Politik/Inland

Strolz: "Bin ich halt ein Frauenversteher"

KURIER: Herr Strolz, ein Jahr Neos im Parlament. Das bedeutet auch viel Aktionismus von Ihnen: Bäume-Umarmung, dann posten Sie ein Foto im Udo-Jürgens-Bademantel auf Facebook, schicken ein Gedicht über die Kastanie an eine Boulevard-Zeitung. Wollen Sie mit Ihrem Aktionismus in die Fußstapfen von Stefan Petzner treten?

Matthias Strolz: Nein (lacht). Wir wollen mit Pink-Vibration Lebendigkeit ins Parlament bringen. In diesem Haus am Ring regieren allzu oft eine gewisse Lustlosigkeit und Zynismus. Die Politik ist ein sehr verletzendes Feld und mitunter eine humorbefreite Zone. Da muss man dagegenhalten. Ich glaube, Politik kann mit Humor nur besser werden.

Und ein Kastanien-Gedicht fällt für Sie unter die Kategorie Humor ... Nein, das ist Tiefgründigkeit. Ich fände es falsch, wenn man sich als Politiker genieren muss, weil man ein Gedicht verfasst.

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Welche Reaktionen gab es auf das Gedicht? Es gab viele positive Rückmeldungen. Allerdings mehr von Frauen als von Männern. Es gab aber auch Häme. Eher von Männern und Mitbewerbern. Ich sehe das so: Wer ein Problem mit einem Gedicht hat, dem kann ich nicht helfen. Ein Gedicht kann dich berühren oder nicht berühren. Aber ein Gedicht grundsätzlich für blöd zu halten, das halte ich für eine Art von emotionaler Blockade. Da versucht jemand in die Fremdabwertung zu gehen, um sich selbst aufzuwerten.

Welche Botschaft hat das Gedicht? Ich glaube, wer in seinem Leben gute Erdung haben will, kann in der Natur einen Verbündeten finden. Ich finde in der Natur sehr viel Gelassenheit, sehr viel Kraft und auch sehr viel Weisheit, wie das Leben funktioniert. Das habe ich versucht, in ein Gedicht zu fassen, weil es mich damals unter dem Kastanienbaum so berührt hat. Was raus muss, muss raus. Und ja, ich bin eine Person des öffentlichen Lebens, und warum soll ich nicht mit einem Gedicht an die Öffentlichkeit gehen? Dafür lasse ich sämtliche Society-Events aus. Nach meiner Rückkehr war es für mich stimmig, das Gedicht einer Journalistin zu schicken, mit der ich ein gutes Gespräch hatte. Da gab es einen Anker.

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Der Anker war die Millionenauflage der "Krone"?Nein, der Anker war, dass die Krone Gedichte tatsächlich abdruckt. Natürlich würde jeder gut weiterleben, wenn er nicht von meiner Fastenwoche und meinem Gedicht erfährt. Aber why not? Ich würde mir auch wünschen, dass das Parlament im Zuge des Umbaus einen Raum der Ruhe bekommt. In einem Haus, wo die Emotionen in Debatten oft hochgehen, wäre es doch schön, wenn das Parlament einen Raum hätte, wo man sich in die Ruhe und die Kontemplation zurückziehen kann. Das würde dem Haus guttun. Die Ruhe hat in unserer Gesellschaft wenig Platz. Aber wer die Ruhe findet, findet die Besinnung. Es schärft den Blick auf das Wesentliche. Und das kann dem Gesetzgeber doch nur helfen.

Klingt alles sehr esoterisch. Machen Sie jetzt auf Frauenversteher? Dann bin ich halt ein Frauenversteher. In meinem Unternehmen hatten wir von 17 Mitarbeitern 13 Frauen. Meine Familie sind allesamt Frauen, und meine Geschwister sind Frauen. Ich finde Frauen großartig. Die Politik kann von Frauen profitieren.

Warum? Sie haben einen besseren Draht zu sich selbst. Sie können besser in sich hineinspüren. Das halte ich deswegen für wichtig, weil ein Politiker, eine Politikerin im Idealfall immer von einem inneren Ort geleitet wird. Der innere Ort sollte in Klarheit sein, denn von dort schöpft man die Kraft für Visionen. Männer haben den Draht zu sich mitunter stärker verschüttet.

