Politik/Inland

Kurz-ÖVP: „An allen Schaltstellen Vertrauensleute“

Keine Zahl birgt mehr Magie als die Sieben: Rom wurde auf sieben Hügeln gebaut, Gott soll am siebten Tag gerastet haben. Und auch Weltwunder gab es sieben.

So gesehen ist es kein Zufall, dass die ÖVP zum einjährigen Amtsjubiläum des Parteichefs (Kurz wurde am 10. Mai 2017 designierter Obmann und am 1. Juli gewählt) sieben „Fakten“ verteilen ließ, die zeigen sollen, was Sebastian Kurz mit der ÖVP geschafft hat.

Die Kurzfassung: Der 31-Jährige hat die Partei nach oben katapultiert, verfügt über „sensationelle Werte“ bei der Kanzler-Frage, und der „neue Stil“ wird von den Wählern goutiert.

Dass eine Parteizentrale derlei über den Obmann sagt, liegt in der Natur der Sache.

Die zentrale Frage ist: Stimmt es? Ist die ÖVP unter Sebastian Kurz eine andere?

Die Antwort lautet: Ja. Der 31-jährige Regierungschef hat seiner Partei den Stempel aufgedrückt. Und er hat, wie CDU-Mann Wolfgang Schäuble jüngst in der Süddeutschen Zeitung erklärte, „Elemente von Macron'schem Schwung in die österreichische Politik eingeführt“. Was sind die Gründe?

1. Marode Bünde

Die Bünde (Wirtschaft, Bauern, ÖAAB, Senioren) haben unter dem türkisen Regime an Einfluss verloren. „Die Politik wird nicht in den Bünden oder der Partei, sondern zentral im Kanzleramt gemacht“, sagt Heidi Glück. Glück war Sprecherin von Kanzler Wolfgang Schüssel, sie zählt zu den intimen Kennern der Bewegung. Folgt man ihrem Urteil, gibt es nur eine Teilorganisation, die ihren Einfluss ausbauen konnte: die von Kurz geführte Junge ÖVP. „Sie hat an allen Schaltstellen Vertrauensleute installiert.“

Die restlichen Teilorganisationen hätten „den Zug verpasst“. Und: „Die Bünde sind personell und inhaltlich ausgedünnt, sie kommen mit dem Tempo des Kanzleramts nicht mit.“

Exemplarisch zeigt das der Wirtschaftsbund: Er war durch eine überlange Amtsübergaben gelähmt. Der Anfang November präsentierte neue Präsident Harald Mahrer muss bis kommenden Freitag, also ein gutes halbes Jahr warten, ehe er übernehmen darf.

Abgesehen von dieser Zeit der Lähmung hat der Wirtschaftsbund das „Problem“, dass die Kurz-Regierung wesentliche Inhalte vorwegnimmt. „Viele Forderungen der Wirtschaft – von Steuersenkung bis Entbürokratisierung – stehen ganz oben auf unserer Agenda. Es braucht keinen externen Druck mehr“, sagt ein Kurz-Stratege.

2. Befriedete Länder

Kurz pflegt eine andere Beziehung zu den von der ÖVP geführten Ländern (NÖ, OÖ, Tirol, Steiermark, Salzburg, Vorarlberg). „Er spricht mehr mit den Landeshauptleuten, als seine Vorgänger das getan haben“, sagt der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer (siehe Interview). Dass sie eingebunden werden, ist für die ÖVP-Länder ein angenehmer Teil-Aspekt. Entscheidend ist, dass sie – derzeit – überzeugt sind, dass der junge Obmann ihnen nützt. Oder, wie es Heidi Glück zusammenfasst: „So lange die Länder glauben, dass Kurz einen Plan verfolgt und ihnen mit einer konstruktiven Stimmung in der Regierung hilft, Wahlen zu gewinnen, werden sie sich loyal verhalten.“ Ändert sich das, kann auch die Zuneigung der Länder schnell brüchig werden.

3. Loyale Minister

Im Unterschied zu bisherigen ÖVP-Regierungsmannschaften ist das gegenwärtige ÖVP-Team de facto auf Sebastian Kurz vereidigt.

Warum? Kein einziges ÖVP-Regierungsmitglied weiß eine größere Lobbying-Gruppe in oder außerhalb der Partei hinter sich. Der einzige Routinier ist – abgesehen von Kurz – Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Und selbst der ist einer der engsten Vertrauten des Chefs. In einem derartigen Umfeld funktioniert die „Message-Control“, also die Frage, wer was wann und wo sagt, besonders gut.

„Es gibt nur eine Gefahr“, warnt ein früherer ÖVP-Minister. „Übertreibt man die Message-Control, wird daraus eine Mind-Control, also eine Gedanken-Kontrolle. Und die führt irgendwann zu widerspruchs- und damit inhaltsloser Politik.“