Karas gegen Vilimsky: EU-Wahl als kalkulierter Krach
Von Daniela Kittner
Egal, ob der blaue Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, den „torkelnden" Kommissionspräsidenten schmäht oder seine Kameradschaft mit der EU-feindlichen europäischen Rechten verteidigt – einer kritisiert Vilimsky stets als Erster und am lautesten: Othmar Karas von der ÖVP.
Bei der kommenden EU-Wahl werden sich Karas und Vilimsky als Spitzenkandidaten ihrer Parteien gegenüber stehen – und das verspricht ein hartes Match. Hie der prononcierte Pro-Europäer Karas, auf der anderen Seite Vilimsky, Mitglied einer nationalistischen Allianz, die zugunsten der Nationalstaaten ein Ende der derzeitigen EU anstrebt.
Nicht nur im Inhalt, auch im Stil sind Karas und Vilimsky wie Wasser und Feuer.
Zwar sind die beiden einander schon bei der letzten EU-Wahl 2014 als Kontrahenten gegenüber gesessen. Doch der Unterschied zu 2019 ist: Diesmal sind sie Spitzenkandidaten von Parteien, die gemeinsam die Bundesregierung bilden.
Kanzler Sebastian Kurz legt bekanntlich sehr viel Wert darauf, dass seine Regierung „nicht streitet“. Damit hebt Kurz den Gegensatz zwischen Türkis-Blau und den rot-schwarzen Vorgängerregierungen hervor. Seinem Harmoniefaible zum Trotz lässt sich Kurz nun aber auf einen EU-Wahlkampf ein, bei dem sich die Koalitionsparteien in der Öffentlichkeit befetzen werden.
Warum?
Zum einen muss Kurz wieder einmal die Konturen seiner eigenen Partei schärfen. Das geduldige Schweigen der ÖVP zu blauen Eskapaden zieht die ÖVP in den Sog des Rechtspopulismus und lässt die Unterschiede verblassen. Das Thema Europa eignet sich prächtig, um Trennlinien heraus zu arbeiten.
Zum Zweiten braucht Kurz bei der EU-Wahl einen Erfolg, und zwar, weil ein ÖVP-Misserfolg der SPÖ neues Leben einhauchen würde. „Sollte die SPÖ die ÖVP bei der EU-Wahl – einer bundesweiten Wahl – besiegen, wäre das ein Revitalisierungsschub für Christian Kern“, meint der Politikwissenschafter Fritz Plasser.
Die SPÖ lag bei der EU-Wahl 2014 um drei Prozentpunkte hinter der ÖVP (VP 27, SP 24). Wenn die pro-europäischen Wähler – und die nehmen in der Regel an EU-Wahlen teil – der ÖVP in Richtung Neos davon laufen, ist der Vorsprung schnell dahin.
Nicht zuletzt muss der Kanzler Interesse daran haben, dass sein Koalitionspartner keinen Bauchfleck macht. Nichts schadet der Regierungsharmonie mehr, als wenn ein Partner das Gefühl hat, allein für alles die Zeche zu zahlen. Keine Partei weiß das besser als die ÖVP aus ihrer Erfahrung mit der jahrelangen Juniorpartnerrolle neben der SPÖ.
Die FPÖ legt es offensichtlich darauf an, mit europafeindlichen Tönen ihre Kernschichten bei Laune zu halten und die EU zum Blitzableiter für etwaigen Regierungsfrust nutzen.
Die EU-Wahl wird also ein wohl kalkulierter Radau zwischen Türkis und Blau. Ins Bild passt, dass die FPÖ im Zuge des Personalpakets für die Nationalbank bereits zugesagt hat, nach der EU-Wahl einen EU-Kommissar Karas zu akzeptieren. Botschaft des gezielten Leaks aus dem Ministerrat: In der Bundesregierung muss die FPÖ auf Pro-Europa-Kurs bleiben.