Kassenfusion bremst Gesundheitsreform aus
Von Michael Bachner
Schon jetzt bindet die groß angelegte Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungen auf künftig fünf Träger (plus Dachverband) nahezu alle Kapazitäten im Kassenbereich. Dabei fällt der eigentliche Startschuss für die Mega-Reform erst am 1. April mit der Einsetzung der Überleitungsgremien. Diverse Arbeitsgruppen wurden gebildet, allein die Überführung der Beitragsprüfer von den Kassen zur Finanzverwaltung gilt unter Auskennern als Riesenprojekt.
Damoklesschwert
Mit Jahresbeginn 2020 soll dann die neue Struktur stehen und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) als Flaggschiff für die Arbeiter und Angestellten operativ zu arbeiten beginnen. Und das alles unter dem Damoklesschwert der diversen längst eingebrachten Verfassungsklagen von Gebietskrankenkassen, Seniorenrat oder auch SPÖ. Sie könnten die türkis-blauen Umbauarbeiten im Sozialversicherungsbereich um Monate, wenn nicht Jahre blockieren.
Doch das ist im Gesundheitsbereich nur eine Baustelle, wie Noch-Hauptverbandschef Alexander Biach am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten ausführlich darlegte.
Er warnte insbesondere davor, angesichts der überaus komplexen Strukturreform bei den Kassen ganz auf die schon 2013 gestartete Gesundheitsreform zwischen Bund und Ländern zu vergessen. Denn, so Biach, im Gesundheitsbereich wäre die von der Politik versprochene „Patientenmilliarde wirklich zu finden“ – nicht aber bei der Kassenfusion. Zumindest nicht auf kurze Sicht.
Langzeit-Projekt
Der Grund liegt auf der Hand: Die Kassenfusion kostet und dauert – beispielsweise die Zusammenlegung der EDV-Systeme. Erst in frühestens sieben bis acht Jahren sei hier mit nennenswerten Einsparungen zu rechnen, sagt Biach. „Wenn man es nicht klug macht, dauert es viel länger“, sagt der Wirtschaftsbund-Mann.
Biach will sich bis Jahresende den offenen Projekten im Gesundheitsbereich widmen und dann zurück in die Wiener Wirtschaftskammer gehen. Der Hauptverband wird ja auf einen wesentlich schwächeren Dachverband zusammen gestrichen. Für diesen steht Biach nicht mehr zur Verfügung.
Rabatte gefragt
So will Biach vor allem einen neuen Rahmenvertrag mit der Pharmaindustrie ausverhandeln. Derzeit herrscht hier ein vertragsloser Zustand, der für die öffentliche Hand potenziell sehr teuer werden kann.
Das Hauptproblem sind hier die rasant steigenden Kosten für Top-Medikamente etwa gegen Krebs. Der Hauptverband muss mittlerweile bereits ein Drittel aller Ausgaben für Medikamente von 3,6 Milliarden Euro für diese Spitzenmedikamente aufwenden.
Diese Spezialprodukte machen aber nur 0,56 Prozent aller Medikamente aus. Ein reichlich absurdes Verhältnis.
Über dieses Thema hinaus will Biach weiter an besseren Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche arbeiten und die Ausgestaltung der Primärversorgung voranbringen. Noch immer gebe es hier keinen Vertrag mit der Ärztekammer.
Außerdem sollte noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden, dass sich auch Primärversorgungszentren rund um eine Gruppe von Fachärzten bilden können, regt Biach an. Bisher geht es in diesem Konzept zur Entlastung der Spitalsambulanzen vor allem um den Bereich der Allgemein-Medizin.