Politik/Inland

Kammern: Service-Offensive soll Zugriff der Regierung verhindern

Bis 30. Juni hat Türkis-Blau von Arbeiter- und Wirtschaftskammer Reformvorschläge, sprich Beitragssenkungen, eingemahnt. Mäßig getarnt ist der Regierungswunsch mit der Aufforderung, AK und WKÖ mögen doch „Effizienzsteigerungspotentiale“ aufzeigen und tunlichst heben.

Interessant: Beide gesetzliche Interessensvertretungen reagieren sehr ähnlich, nämlich mit einer Vorwärtsstrategie. Die Kammern verbessern die Leistungen für ihre Mitglieder und bereiten millionenschwere Bildungsinitiativen vor.

So könnte eine eventuell neu aufflammende Debatte über die Zukunft der Kammern samt Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen im Keim erstickt werden.

So weit die Hoffnung der Interessensvertreter.

Für die AK hat die neue Präsidentin Renate Anderl am Freitag konkrete Pläne präsentiert. Unter anderem wollen die neun Länder-Arbeiterkammern in den kommenden fünf Jahren 150 Millionen Euro für eine Bildungsinitiative ausgeben. So sollen mögliche negative Auswirkungen der Digitalisierung in der Arbeitswelt abgefedert werden. Ausgebaut werden aber auch andere AK-Leistungen vom Wohnrecht bis zur Pflegeberatung.

Eine Initiative dieser Art hat auch der neue Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer im Talon.

Auch er sieht in der Bildung den Schlüssel für die zunehmend digitale Arbeitswelt. Die WKÖ will in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag für entsprechende Initiativen (z.B. „triale Ausbildung“) locker machen.

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Reform neu verkauft

Außerdem habe man bereits 2017 eine Reform beschlossen, die ab 2019 wirke und den Mitgliedern 100 Millionen Euro an Ersparnis bringe. Man habe die Regierungswünsche daher längst erfüllt.

In diesem Punkt unterscheiden sich Wirtschafts- und Arbeiterkammer.

AK-Präsidentin Anderl will nicht freiwillig auf Einnahmen verzichten. Für die klare Mehrheit von 70 Prozent der Mitglieder sei die Beitragshöhe vollkommen in Ordnung. Und eine gesetzlich verordnete Beitragsreduktion werde man umgehend gerichtlich bekämpfen.

Dies alles vor dem Hintergrund, dass wegen Zwölfstundentag und anderen Regierungsplänen ohnehin Streikvorbereitungen laufen. Das bestätigten auch der scheidende ÖGB-Präsident Erich Foglar sowie der schwarze Tiroler AK-Chef Erwin Zangerl, die mit Anderl auftraten und auf die „ Regierung der Bosse“ schimpften.

Hintergrund: Der AK-Beitrag macht 0,5 Prozent vom Bruttolohn aus, und damit durchschnittlich sieben Euro netto für die Arbeitnehmer. Kürze man den Beitrag auf 0,4 Prozent bringe das dem AK-Mitglied de facto nichts (nur 1,40 Euro im Monat), bedeute aber eine massive 20 prozentige Einnahmeneinbuße für die Organisation. Dann müssten Leistungen eingeschränkt, Mitarbeiter abgebaut werden.

Aufregung gibt es über einen KURIER-Bericht zur Sozialversicherungsreform. Sozialministerin Beate Hartinger schrieb dem Hauptverband, sie brauche diverse Informationen, um die Reform voran treiben zu können. Dazu Foglar: „Das ist Dilettantismus. Jede Firma wäre schon 17 Mal eingegangen, wenn sie so arbeitet.“