Politik/Inland

Karas: "Russland hat kein Interesse an einem starken Europa"

KURIER: Offizielle Berichte aus den USA und von UK kommen zum Schluss, dass es vor allem in den Sozialen Medien fake news gab, die aus Russland orchestriert wurden um demokratische Entscheidungen zu beeinflussen. Was steckt da dahinter, warum wurde das gemacht?

Karas: Wir müssen davon ausgehen, dass nicht nur Russland gewillt und in der Lage ist, durch Desinformation, Cyberattacken und Finanzspritzen für EU-Gegener die Europawahlen zu beeinflussen. Russland hat kein Interesse an einem geeinten, starken Europa.

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Als Vorsitzender der Russland-Delegation des Europäischen Parlaments liegen mir Informationen sowohl der zuständigen Dienste der EU, als auch der EU-Mitgliedstaaten vor, dass Russland nicht nur systematisch Falschinformationen produziert und verbreitet, sondern mit einem hybriden Maßnahmenbündel versucht, die EU strategisch zu schwächen und zu spalten.

Dazu gehören neben Cyberaktivitäten und Geldspritzen für rechtsextreme und populistische Parteien auch Interventionen russischer Geheimdienste innerhalb von EU-Mitgliedstaaten. Wir erinnern uns an den Fall Skripal und an den Oberst des österreichischen Heeres, der als russischer Spion tätig war und vergangenes Jahr aufgeflogen ist.

Dass sich alle EU-Mitgliedstaaten in dieser Erkenntnis einig sind, zeigt auch die gemeinsame Reaktion auf die Vergiftung des Agenten Skripal in Großbritannien. Das "Strategische Kommunikationsteam Ost" (StratCom) des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat knapp 5000 Fälle von gezielter russischer Desinformation aufgedeckt und hat dem durch Aufklärung und Gegeninformation entgegengewirkt.

Das Europäische Parlament hält auch in seinem Bericht, der heute mit großer Mehrheit beschlossen wurde, fest, dass es russische Einflussnahme auf das Brexit-Referendum gegeben hat.

Inwiefern nutzt es Russland, wenn westliche Demokratien destabilisiert werden?

Bisher kann und darf Europa noch nicht außenpolitisch und sicherheitspolitisch mit einer Stimme sprechen. Wenn Europa das täte, wäre es außenpolitisch und sicherheitspolitisch stärker als Russland und die USA. Der Brexit schwächt Europa. Die Wahl Trumps schwächt den transatlantischen Zusammenhalt.

Auch unser Gesellschaftsmodell mit parlamentarischer liberaler Demokratie und Rechtsstaat ist Putin ein Dorn im Auge. Natürlich nutzt es Putin, wenn sich Europa intern streitet anstatt gemeinsam in der Welt aufzutreten. Deshalb fordere ich auch eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips bei außenpolitischen Entscheidungen der EU.

Nur so kann die EU zum Sprecher des Kontinents in der Welt werden und auf Augenhöhe mit Russland, China und den USA Paroli bieten. Nur in einer Frage zeigt sich die EU bislang halbwegs geschlossen: Putin hat die Einigkeit bei der Antwort auf die Annexion der Krim überrascht.

Mit diesem Widerstand hat er nicht gerechnet. Ohne die Sanktionen aus Europa wäre Putin wahrscheinlich bis nach Odessa und die Ostsee weitergezogen. Die Menschen im Baltikum haben Angst.

Es wird vermutet, dass der Kreml Salvinis Partei unterstützt, halten Sie das für eine Strategie Russlands, um Europa destabilisieren zu können? 

Selbstverständlich ist das Putins Strategie. Le Pen hat ein Konto in Moskau. Die jüngsten Verdachtsmomente aus Italien deuten in die gleiche Richtung. Die neue Rechtpopulisten-Fraktion, die Herr Vilimsky im EU-Parlament gründen will, hat vor allem eines gemeinsam: Es ist ein prorussischer Block. Jedes Mal wenn die FPÖ gegen die EU prügelt, freut sich Herr Putin, und nicht nur Herr Putin.

Auch die FPÖ hat einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei, halten Sie diesen für harmlos oder bedenklich? 

Die FPÖ verfolgt in der EU nicht nur die falschen Ziele, sondern hat auch die falschen Freunde. Sie macht gemeinsame Sache mit all denen, die Europa in der Welt schwächen, spalten, ja sogar zerstören wollen. Das ist nicht nur bedenklich, sondern alarmierend.

Was hat das EU Parlament zu Russlands Agitation bisher herausgefunden? 

Das Europäische Parlament stellt keine eigenen Untersuchungen an, sondern sammelt Fakten, hört Experten an und zieht die politischen Schlussforderungen aus den Fakten. In meiner Rolle als Vorsitzender der Russland-Delegation des Europäischen Parlaments habe ich mit den Experten des "Strategischen Kommunikationsteams Ost" (StratCom) zusammengearbeitet und sie zu mehreren Anhörungen eingeladen. Als Parlament wollen wir deren Arbeit verstärken. Die Schlussfolgerungen des Parlaments stehen in dem diese Woche beschlossenen Bericht.

Wie will sich Europa schützen? 

Europas liberale Demokratien müssen sich besser gegen Autokraten und diejenigen schützen, die Europa schwächen wollen. Das ist die Lehre aus Brexit und den Rechtsstaatlichkeitsproblemen in mehreren EU-Ländern. Dazu fordert das Europäische Parlament Maßnahmen in drei Bereichen:

Erstens muss im Kampf gegen Desinformationen und Fake News das "Strategische Kommunikationsteam Ost" (StratCom) massiv ausgebaut werden, die EU-Mitgliedstaaten müssen noch stärker zusammenarbeiten und die sozialen Medien müssen beim Vorgehen gegen "Fake News" mehr Verantwortung übernehmen.

Zweitens brauchen wir im Cyberbereich eine digitale Verteidigungspolitik. Elektronische Wählerregister, die Software zur Übermittelung und Sammlung von Wahlergebnissen und e-Voting Systeme sind verwundbar.

Drittens was die Finanzspritzen für Anti-EU-Populisten betrifft: Finanzierung von Parteien durch Gelder von außerhalb Europas muss weiter erschwert und offengelegt werden.