Politik/Inland

Leitl verärgert: "Ein kompletter Topfen"

Damit ist klar, dass er einen möglichen Ministerposten nicht übernehmen wird: Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat auf den Fortgang der Koalitionsverhandlungen mehr als verärgert reagiert - bei einer Rede anlässlich seines Medienempfangs kritisierte er einerseits, dass das unter anderem vom ihm ausgehandelte Wachstumspaket nicht umgesetzt werde. Andererseits geißelte er die geplante Überstundenabgabe als "kompletten Topfen". Diese soll allerdings schon wieder vom Tisch sein, wie am Dienstag vernommen wurde.

Keine "Kraft für Papierl"

Besonders stört den Kammerpräsidenten, dass die in seiner Arbeitsgruppe gefundenen Vorschläge aus budgetären Gründen nicht kommen sollen: "Wir haben ein klasse Papierl, aber nicht die Kraft es umzusetzen", stattdessen "kratzen wir wie so oft zusammen, was sich anbietet".

Unter anderem hatte die Leitl-Truppe eine Stiftung für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung vorgeschlagen, die aber nun nicht realisiert wird. Weitergekommen sei man immerhin in Sachen Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung und bei der Arbeitszeitflexibilisierung passiere "ein bisschen was".

"Die Erwartungshaltung ist nicht groß"


Leitl warnte die Regierung: "Was diese Regierung im ersten Jahr nicht umsetzt, kann sie vom Image nicht aufholen." Dabei habe die Koalition eine "sehr gute Chance, weil die Erwartungshaltung ist nicht groß - um es vornehm auszudrücken". Wenn SPÖ und ÖVP diese Gelegenheit nicht nutzen, würden sie die Entwicklung der großen Parteien in einem südlichen Nachbarland nehmen, so der Präsident in Anspielung auf die Erosion der ehemals großen Volksparteien Italiens.

Überlegungen, selbst in die Regierung zu gehen, hat Leitl ad acta gelegt. Er habe sich zwar gefragt, ob eine neue Herausforderung nicht sinnvoll wäre. Letztlich habe er aber seiner inneren Stimme vertraut: "Kritisch äußern kannst Du Dich nur von außen".

Koalition: Wer was verhandelt

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Die Regierung steht zwar noch nicht, aber vieles liegt dennoch praktisch fertig auf dem Verhandlungstisch.

Ein Auszug aus den rot-schwarzen Plänen für die kommenden fünf Jahre:

Steuern

Jene auf Tabak soll (schrittweise) steigen. Die Rede ist von 15 bis 20 Cent pro Zigarettenpackerl. Schaumweine (Sekt) sollen um einen Euro pro Liter, damit um 75 Cent pro Flasche teurer werden. Die heimischen Sekthersteller schäumen schon. Die geplante Steuer würde zu Wettbewerbsnachteilen führen – ausländischer Schaumwein (z. B. Prosecco) wäre nicht davon betroffen. Außerdem würde die Verwaltung der Steuer mehr kosten, als sie einbringen würde, argumentieren die Sekterzeuger.

Die Regierung möchte auch die Alkoholsteuer (für hochprozentige Getränke) anheben – gedacht ist an ein Plus um 20 Prozent.

Die Normverbrauchsabgabe (Nova), zu zahlen beim Kauf eines Autos, dürfte ebenfalls erhöht werden. Ein Aufschrei der Autofahrerclubs ist programmiert. Konkret geht es dabei um den CO2-Malus für Autos mit erhöhtem Schadstoff-Ausstoß.

Unternehmen

Künftig soll nicht mehr die gesamte Gage von Spitzenmanagern für Unternehmen von der Steuer absetzbar sein. Der Betrag dürfte gedeckelt werden – mit 500.000 Euro brutto Jahresgehalt. Zudem ist eine neue Abgabe für Firmen geplant: ab der elften Überstunde eines Mitarbeiter soll ein Euro pro Stunde fällig werden. Im Gegenzug würden die Lohnnebenkosten sinken: der Sozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber an die AUVA könnte um 0,1 Prozent sinken, um ebenso viel deren Anteil am Insolvenzentgeltfonds. Für Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner ist der „Überstunden-Strafeuro“ dennoch ein „absolutes No-Go. Wir werden in den finalen Verhandlungen alles daran setzen, dass diese Maßnahme nicht kommt“.

