Politik/Inland

Koalition einig: Mindestsicherung wird 2016 verschärft

Seit zwei Wochen steht ein mit goldenen und roten Kugeln geschmückter Christbaum im Kanzleramt. Gestern fand hierorts die letzte Ministerratssitzung in diesem Jahr statt. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zog schon Bilanz über das Regierungsjahr 2015: 107 Gesetze habe man vorgelegt, um 35 Prozent mehr als 2014.
Ganz so vorweihnachtlich friedlich wie es den Anschein hatte, läuft es in der Koalition freilich nicht. SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer und ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka machten auch kein Hehl aus ihrem gegenseitigen Missfallen.

ÖVP pocht auf Verschärfung

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Auslöser war ein „Gespräch“ (SPÖ) bzw. ein „Gipfel“ (ÖVP) zum Thema Mindestsicherung gestern Nachmittag im Sozialministerium. Hundstorfer wollte mit ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger über eine Reform reden, Lopatka war auch dabei. „Er hat sich selbst eingeladen“, grantelte Hundstorfer und betonte, dass er mit den Ländern schon seit Wochen über Änderungen bei der Mindestsicherung verhandle. Also, nicht erst, seit die ÖVP sie zum Thema macht.
Lopatka pocht ja auf Verschärfungen, weil er ab 2016 aufgrund der Flüchtlinge mit 40.000 zusätzlichen Mindestsicherungsbeziehern rechnet – und die Kosten seit Jahren steigen (siehe Grafik). Die ÖVP will, dass 50 Prozent der Mindestsicherung Sachleistungen sind (z. B. Gutscheine für Lebensmittel); dass die Geldleistung nach einem Jahr um 25 Prozent gekürzt wird; dass es einen Bonus gibt, wenn man wieder arbeiten geht; und dass eine Familie maximal 1500 Euro erhält.

"Verhindern oder lösen"

Dieser „Deckel“ behagt der SPÖ nicht. Hundstorfer bezweifelt, dass man eine verfassungsrechtlich haltbare Regelung zustandebringt. Außerdem: Nur sieben Prozent der Kosten für die Mindestsicherung würden Zahlungen von mehr als 1500 Euro betreffen.
Lopatka konterte, es gehe bei den sieben Prozent um 50 Millionen Euro. Und: „Man kann nachdenken, ob man etwas verhindern oder ob man etwas lösen will.“

"Sehr schwierig"

Nach dem rot-schwarzen Treffen hieß es, man sei übereingekommen, dass es stärkere Anreize für einen Wiedereinstieg in den Job geben soll und dass die Sanktionen bei Verstößen in allen Bundesländern vereinheitlicht werden sollen. Was den „Deckel“ von 1500 Euro betrifft, werde nach einer verfassungskonformen Lösung gesucht. Im Büro Hundstorfer bleibt man diesbezüglich dennoch skeptisch: „Was die ÖVP will, ist sehr schwierig.“

"Entscheidender Punkt"

Lopatka ist anderer Meinung: „So etwas gibt es auch beim Arbeitslosengeld.“ Beharrt er auf dem 1500-Euro-Deckel? „Das ist ein ganz entscheidender Punkt.“
Einig sind sich beide Seiten darin, dass die Reform im ersten Halbjahr des kommenden Jahres finalisiert werden und spätestens Anfang 2017 in Kraft treten soll.

Mindestsicherung: Durchschnittlich 320 Euro pro Monat

Kosten gestiegen

Die Mindestsicherung beträgt monatlich bis zu 827,83 pro Person (Grundbetrag 620,87 €; Wohnkosten-Anteil 206,96 €), für Paare sind es 1241,74 €, für jedes Kind gibt es 149,01 €. 2014 beliefen sich die Kosten auf 673 Millionen € (+12 %).

Zahlungen in der Praxis

Mindestsicherung wird im Schnitt 8,2 Monate bezogen und beträgt 320 €/Kopf, weil es sich meist um Zuzahlungen zu Notstands- hilfe, Arbeitslosengeld oder Teil- zeit-Gehalt handelt. Familien ab drei Kindern können auf deutlich mehr als 1500 €/Monat kommen.