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Begeben Sie sich mit Ihrem Aktionismus nicht auf ein Minenfeld. Ist die Gefahr nicht sehr groß, nicht mehr als seriöser Sachpolitiker wahrgenommen zu werden? Wo ziehen Sie die Grenze?Die Gefahr sehe ich nicht. Wenn man meine Postings auf Facebook anschaut, dann ist vielleicht jedes zwanzigste Posting ein Aktionismus. Der Rest ist Sachpolitik. Der Punkt ist der, das interessiert die Medien nicht. Wir haben einen Programmprozess, der so breit ist wie bei keiner anderen Partei. Wir haben 130 Gruppen mit 1500 Menschen, die an inhaltlichen Positionspapieren arbeiten. Das ist einmalig. Wir sind von zwei Menschen innerhalb von zweieinhalb Jahren auf 11.500 Mitglieder gewachsen. Ja, ich gebe zu, es ist hin und wieder eine Gratwanderung. Aber da verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl.
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Keine Angst, irgendwann einmal als Polit-Kasperl abgestempelt zu werden?Absolut nicht. Das machen nur Menschen, die aus einem Mangel an Selbstbewusstsein eine Fremdabwertungssucht suchen. Diese Personen tun mir eher leid, wenn sie mich mit Häme bedecken. Ich muss es für mich für stimmig halten. Das ist der Maßstab, dem ich folge. Aber der Aktionismus entsteht natürlich auch aus er Frage: Wie kommt man als Fünf-Prozent-Partei in der Öffentlichkeit vor, wenn die Inhalte die Aufmerksamkeit der Medien nicht finden. Vielleicht sollten unsere Inhalte revolutionärer sein. Aber wir wollen ja nicht die Republik niederreißen, wir wollen beispielsweise auch nicht völlig undifferenziert auf die Ausländer hauen. Wir Neos verbieten uns vieles an populistischen Zuspitzungen, wie wir es zuletzt bei den Grünen gesehen haben. Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sie ist differenziert. Die Dinge sind komplex. Ich behaupte, wir sind die intellektuell redlichste Partei von den sechs im Parlament. Aber damit existiert auch die Abrisskante in die mediale Fadesse. Deswegen finde ich meinen Weg als eine gute Mischung.
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Gestern feierten die Neos ihren zweiten Geburtstag. Politologe Peter Filzmaier meint, Neos-Wähler wünschen sich schnell eine Regierungsbeteiligung. Das Langzeit-Ziel in der nächsten Bundesregierung zu sitzen, dauert dem Neos-Fan zu lange. Wo sehen Sie die Chancen, bald in Regierungsverantwortung zu kommen?

Die Ungeduld wohnt durchaus in mir. Aber hier muss man geduldig sein, sowohl als Neos-Politiker als auch als Anhänger. Wenn man etwas bewegen will, muss man sich eine Marathonkondition zulegen und keine Sprinterqualitäten. Im nächsten Jahr haben wir 12 Wahlen, wo wir antreten. Das wird das Antlitz der Neos vollkommen verändern. Wir werden dann eine ganz breite Bürgerbewegung sein. Wir haben die Chancen, in alle vier Landtage, die gewählt werden, zu kommen.

Wie viel Prozent wollen Sie schaffen?

In Wien sollten sieben plus Prozent gehen. Aber wir haben auch gesehen, dass es nicht so leicht ist, diese absoluten Machtsysteme in Vorarlberg oder auch das System Häupl zu knacken. Wenn die auf den Knopf drücken, dann bläst ein Wind, da hilft dir kein Anorak und kein Helm. Da wirst dann an die Wand geknallt, und danach bis du frisiert. Da sind die millionenschweren Werbeetats, die breit aufgestellten Vorfeldorganisationen, teils mit Mustern struktureller Korruption ausgestattet. Das greift bis in die letzte Ritze. Wien ist großartig, aber eine Partei glaubt, die Stadt ist ihr Eigentum. Wir wollen nicht "Wir sind Kaiser" spielen in Wien, sondern "Wir sind Bürger". Aber ich habe ein gutes Gefühl, denn im Moment werden wir unterschätzt. Diese Situation passt mir gut, wir rollen das Feld von hinten auf.

Gelernt aus der Talfahrt nach dem Hype? Ja. Wir mussten aufpassen, nicht übermütig zu werden. Durch den Übermut waren wir oft in unseren Botschaften zu wenig sorgfältig. Ein Beispiel: Der Auszug aus dem Parlament kam falsch an. Unsere Botschaft war: Wir lassen uns von der Regierung nicht täuschen. Es wurden uns falsche Zahlen beim Budget untergejubelt. Eine Milliarde Fehlbetrag. Das ist eine Verhöhnung des Parlaments. Das darf man sich nicht gefallen lassen. Aber wir haben es nicht gut genug geschafft, unsere Botschaft klarzumachen.