Diese leisten heuer erstmals einen „Solidarbeitrag“. Zu zahlen ist er ab einem Jahresgehalt von 185.920 Euro (brutto). Bringen soll er 110 Millionen Euro. Befristet war der „Solidarbeitrag“ mit dem Jahr 2016. Nun soll er „adaptiert verlängert“ werden.

Die Gruppenbesteuerung ist eine Art Steuerprivileg für grenzüberschreitend tätige Unternehmen (Verluste im Ausland können im Inland von der Steuer abgesetzt werden). Die Möglichkeiten der Gegenverrechnung sollen eingeschränkt werden.

Der sogenannte „Ergänzungsbeitrag“ in der Krankenversicherung für Pensionisten war befristet, er dürfte nun weiterhin zu zahlen sein. Er beträgt 0,1 Prozent und war für Freizeitunfälle gedacht.

Kommen wird – wie berichtet – ein Anreizsystem um ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben zu halten. Ziel der Koalitionäre ist dabei, dass 2018 das durchschnittliche faktische Pensionsantrittsalter bei 60 Jahren liegt (heute knapp über 59). Im Zuge dieser Maßnahme dürfte die heutige Kündigungsabgabe für Arbeitgeber von 113 Euro pro Mitarbeiter entfallen.

Die SPÖ will die Frage der Privatisierungen nicht ideologisch, sondern pragmatisch angehen. Das hat Kanzler Faymann als Losung ausgegeben. Ein Freibrief der Roten für Verkäufe ist das freilich nicht. Zuerst soll die Staatsholding ÖIAG als „Standortholding“ neu aufgestellt werden. Darauf haben sich die Koalitionsverhandler verständigt, auch wenn der Interpretationsspielraum groß ist, wie ein Insider eingesteht.

Die ÖVP will im Prinzip alle 37 „marktnahen“ Unternehmen der Republik, also auch Verbund, ÖBB oder ORF, unter das Dach der Standortholding bringen, die SPÖ steht hier auf der Bremse. Über wen genau die neue ÖIAG künftig wachen wird, dürfte also erst in den nächsten Monaten ausdiskutiert werden. Daher wird es auch einige Zeit bis zu tatsächlichen Privatisierungen dauern. Die Post könnte eine Ausnahme darstellen.

Denn: Die Post ist bereits unter dem Dach der ÖIAG, der Staat hält mit 52,8 Prozent die Mehrheit. Ein Verkauf von 25 Prozent brächte rund 600 Millionen Euro fürs Budget – freilich nur einmalig. Die Gewerkschafter laufen bereits Sturm gegen mögliche Verkaufspläne.

Syndikatsvertrag

Weniger sinnvoll ist ein Verkauf von Anteilen der Telekom, denn der Staat hält hier nur mehr 28,4 Prozent. Ganz ausgeschlossen wird derzeit ein Verkauf der OMV. Hauptgrund: Die Staatsanteile von 31,5 Prozent sind vertraglich eng an die Anteile des Großaktionärs aus Abu Dhabi gebunden. Das ist für Österreich von Vorteil und hat stets die Gefahr einer feindlichen Übernahme gebannt.

Bevor all das weiter vertieft wird, dürften SPÖ und ÖVP das ÖIAG-Gesetz novellieren, um den „sich selbst erneuernden Aufsichtsrat“ abzuschaffen. Soll heißen: SPÖ und ÖVP wollen wieder direkt Einfluss nehmen und ihre Vertrauensleute in den Aufsichtsrat setzen. Dazu passen die Spekulationen, dass neben dem derzeitigen Alleinvorstand Rudolf Kemler, der als ÖVP-nahe gilt, ein zweiter, dann roter Vorstand installiert wird. Zwei Kandidaten werden genannt: ORF-Chef Alexander Wrabetz oder Ex-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter.

Ist alles auf rot-schwarzer Schiene, geht auch das „aktive Beteiligungsmanagement leichter von der Hand. Zwei Ideen: Mit den ÖIAG-Dividenden die Forschung fördern (ÖVP) und bedrohte Betriebe und Arbeitsplätze auffangen (SPÖ).