Kneissl: Asylanträge sollen auch im Ausland möglich sein
Sie sitzen gemeinsam auf einer Bühne im Haus der Europäischen Union in Wien, ihre Meinungen gehen aber oft auseinander: Außenministerin Karin Karin Kneissl und ihr luxemburgischer Amtskollege Jean Asselborn diskutieren, ob das europäische Projekt nach Brexit, Euro-Turbulenzen, Flüchtlingskrise, neuem Nationalismus und steigender Europa-Skepsis eine Überlebenschance hat.
Das Interesse am Dialog der beiden Außenminister ist groß: Festsaal und Foyer des Europahauses sind überfüllt, weit über 200 folgten der Einladung des international tätigen Wirtschaftskanzlei Lansky, Ganzger + partner, die die hochkarätig besetzte Konferenz „EU Strategic Talks“ organisierten.
Es ist die erste parteiübergreifende Veranstaltung im Kontext der bevorstehenden EU-Präsidentschaft Österreichs, die sich mit der inhaltlichen Aufgabenstellung und der Reform der EU beschäftigte. Auffallend war, dass keine SPÖ-Politiker kamen.
„Explodieren“
So sehr die Positionen der beiden divergieren – Kneissl betont mehrmals, sie wolle die Sache „pragmatisch“ angehen, Asselborn drängt auf eine grundsätzliche Klärung. Es geht ihm um Werte, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, Menschenrechte, Solidarität und die faire Aufteilung schutzbedürftiger Flüchtlinge, über die es keinen gemeinsamen Konsens in der EU gibt. „Das sind die wahren Probleme. Werden sie nicht gelöst, kann Europa explodieren“, mahnt der Sozialdemokrat eindringlich.
In einem Punkt sind sich Kneissl und Asselborn aber einig: in der raschen EU-Integration der Westbalkan-Länder. Die Außenministerin lehnt den „Kunstbegriff Westbalkan“ strikt ab, sie spricht lieber von „ Südosteuropa“ und betont, dass „die Region Südosteuropa sich nicht selbst überlassen werden darf“. Zu groß sei die Gefahr, dass in ein politisches und wirtschaftliches Vakuum Russland, China und andere Mächte vordringen, was ja bereits der Fall ist.
Kneissl sieht für sich und für die Bundesregierung den Auftrag, das Thema Beitrittskandidaten während der österreichischen EU-Präsidentschaft zentral zu behandeln.
Gemäß der Linie der türkis-blauen Koalition plädiert sie dafür, die Außengrenzen streng zu überwachen. „Die Menschen wollen Sicherheit, und der Staat darf die Kontrolle über die Grenzen nicht mehr verlieren.“ Die Regierung bekenne sich, Menschen, die verfolgt werden oder vor Kriegen fliehen, Schutz zu gewähren, wie es die Genfer Flüchtlingskonvention auch vorsieht.
Migration nimmt zu
Kneissl bedauert, dass es für diese Personen nicht mehr die Möglichkeit gibt, außerhalb der EU um Asyl anzusuchen. Für die legale Migration gebe es bestimmte Programme. Das Problem sei die illegale Migration, „ein Kontrollverlust wie 2015“ sei auf jeden Fall zu vermeiden. „Sonst gibt es Verwerfungen“, sagt die parteifreie, von der FPÖ nominierte Außenministerin. Realistisch stellte sie fest, dass „Migrationsbewegungen in Zukunft zunehmen werden“.