Politik/Inland

Kalte Progression bleibt in der Warteschleife

Die Bundesregierung sei „wie ein Taschendieb, der einem zuerst das Börserl ausräumt und dann das Kleingeld zurückgibt“, moniert Neos-Finanzsprecher Sepp Schellhorn. Grund für seine Klage: die türkis-blaue Ankündigung, die Abschaffung der kalten Progression erst in drei Jahren zu beschließen. Wirksam werden soll die Abschaffung mit 1.1.2023 – und damit erst in der nächsten Legislaturperiode.

Was aber ist die kalte Progression?

Einfach gesagt ist es die Steuermehrbelastung, die eintritt, wenn zwar die Einkommen, nicht aber die Steuerstufen an die Inflation angepasst werden. Weil die Einkommenssteuer progressiv gestaltet ist, also bei höheren Einkommen ein höherer Steuersatz angewendet wird, steigt dadurch jedes Jahr die Steuerlast. Und zwar für alle.

Es summiert sich

Das kann bereits für den Einzelnen einiges ausmachen, wie Florian Wakolbinger von der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung vorrechnet. Im Vergleich zu 2016, dem Jahr der letzten Steuerreform, zahlte ein Arbeitnehmer mit einem Monatsbrutto von 1500 Euro im Jahr 2017 fünf Euro mehr Steuer pro Monat. Weil sich die kalte Progression kumuliert, werden das 2020 jedoch bereits 20 Euro sein.

Bei höheren Einkommen verstärkt sich dieser Effekt: Bei einem Monatsbrutto von 7000 Euro erhöhte sich die Einkommenssteuer von 2016 auf 2017 um 17 Euro, bis 2020 steigert sich das auf 69 Euro – pro Monat.

500 Millionen Mehreinnahmen pro Jahr

Zusammengerechnet ergibt das ein schönes Körberlgeld für den Finanzminister: Ohne jede Steuererhöhung werden – bei zwei Prozent Inflation – jedes Jahr um die 500 bis 600 Millionen Euro extra in die Staatskasse gespült, schätzt Wakolbinger.

Ohne Zahlen zu nennen, sagte Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs nun, die Abschaffung werde „sehr, sehr viel kosten“. Darum soll sie erst mit 2023 umgesetzt werden. Und damit bleibt die kalte Progression weiter in der Warteschleife.

 

Angekündigt wurde eine Abschaffung schon oft. Auch die letzte rot-schwarze Regierung hatte sie im Programm, konnte sich am Ende aber auf kein Modell einigen. Die ÖVP wollte eine Abschaffung für alle Steuerstufen, die SPÖ im Sinne der Umverteilung nur für Einkommen bis 5800 Euro. Denn: „Es profitieren die mehr, die mehr Steuern zahlen“, sagt Wakolbinger.

Türkis-Blau hat es dennoch in der Hand, langjährige eigene Forderungen umzusetzen. Die Abschaffung habe „oberste Priorität“, meinte der damalige ÖVP-Generalsekretär Werner Amon im Jänner 2017. Noch deutlicher wurde Norbert Hofer: „Die kalte Progression muss gestoppt werden“, sagte der heutige FPÖ-Regierungskoordinator.

Das war 2006.