Politik/Inland

Kritik an Doppelrolle von Straches Anwalt

Es war vermeintlich nur ein Detail am Rande des Prozesses von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Politikberater Rudi Fußi. Juristen irritiert jedoch nachhaltig, dass niemand Geringerer als Verfassungsrichter Michael Rami als Anwalt des klagenden FPÖ-Chefs am Wiener Handelsgericht auftrat.

Im Verfahren vergangene Woche ging es eigentlich darum, ob Strache im Jahr 2015 in der Steiermark ein „gemütliches Zusammensein“ mit rechtsextremen Identitären hatte, wie Fußi meint. In juristischen Fachkreisen wird nun aber vor allem diskutiert, welche Optik Ramis rechtliche Vertretung Straches hinterlässt.

„Wenn ein Verfassungsrichter als Rechtsanwalt von Regierungsmitgliedern auftritt, dokumentiert dies ein Naheverhältnis zur Regierung, das ich für problematisch halte“, sagt Peter Bußjäger, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, zum KURIER.

Tatsächlich liegen mögliche Unvereinbarkeiten auf der Hand. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist Schutzherr der Bundesverfassung, auch in Hinblick auf Gesetze der Regierung.

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Beispiel 1: Innenminister Herbert Kickl führt gegen den Abgeordneten Peter Pilz derzeit einen Prozess. Der FPÖ-Minister klagte Pilz, weil dieser ihn „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ genannt hatte. Rami ist hier der Anwalt von Kickl. Nun zieht Pilz aber auch gemeinsam mit SPÖ und Neos wegen fehlender Akten im BVT-U-Ausschuss vor den VfGH. Es könnte also mit Rami jener Verfassungsrichter in der BVT-Frage befasst sein, der Kickl in dem anderen Fall als Anwalt gegen Pilz vertritt.

Pilz beschwerte sich bereits: „Wenn sich das Parlament im Aktenstreit mit dem Innenministerium an den VfGH wendet, sitzt dort ja die andere Hälfte des doppelten Rami.“

Beispiel 2: Bei der Rad-WM in Tirol hielten im Vorjahr zwei Männer ein Transparent gegen den Innenminister hoch: „Kickl Ride to Höll“. Einer von ihnen bekam eine Geldstrafe. Im theoretischen Fall, dass der Zuschauer gegen das Urteil bis zum VfGH beruft, könnte auch dieser Fall beim Verfassungsrichter Rami landen.

Unvereinbarkeiten kommen beim VfGH grundsätzlich immer wieder vor - ein Verfassungsrichter erklärt sich in einem solchen Fall für befangen und kann sich vertreten lassen. In den beiden Beispielen könnte dies auch Rami tun, erklärt Experte Bußjäger.

Problematischer wird es, sobald es um sehr viele Fälle geht.

Beispiel 3: Asyl-Entscheidungen. „Da könnten sehr viele Betroffene zum VfGH gehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl steht dabei unter der Leitung des Innenministers. In all diesen Fällen, in denen Akte dem Innenministerium zuzurechnen sind und welche beim VfGH angefochten werden, entsteht ein problematischer Eindruck“, sagt Bußjäger.

Auch hier sorgt das Naheverhältnis des Verfassungsrichters Rami zu einem Regierungsmitglied, in diesem Fall Kickl, für eine spezielle Optik. Doch anders als bei den ersten zwei Beispielen wird es hier wegen der großen Zahl der Fälle mit der Vertretung schwierig.

Neos: Öffentlicher Eindruck ist Problem

Die Neos-Abgeordnete Irmgard Griss sagt grundsätzlich, es sei „verstörend“, dass ein Verfassungsrichter zugleich Anwalt des Vizekanzlers ist. Ein Problem sieht sie auch für den Prozess selbst: „Es kann der Anschein entstehen, dass eine Partei, die durch einen Verfassungsrichter vertreten wird, in einem Gerichtsverfahren von vornherein bessere Karten hat. Ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gilt als sehr angesehen. Das ist eine gewisse Machtdemonstration.“

Genauso wie Bußjäger ortet sie zwar keine automatische Befangenheit Ramis bei Gesetzesvorhaben der türkis-blauen Regierung. „Natürlich könnte es aber zu einer Befangenheit als Mitglied des VfGH kommen“, sagt Griss. „Nehmen wir an, es gäbe eine Ministeranklage gegen Vizekanzler Strache, dann wäre Rami natürlich befangen. Dann müsste er sich vertreten lassen.“

Generell warnt Griss: Es könnte der öffentliche Eindruck entstehen, Rami würde wegen des Vertrauensverhältnisses zu seinem Mandanten als Verfassungsrichter die Auffassung der FPÖ vertreten. „Das kann Zweifel an der Unabhängigkeit des VfGH wecken.“

Griss gegen Nebentätigkeiten

Griss plädiert darum für einen Systemwechsel. Verfassungsrichter sollen generell nicht mehr als Rechtsanwälte tätig sein dürfen, wie etwa in Deutschland. „Schon jetzt werden Bundesbeamte, sobald sie Verfassungsrichter werden, karenziert. Dasselbe müsste einfach für alle gelten: Ab dem Zeitpunkt, in dem man Mitglied des VfGH wird, soll es ein Nebenbeschäftigungsverbot geben“, sagt die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichthofs.

Dafür spräche, dass das Arbeitspensum für die Verfassungsrichter massiv gestiegen ist. Gab es im Jahr 1950 noch rund 300 Fälle, waren es im Jahr 2017 bereits mehr als 5000.

Für eine Stellungnahme war Rami nicht zu erreichen.