Politik/Inland

Lopatkas Wahlprogramm ohne E-Auto, aber mit Verbrenner-Fokus

Heute, Montag, wird ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka in der Politische Akademie der Volkspartei das Wahlprogramm für die EU-Wahl am 9. Juni präsentieren. Dem KURIER liegt das Dokument bereits vor.

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Auf 58 Seiten geht es um die Kapitel Sicherheit, Wirtschaftskraft, ländlicher Raum und Land- und Forstwirtschaft, Forschung und Innovation, Klimaschutz, europäische Werte und „spürbare Bürgernähe“.

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Distanz vom Klimaschutz

Spannend ist besonders das Kapitel zum Klimaschutz. Wurde im EU-Wahlprogramm 2019 noch der Klima- und Umweltschutz als “eine der größten Herausforderungen der Zukunft” bezeichnet, gibt es diesmal eine gewisse Distanzierung vom Klimaschutz, der meistens als „Klimaschutz mit Hausverstand“ bezeichnet wird. Jetzt heißt es: „Klimaschutz ist eine globale Herausforderung, die sich auch nur gemeinsam bewältigen lässt.“ Und weiter: „Klimaschutz braucht auch auf europäischer Ebene mehr Hausverstand. Strategien und Maßnahmen müssen umweltfreundlich, wirtschaftlich sinnvoll und den Bürgerinnen und Bürgern zumutbar sein. Europa soll beim Klimaschutz nicht auf Verbote und Einschränkungen, sondern auf Innovationskraft und machbare Lösungen setzen.“

Aber Fokus auf den Verbrenner

Im Wirtschaftsteil des Wahlprogramms dann alles zum Verbrenner: „Neuverhandlung sämtlicher Regulierungen, die zu stark in die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit eingreifen. Dazu zählen beispielsweise das Lieferkettengesetz oder auch Bereiche des European Green Deal, wie das Aus der Verbrenner bei Neuzulassungen ab 2035.

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Das Wort „Verbrenner“ kommt im Text vier Mal vor, das Wort Elektromobilität kein Mal, das Wort „E-Auto“ nur einmal, in diesem Zusammenhang: „Importzölle für Produkte, die aufgrund staatlicher Subventionen zu Verzerrung des Wettbewerbs führen, wie beispielsweise bei staatlich subventionierten chinesischen E-Autos“.

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Als Motiv für die Kehrtwende der ÖVP beim Verbrenner dürften zahlreiche Umfragen von EU-Bürgern herhalten, die diese Klimaschutzmaßnahme als unbeliebteste europäische Regelung sehen. 

Das Wort „Hausverstand“ kommt gleich fünfmal vor, das Wort „Wissenschaft“ nur im allgemeinen Bezug auf Forschung und nicht im Verbindung mit dem Klimaschutz.

Zudem gibt es die Forderung. "Gegen das Aus des Verbrennungsmotors sowie aktiver Einsatz dafür, dass Europas Autoindustrie zum Weltmarktführer bei Verbrennungsmotoren wird".

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Unter dem Punkt „Europa. Aber besser“ findet sich der Verbrenner erneut: „Ausbau der Straßen für die Autos der Zukunft sowie Förderungen für den "grünen Verbrenner“. Dabei ist klar, dass es auch künftig Technologieoffenheit auf allen Ebenen braucht statt Rückschritt durch Verbote.“

Mit dem „grünen Verbrenner“ sind offenbar normale Diesel- oder Benzin-Pkw gemeint, die nicht mit fossilen, sondern mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels betrieben werden. E-Fuels sind normal tankbare Flüssigkeiten auf Basis von klimaneutral hergestelltem Wasserstoff und aus der Luft gefiltertem Kohlenstoff, der in aufwändigen und energieintensiven Prozessen zu tankbaren Flüssigkeiten gemacht wird.

Kleiner Haken an der Geschichte: Es gibt keine E-Fuels. Es soll sie irgendwann vielleicht geben, verspricht die finanzstarke „E-Fuel-Alliance Österreich“, die fast ausschließlich aus Unternehmer aus dem fossilen Business besteht. Über mögliche E-Fuel-Spritpreise gibt es bisher nur teure Schätzungen.

Rücknahme des Verbrennerverbots auf EU-Ebene

Unmissverständlich fordert die ÖVP im Wahlprogramm „Rücknahme des Verbrenner-Aus für Neuzulassungen ab 2035“. Dazu sollte man wissen, dass die Entscheidung der EU-Staaten nicht einfach, aber am Ende doch klar war: Am 28. März stimmten die EU-Umweltminister der Regelung zu, eine Gegenstimme gab es aus Polen. Bulgarien, Italien und Rumänien enthielten sich. Zuvor hatte das EU-Parlament im Februar das faktische Ende des Verbrennungsmotors ab 2035 mit 340 Ja- gegen 279 Neinstimmen besiegelt.

In einer Demokratie können Gesetze wieder zurückgenommen werden, das gilt auch für das Verbrenner-Aus. Dafür muss sich aber eine qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat finden, also 55 % der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 % der EU-Bevölkerung vertreten.

Es gibt gar kein Verbrenner-Verbot?

Zuletzt noch zu Klärung: Die EU hat kein Verbrenner-Verbot beschlossen, sondern für Pkw-Neuzulassungen verlangt, dass diese ohne den Ausstoß von Treibhausgasen betrieben werden dürfen. Deutschlands FDP-Verkehrsminister Volker Wissing legte sich ja kurz vor der finalen Abstimmung quer und forderte die Möglichkeit, neue Verbrenner mit E-Fuels betreiben zu dürfen. Das hat die EU-Kommission auch gemacht, allerdings müsste es eine neue Fahrzeugklasse geben mit Pkw, die erkennen, ob wirklich nur E-Fuels getankt wurden. Die EU-Kommission verlangt zudem, dass E-Fuels auch klimaneutral angeliefert werden müssen. Ob das jemals passieren wird, bleibt offen.

Wesentlich ist auch, dass das Zulassungsverbot für fossile Verbrenner ab 2035 keinen Einfluss auf die bestehenden, zugelassenen Fahrzeuge haben wird. Diese wird jeder Europäer auch nach 2035 verwenden können und weiter fossilen Treibstoff tanken.

Allerdings muss klar sein, dass die EU auch ab 2027 ein eigenes Handelssystem für alle fossilen Treib- und Brennstoffe haben wird. Ziel ist, den fossilen Sprit langsam, aber stetig, teurer zu machen. Die CO₂-Bepreisung in Österreich wurde auch deshalb eingeführt, sodass 2027 keine allzu großen Preissprünge beim Sprit zu erwarten sind.