Im nächsten Jahr startet der Hypo-U-Ausschuss. Werden die Neos versuchen, den Grünen den Status der Aufdecker-Partei strittig machen?

Wir wollen volle Aufklärung. Da sind wir mit Rainer Hable sehr gut aufgestellt. Wir haben schon vieles aufgedeckt. Den Weg werden wir entschlossen weitergehen. Das können wir auch gemeinsam mit den Grünen machen.

Wird Werner Faymann vor dem U-Ausschuss erscheinen müssen? Er muss natürlich kommen. Ich will wissen, wie SPÖ und ÖVP es rechtfertigen, dass sie uns vor den Nationalratswahlen kalt angelogen haben. Ich werde Faymann nochmals den Brief des Aufsichtsratschefs der Hypo an die Finanzministerin aus dem Frühjahr 2013 vorlegen. In dem Brief steht, wenn die Regierung die Abbaulösung weiter verzögert, werden Milliarden an Steuergeld riskiert. Und genau das haben sie gemacht. Das werden mir Faymann und Mitterlehner erklären müssen. Das ist ja unglaublich.

Stichwort: Wasserprivatisierung, Bio-Fracking, Studiengebühren. Ist es der richtige Weg, derart unpopuläre Themen aufzugreifen? Wir sind gegen Fracking, aber wollen, dass in Leoben an der Montan-Uni Bio-Fracking weitergeforscht werden darf. Beim Wasser ging es uns um eine gute und faire Wasserversorgung, nicht um die Privatisierung. Bei den Studiengebühren wollen wir das australische Modell, wo die Gebühren vom Staat vorgestreckt werden. Damit gibt es keine soziale Barriere. An den Unis muss etwas geändert werden, das steht außer Streit. Wenn es nach mir geht, können wir all diese Themen abservieren. Das sind nicht die Kernthemen der Neos. Aber ich will die Menschen weder einlullen noch anlügen. Wenn man mich dabei erwischen sollte, sollte ich mich aus der Politik zurückziehen.

Apropos Lügen: Glauben Sie, dass die Lohnsteuerreform noch kommen wird? Das ist eine Überlebensfrage für die Koalition, weil sie sonst 2016 weg sind. Aber es wird eine lauwarme Lösung sein. Zu mehr fehlt der Koalition die Entschlossenheit, auch bei anderen Themen, wie etwa bei der Reform des Finanzausgleichs. Dafür müsste ihnen jetzt schon die Energie einschießen. Können Sie erkennen, dass Faymann die Energie einschießt? Wenn ja, kann er es recht gut verbergen.

Wie schaut die mutige Steuerreform der Neos aus? Sie beginnt mit 1. 1. 2015 mit einer ersten Stufe, die drei Milliarden Euro kostet. Das ist die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent. Damit hat jeder arbeitende Mensch, der mehr als 11.000 Euro im Jahr verdient, sofort mehr Geld auf der Hand. Woher nehmen wir das Geld? Die Landeshauptleute und die Bundesregierung machen sich gemeinsam eine Vorgabe aus, wie viel jeder einsparen muss. Jeder Landeshauptmann muss selber wissen, wo er den Rotstift ansetzt. Ein Teil soll aus der Parteienförderung kommen. Denn die ist obszön hoch. Europaspitze. Weitere zwei bis 2,5 Milliarden können wir aus Förderungen rausschneiden. Wir haben insgesamt 16 Milliarden Förderungen. Das ist doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt.Ganz wichtig ist eine Föderalismusreform. Denn der aktuelle Föderalismus ist derzeit ein System organisierter Verantwortungslosigkeit. Da passieren so viele Blödsinnigkeiten, dass es haarsträubend ist.

Du bist so prall und so glänzend,so samten und geschmeidig,das füllige Leben und

der Abschied.Geborgen in Stacheln kamst du zur Reife.Du hast dich geöffnet, um Lebendigkeit zu geben.Du bist gefallen, um dem Wachsen die Hand zu reichen.Ich trage Dich bei mir,Du bist mein Schatz.Wir Kinder der Erde, wir lieben Dich.