"Kern muss achtgeben, dass er nicht zu stark auf Inszenierung setzt"
Von Maria Kern
Einen Regierungschef, der Essen zustellt – das gab es noch nie, und wohl deshalb ist auch die Aufmerksamkeit so groß: Rund 600.000-mal wurde das SPÖ-Video schon binnen der ersten 24 Stunden im Internet aufgerufen, das Bundeskanzler Christian Kern als Pizza-Boten zeigt. So gesehen ist der knapp vier-minütige Clip ein Erfolg für den SPÖ-Frontmann und seine Partei.
Die reinen Zugriffszahlen sagen aber freilich nichts darüber aus, wie gut das Video bei den Zusehern ankommt. Rund 11.000 Menschen haben es zwar geliked, aber was hält der Rest davon?
"Niemand vorab informiert"
In den Social-Media-Kanälen divergieren die Kommentare. Einerseits sorgte es für Amüsement, andererseits gab es vor allem auf Twitter Häme, weil unter den Belieferten just ein Beamter aus dem SPÖ-Sozialministerium war, der einst für die Jungen Roten kandidiert hatte. So kam der Verdacht auf, die Kunden seien vorab ausgewählt worden, das Ganze sei also gestellt gewesen. Das weist man in der der SPÖ-Zentrale vehement zurück: "Niemand hat vorab gewusst, dass der Kanzler kommt."
Werbe-Profi Christoph Bösenkopf (Agentur Wirz) gefällt es auch besser, wenn der Kanzler einen Spaziergang auf dem Naschmarkt macht oder zum Heurigen geht, um Menschen zu treffen, statt Pizza auszutragen. Letzteres findet Bösenkopf "unauthentisch und ein bisschen anbiedernd".
"Ein Schritt zu weit"
In den sozialen Netzwerken zu agieren, sei überhaupt "eine schwierige Gratwanderung". Der SPÖ-Chef bzw. dessen Berater würden zwar grundsätzlich gute Social-Media-Kampagnen machen, "aber man muss aufpassen, dass man nicht einen Schritt zu weit geht" – das sei im aktuellen Fall passiert, auch wenn das Video handwerklich gut gemacht sei.
Ganz ähnlich urteilt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Zwar würden sich alle Politiker bis zu einem gewissen Grad inszenieren. Sich mit dem Volk zu zeigen, sei etwa "ein probates Mittel", um die menschlichen Seite hervorzuheben ("Ich bin ein Mensch wie du"). Der Experte warnt aber: "Kern muss achtgeben, dass er nicht zu stark auf Inszenierung setzt, sonst entsteht der Eindruck, die Optik sei wichtiger als Substanz."