Politik/Inland

Kern ringt um Ausweg aus CETA-Dilemma

Christian Kern steht unter Druck – in Sachen CETA. Seit Wochen kampagnisieren die Roten gegen das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada. Im Parteipräsidium wird am Freitag über die weitere Vorgangsweise geredet.SPÖ-Vormann Kern war bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorstellig, um "Nachbesserungen" zu erwirken. Im Vertrag gibt es solche nicht; diesem wird lediglich ein fünfseitiges Zusatzprotokoll angefügt, eine Art Gebrauchsanweisung.

Reicht das der SPÖ? Klubchef Andreas Schieder legt sich noch nicht fest. Er warte darauf, wie Experten den Beipacktext bewerten.

Dreierlei hatte die SPÖ moniert: Es dürfe nicht möglich sein, öffentliche Dienstleistungen (Wasser, Müllabfuhr, Wohnbau etc.) zu privatisieren, gewisse Standards (Konsumentenschutz, Umwelt) dürften nicht unterlaufen werden. Bei beidem ortet Schieder in der Zusatzerklärung "Bewegung in die richtige Richtung". Bei den internationalen Schiedsgerichten sieht er diese nicht.

Auch Kern will weiter verhandeln, wie er in ATV sagte – und das Urteil des deutschen Verfassungsgerichtes abwarten, das am Donnerstag bekannt gegeben werden soll. Die Kläger kritisieren, dass gewisse EU-Standards als Handelshemmnis betrachtet – und aufgeweicht werden könnten.

Am 18. Oktober sollen die EU-Handelsminister CETA unterzeichnen, am 27. Oktober steht das beim EU-Kanada-Gipfel auf der Agenda. Für Schieder ist das kein Problem. Bis in den 28 nationalen Parlamenten über den Vertrag abgestimmt werde – "in ein bis zwei Jahren" – könne das eine oder andere puncto Schiedsgerichte noch geändert werden. "Bei solchen internationalen Abkommen geht alles", meint Schieder.

Warum exponiert sich die SPÖ bei CETA derart? Insider sagen, die Partei habe ein emotionalisierendes Thema gesucht, um sich profilieren zu können. Die Mehrheit der Österreicher sieht CETA ja skeptisch – und die Krone agitiert dagegen.

Kern bestreitet derlei Absichten. Das Problem für ihn: Die ÖVP erwartet, dass er dem Abkommen zustimmt, die CETA-Widersacher verlangen, dass er das nicht tut. Kern muss aus diesem Dilemma einen Ausweg suchen. Er pocht etwa darauf, dass das Zusatzprotokoll "rechtsverbindlich" ist. Darüber wurde am Montag zwischen der EU und Kanada verhandelt.

Experten sind sich einig, dass der Beipacktext mehr oder weniger nur erläutert, was im Vertrag steht. Europarechtler Walter Obwexer: "Es gibt die eine oder andere kleine Präzisierung, etwa bei den Privatisierungen und den Umweltstandards." Dass vor der Ratifizierung im Parlament Änderungen gelingen, sei rein rechtlich zwar möglich: "Das ist aber zweifelsfrei nicht üblich – und würde auf eine ganze Reihe politischer Hürden stoßen." So müssten sich Kanada und die EU erneut einigen – und sollten einige Mitgliedsländer den Vertrag schon unterfertigt haben, müssten diese auch den Modifikationen zustimmen.