mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der UNO-Vollversammlung ist, hatte sich von dort aus mit deutlicher Kritik an den Vorgängen in Kickls Ministerium gemeldet.

Der designierte burgenländische Landeshauptmann und frühere Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil ( SPÖ) sagte am Dienstag, es dürfe bei Medien "kein Unterschied gemacht werden". Er warnte davor, "dass man auch inhaltlich Pressemitteilungen ausgestaltet und möglicherweise auch Falschmeldungen verbreitet". Er glaube, "da bewegen wir uns in eine ganz falsche Richtung".

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser ( SPÖ) sowie die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gersthofer legten Kickl den Rücktritt nahe.

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Kommunikationssperre angeregt

In einem E-Mail aus dem Büro von Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ) wird angeregt, die Kommunikation mit bestimmten Medien auf "das Nötigste" zu beschränken. Im Visier sind der Standard, der Falter und auch der KURIER. Anfragen dieser drei Blätter sollten nur mehr, falls dies rechtlich geboten ist, beantwortet werden, wird den Landespolizeidirektionen als Empfängern des E-Mails geraten.

Außerdem empfiehlt das Ministerium, die Staatsbürgerschaft und den Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Aussendungen explizit zu nennen sowie Sexualdelikte verstärkt zu kommunizieren.

Opposition will Kickl im Parlament stellen

Die Neos wollen den Innenminister während der Nationalratssitzung am Mittwoch ins Plenum holen, um eine Dringliche Anfrage an ihn zu richten.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte: "Ein derart frontaler Angriff auf die Pressefreiheit ist völlig inakzeptabel. Der Innenminister verliert jede Hemmschwelle. Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden - er ist endgültig rücktrittsreif." Dass die Herkunft von Tätern öffentlich genannt werden soll und keine Rücksicht mehr auf den Opferschutz bei Sexualdelikten genommen werde, zeige, wohin die Reise geht.

Dass Kickl vom Schreiben seines Ressortsprechers angeblich nichts wusste, sei das übliche Spiel des Ministers. Kickl müsse sich verantworten.

Auch die Liste Pilz zeigte sich fassungslos über die Kommunikationsstrategie im Innenministerium. "Der Angriff von Kickl auf die Pressefreiheit hat eine neue Qualität in Sachen Orbanisierung des Innenministeriums", sagte Abgeordnete Alma Zadic in einer Aussendung. In einer parlamentarischen Anfrage spricht sie von "Zensur im Innenministerium". Sie richtet insgesamt 50 Fragen an den Innenminister. Listengründer Peter Pilz kündigte auch an, man werde einen Misstrauensantrag einbringen.

Auch der Grünen-EU-Abgeordnete Michel Reimon nannte die Vorgänge im Innenministerium demokratiegefährdend. Er sieht Kickl dafür verantwortlich und fordert vom Kanzler nicht nur Worte, sondern "personelle Konsequenzen".

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Kickl lässt sich doch nicht vertreten

Zunächst hatte es so ausgesehen, dass der Minister sich im Nationalrat am Mittwoch zu den heiklen Fragen nicht stellen werde. Ein Dokument des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramts ließ darauf schließen, dass Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP), die am Dienstag bereits auf Distanz zu dem E-Mail gegangen ist, den FPÖ-Minister vertreten würde. Der Neos-Abgeordnete Nikolaus Scherak hatte ein entsprechendes Dokument getwittert und Kickl Feigheit vorgeworfen.

Der Minister wird sich aber doch der Opposition stellen. Das Innenministerium stellte inzwischen klar, dass sich die Vertretung durch Edtstadler auf die Tagesordnungspunkte zum Rechnungshofausschuss bezogen habe.

Journalistengewerkschaft: Gefährliches "Abgleiten"

Die Journalistengewerkschaft übte jedenfalls heftige Kritik an Wünschen des FPÖ-geführten Innenministeriums, kritischen Medien nur mehr die gesetzlich vorgeschriebenen und damit allernötigsten Polizei-Infos zukommen zu lassen. Auch dass der Fokus der Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität gerichtet werden soll, ist für die Journalistengewerkschaft eine "gefährliche Grenzüberschreitung".

Politiker aller Parteien seien deshalb dazu aufgefordert, umgehend Stellung gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit zu beziehen. Dies müsse einen "Aufschrei der demokratischen Öffentlichkeit" zur Folge haben, erklärte GPA-djp-Chefin Barbara Teiber. "Der Innenminister sollte sich vergegenwärtigen, dass er und seine Dienststellen von Steuergeldern finanziert werden und es deshalb auch ihre Pflicht ist, die Öffentlichkeit umfassend und objektiv zu informieren. Alles andere ist ein Abgleiten in eine Informationspolitik, die wir aus Diktaturen und autoritären Regimen kennen", sagte Teiber.

"Wer die Demokratie einzuschränken versucht, hat in einer Demokratie als Politiker und erst recht als Mitglied der Bundesregierung keinen Platz", sagte Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp. Er sieht nun besonders Bundeskanzler Sebastian Kurz und Medienminister Gernot Blümel (beide ÖVP) gefordert, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zur Ordnung zu rufen.

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