Politik/Inland

Kurz bei Merkel: "Haben nur wenig Trennendes gefunden"

Bei Angela Merkel lohnt es sich, ihr bei Treffen mit Staatsgästen genau ins Gesicht zu sehen.

Beim letzten Mal, einem kurzen Tête-à-Tête mit Sebastian Kurz in Brüssel vor etwa einem Jahr, hatte man den Eindruck: Hier weht ein ziemlich eisiger Wind.

Heute, bei Kurz’ Besuch im Kanzleramt in Berlin, ist das anders: Da lächelt Merkel, was das Zeug hielt; und Kurz gibt sich ohnehin schmeichelweich: Er, der jüngste Regierungschef der EU, scherzt mit der längstdienenden Kanzlerin des Kontinents – und hilft ihr auch brav in den Mantel.

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Sogar das Wetter macht mit

Bei der Pressekonferenz nach dem Gespräch der beiden – das übrigens deutlich länger dauerte als geplant -, setzt sich das dann fort. Da spricht Merkel davon, dass sie „wenig Trennendes gefunden“ habe, witzelt sogar, dass Kurz‘ Besuch ein bisschen Einfluss aufs Wetter habe: „Eine Stunde schneefreie Zeit“ habe es für den Empfang gegeben; eine Seltenheit im derzeit grauen Berlin.

Was hier passiert ist? Eine Verschiebung der Interessen. Die Migrationskrise, der Grund für die seit 2015 andauernde Missstimmung zwischen beiden, ist quasi nicht mehr spürbar. Wenn Kurz also, wie heute in Berlin, die restriktivere Flüchtlingspolitik Deutschlands „einen Schritt in die richtige Richtung“ nennt und via Bildzeitung für eine Abschaffung des EU-Flüchtlingsverteilungsschlüssels wirbt, kratzt Merkel das nur wenig – obwohl sie freilich anderer Meinung ist: „Dass es Länder gibt, die sich nicht an einer europäischen Solidarität beteiligen, das halte ich für falsch. Aber die Lösung liegt in der Frage Außengrenzschutz und Nachbarschaftspolitik“, sagt sie; und da sei Kurz mit ihr auf einer Linie.

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"Über FPÖ gesprochen"

Selbst, als Kurz sagt, dass seine früher oft kritisierten Aussagen heute mehrheitsfähig seien, zuckt sie nicht mit der Wimper. Ähnlich ist es bei der FPÖ: Dass Kurz die Blauen in die Regierung geholt hat, hat man zwar mit Bauchschmerzen beobachtet – dass sein erster Weg nach der Angelobung aber nach Brüssel und Paris geführt hat, war für die Deutschen ein positives Signal: „Natürlich haben wir auch über den Koalitionspartner gesprochen“, sagt sie, und ja, sie beobachten die Regierung „etwas stärker, als man es sonst getan hätte.“ Dann kommt jedoch das Aber: „Ich will deutlich machen, wir werden die neue österreichische Regierung an ihren Taten messen. Das ist, was zählt. Und die Dinge, die ich über Europapolitik gehört habe, stimmen mich zuversichtlich.“

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Die EU ist es, die die beiden auf einer Linie hält – da hat man nämlich gemeinsame Interessen: Weil durch den Brexit eine Lücke von acht Milliarden im EU-Budget klafft, brauchen Kurz und Merkel einander gegenseitig - beide wollen künftig nicht mehr nach Brüssel einzahlen. Kurz sagte demnach auch, dass er über das Gespräch mit Merkel froh war, weil sie ja „schon zweimal solche Budgetverhandlungen erlebt hat. Der Austausch war ein interessanter.“ Auch in puncto EU-Finanzminister ist er mit ihr auf einer Linie: Beide sind in dieser Frage nicht ganz so forsch wie Frankreichs Präsident Macron – man will zuwarten.

Keine Altersfrage

Für Kurz ist es da freilich gut, Merkel an seiner Seite zu haben: Er hat ab Juni den EU-Ratsvorsitz inne. Und auch wenn sie ob der Koalitionsverhandlungen angezählt wirkt – auf dem Brüsseler Parkett ist sie noch immer das größte Schwergewicht. Auch wenn sie sich hie und da leichtfüßig gibt: Auf Kurz Alter angesprochen – er ist nicht mal halb so alt wie sie – sagt sie lächelnd: „Mir sind die Jüngeren genauso lieb wie die Älteren“

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