Politik/Inland

Strolz: Papst und Neos "auf der selben Welle"

Der Tiroler Minister Andrä Rupprechter hat zuletzt viel über Religion gesprochen, ist Ihnen das Thema auch wichtig?

Matthias Strolz: Ich bin ein bekennender Katholik, bin aber kein regelmäßiger Kirchgänger. Ich schätze die Kirche als wichtige gesellschaftliche Säule, die man aber auch kritisieren können muss. Aber wenn man sich die Diakonie ansieht, oder die Caritas, da gibt es sehr viel Gutes.

Auch den neuen Papst?

Papst Franziskus finde ich sehr spannend. Ich war unlängst bei Kardinal Schönborn, wir haben uns unterhalten und festgestellt, dass sich unser Land in einer depressiven Abwärtsspirale befindet. Das beschäftigt mich sehr, das ist ja auch mein Job, Lösungen zu finden. Schönborn hat das Bild eines Wendepunkts der Hoffnung gebracht, das fand ich sehr schön. Wir haben uns gefragt, wie das der neue Papst gemacht hat, weil doch die Kirche auch in einer Abwärtsspirale war. Sie hat sich erholt, der Papst macht das mit sehr kleinen, aber unheimlich kraftvollen Gesten.

Welche Gesten können Sie sich in Österreich vorstellen?

Ich glaube, dass der Papst hier auf der selben Welle unterwegs ist wie wir Neos. Wir sind eine liberale Bürgerbewegung. Die Welle, die uns ins Parlament gebracht hat, ist ja keine rein österreichische Welle, sondern eine weltweite, wo wir mittendrin sind.

Was meinen Sie damit?

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Wir haben noch keinen Namen dafür, aber die Welle ist so groß, wie damals die Frauen- oder die Grün-Bewegung. Ich würde sie „Teilhabe“ nennen, Sharing. Die Menschen weigern sich, weiter machtlos zu sein. Es ist eine Armee der Davids, die hier marschiert. Es geht um Einbindung. Der Papst hat das verstanden, seine Gesten sind Gesten der Einbindung, dass er einer von uns ist. Aber schon klar, die Neos sind ein ganz kleiner Teil in dieser Welle. Arabischer Frühling, Facebook, Wikipedia – das sind große Gesichter.

Sie sind der Polit-Aufsteiger 2013. Woher kam der Erfolg?

Ich glaube, wir haben durch Authentizität und Ehrlichkeit gepunktet. Die Leute haben gemerkt, dass wir Bürger mit echten Anliegen sind, keine Horde von Narren, die nur sudern.

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Nun sind Sie die kleinste Oppositionspartei. Ist schon Frust da?

Nein. Es ist vielmehr ein wildes Abenteuer, ohne dass man in den Dschungel fahren muss. Hinter jedem Baum lauert etwas. Es blüht und wuchert, und du musst dir deinen Weg bahnen. Es gibt Fallstricke und Fallgruben. Und Würgeschlangen.

Also doch Frust?

Das Wort frustriert werden Sie von mir nicht hören. Nein, die Oppositionsarbeit ist ein hartes Brot, das wussten wir. Und natürlich wollen wir Regierungsverantwortung. Ich wünsche dem Land nicht, dass diese Regierung fünf Jahre lang hält. Weil die Aufgaben für die nächste Regierung werden dann unendlich groß, wenn Reformen verschoben werden. Etwa das enkelfitte Pensionssystem, die Bildungsreform. Das Nulldefizit bis 2016 wird sich nicht ausgehen, wenn es keine Strukturmaßnahmen gibt. Und es wird so auch keine Steuerreform möglich sein.

Dennoch werden Sie in den kommenden Jahren wenig von Ihren Ideen umsetzen können.

Gut, aber vor den Wahlen waren wir auch nur der siebente Zwerg von links. Und wir setzen Themen. Wenn wir Schulautonomie im Regierungsprogramm lesen, dann sehen wir, dass die Regierung das von uns übernommen hat. Oder die geplanten Einschnitte bei den Luxus-Pensionen. Wenn man auf einem Thema drauf bleibt, dann kann man auch als Kleinpartei Themen setzen.

Im Parlament haben Sie Ihre Visionen gezeigt – etwa mit den Flügeln, die gehoben werden sollen. Der Vizekanzler hat Sie dafür belächelt mit den Worten: Kommen wir aus der Neos-Republik zurück zur Realität. Kränkt so etwas?

Nein. Das war doch ein Kompliment, dass er begriffen hat, worum es mir geht. Die sind halt sehr unmutig und mit Fußfesseln von Bünden und Ländern unterwegs, die können sich nicht mehr bewegen. Spindelegger ist gefesselt, das tut beim Zuschauen schon weh, auch wenn ich weiß, dass er nicht auf mein Mitleid angewiesen ist.

Die EU-Wahl ist das nächste große Ziel für die Neos?

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Ja. Wir lieben Europa, wir leben Europa, wir sind Europa. Wir müssen aber diese EU neu erfinden. Deswegen machen wir eine Liebeserklärung an Europa. So etwas ist immer heftig. Wenn Sie einmal in einer Liebesbeziehung waren, was ich allen KURIER-Leserinnen und -Lesern wünsche, dann ist klar, dass eine Beziehung nicht immer eitel Wonne ist, da braucht es viel Beziehungsarbeit.

Haben Sie schon Kontakt zur liberalen Fraktion im Europa-Parlament, der ALDE?

Da sind wir schon ein aufsteigender Stern und werden herumgereicht. Die sind so begeistert, dass sie Ende März den EU-weiten Wahlkampfauftakt in Wien machen werden.

Und was wollen Sie in Europa?

Diese EU ist nichts, wo ich sage: Hurra die Gams. Die EU ist völlig unzureichend, ein Flickwerk, das so nicht Bestand haben kann, das seit fünf Jahren im Krisenmodus läuft. Es wird sicher einen Schock geben, durch die Zugewinne der Rechten. Vielleicht wird das ein heilsamer Schock. Wir wollen dann die EU-Institutionen neu aufstellen, mit einer Direktwahl des Kommissionschefs und einer Stärkung des Parlaments und noch viel mehr. Das würde uns wieder nach vorne katapultieren.

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