Van der Bellen: "Strache auf Dauer nicht zu verhindern"
Von Maria Kern
"Wer wird Präsident?", wollte KURIER-Chef Helmut Brandstätter Dienstagabend von Alexander Van der Bellen wissen? "Ich hoffe Hillary Clinton", antwortete der Hofburg-Kandidat.
Die Amerikaner haben ja am Dienstag gewählt. Österreich muss erst einen neuen Präsidenten küren. Am 4. Dezember ist es so weit. Da wird die Stichwahl wiederholt. Der Wahlkampf kommt nun wieder in Schwung. Gestern versuchte Van der Bellen 200 KURIER-Leserinnen und -Leser bei einer Diskussion im Raiffeisen-Forum in Wien für sich zu gewinnen. Fragen gab es genug.
Video: Die Highlights des Gesprächs
Der Bogen wurde von Amerika über Kanada und Brüssel (CETA) nach Österreich gespannt: "Welche Auswirkungen gibt es, wenn Trump gewinnt?", will ein Leser wissen. Die Börsenkurse würden weltweit fallen, "weil nicht vorhersehbar ist, in welche Richtung Amerika nun geht", doziert der Ökonom. Würde er Trump gratulieren, falls er gewinnt? "Ausnahmsweise ist es gut, dass ich noch Kandidat bin", sagt der Hofburg-Anwärter lachend, gesteht aber ein: "Wenn ich schon Präsident wäre, würde ich ihm gratulieren.""Es gibt Spielraum"Unerfreulich wäre für Van der Bellen naturgemäß auch, wenn in Österreich die FPÖ eine Mehrheit bekäme – durch eine Koalition mit einer anderen Partei. Brandstätter konstatiert: "Sie können Strache auf Dauer nicht verhindern." Van der Bellen: "Man kann es auf Dauer nicht verhindern" – wenn es das Volk und das Parlament so wolle. "Es gibt aber immer noch Spielraum zwischen der Wahl und der endgültigen Regierungsbildung."
"Was darf der Bundespräsident eigentlich", fragen Leser – und verweisen auf den Sager von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer ("Sie werden sich noch wundern, was alles geht"). Beim Heer, erläutert VdB, sei der Bundespräsident zwar formal Oberbefehlshaber, "im Wesentlichen ist das aber ein Ehrentitel. Ich könnte den Verteidigungsminister nicht overrulen." Der Präsident könne aber etwa die Regierung entlassen und so Neuwahlen erzwingen.
Solche Gedanken hatte ja Hofer mehrfach geäußert. Apropos: "Was passiert, wenn Hofer Bundespräsident wird?", fragen Zuhörer.
Das würde sich negativ auf das Ansehen des Landes und die Wirtschaft auswirken, prophezeit Van der Bellen. "Es werden nicht alle Tourismusgemeinden betroffen sein. Die Russen werden sich nicht abschrecken lassen, aber das Image wird sich verändern. Machen wir uns keine Illusionen."
Was würde er gegen die Anti-Ausländer-Stimmung im Land tun? Da sei nicht nur der Bundespräsident gefordert, "wir alle sind mit ein bisschen Zivilcourage gefordert". Van der Bellen stellt aber auch klar, dass er "das Kopftuch für keinen Affront gegenüber autochthonen Österreichern" hält.
Migrationshintergrund hat der gebürtige Wiener als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters auch selbst. Der Start sei für seine Familie in Österreich aber vergleichsweise einfach gewesen, weil der Vater beruflich rasch Fuß fassen konnte und die Eltern Deutsch sprachen.
Aus SPÖ geworfen
Und wie landete er letztlich bei den Grünen? Ursprünglich sei er SPÖ-Mitglied gewesen, erzählt Van der Bellen – "ungefähr zehn Jahre, von der Kreisky-Zeit bis zu Vranitzky. Aber irgendwann wurde ich aus der Kartei gestrichen. Ich weiß nicht warum." Als dann ein SPÖ-Politiker befunden habe, dass "das Boot voll" sei, habe er aber ohnedies nicht mehr dabei sein wollen.
Warum lässt sich der Ex-Grünen-Chef, der nun als unabhängiger Kandidat auftritt, den Wahlkampf von seiner einstigen Partei finanzieren? "Ohne Unterstützung der Grünen wäre ich nie in die Stichwahl gekommen."
Hätte er vor 30 Jahren gedacht, dass er einmal Präsident werden möchte?
"Nein", sagt Van der Bellen: "Gusenbauer wollte schon in der Sandkiste Kanzler werden. Das kann ich für mich nicht behaupten."
Hinweis: Am Mittwoch gibt es ein ausführliches Video zur KURIER-Diskussion mit Alexander Van der Bellen.