Politik/Inland

„Kärntner Sauerei ist abzustellen“

Nach dem Desaster mit den Milliardenhaftungen Kärntens für die Hypo Alpe-Adria will die Bundesregierung die Länder verpflichten, einheitliche und kontrollierbare Budgetregeln einzuführen. Dies ist bisher am erbitterten Widerstand der Länder gescheitert. Im Koalitionspakt nehmen SPÖ und ÖVP einen neuen Anlauf: Bis Ende 2014 müssen die Länder die Haushaltsvorschriften des Bundes einführen. Erstmals kommt von den Ländern dazu kein grundsätzliches Nein. „Es ist eine Sauerei, was Kärnten gemacht hat, dass ein Land den Bund fast ins Wanken bringt“, sagt der Niederösterreichs Finanzchef Wolfgang Sobotka. Er sei „sehr dafür, das abzustellen“.

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Niederösterreich hat zwar selbst auch (wie alle Bundesländer) Haftungen für die Landes-Hypo übernommen, der eklatante Unterschied ist das Volumen: Laut Rechnungshofbericht bewegten sich die Haftungen Niederösterreichs maximal in der Größenordnung eines Jahresbudgets (ca. sieben Milliarden Euro), während Kärnten mehr als das Zehnfache seines Zwei-Milliarden-Jahresbudgets an Haftungsrisiko einging (Höhepunkt: 24,7 Mrd. Euro im Jahr 2006)

Taxfrei wollen die Länder das Bundeshaushaltsrecht freilich nicht übernehmen. Sobotka fordert Abänderungen. So verlangt der Bund die alljährliche Bewertung sämtlicher öffentlicher Besitztümer, um sie als Vermögen in der Bilanz zu verbuchen. Sobotka: „Warum, bitte, soll ich zum Beispiel jedes Jahr den Wienerwald bewerten? Der Wienerwald ist nicht bebaubar und nicht veräußerlich. Er ist ein Naherholungsgebiet. Welches Vermögen soll er darstellen?“ Ähnliches gelte für Kinderspielplätze und viele andere öffentliche Einrichtungen. Solche jährlichen Bewertungen würden lediglich eine Menge Bürokratie und Kosten verursachen und Steuerberater und Gutachter mit Steuergeld sponsern.

Anfragen über Karmasin-Aufträge

Der Umstieg Sophie Karmasins von der Meinungsforschung in die Politik wirft einige Fragwürdigkeiten auf. Die Haupt-Firma der nunmehrigen Familienministerin auf ÖVP-Ticket, die Karmasin Motivforschung, ist laut Firmenbuch zu 100 Prozent Eigentümerin des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Laut ihrem Sprecher hat Sophie Karmasin ihre 85 Prozent Firmenanteile an ihre Mutter Helene und ihren Bruder Matthias abgegeben. Gallup ist somit weiter zu 100 Prozent in der Hand der Familie Karmasin. Gleichzeitig ist Gallup das Hausinstitut des Boulevardblattes Österreich. In den letzten Tagen feierte das Blatt unter dem Titel „Top-Start für neue Minister. Vorne: Kurz, Ostermayer, Karmasin“ das Debüt der Ministerin mit Zahlenangaben des Karmasin-Familienbetriebs.

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„Es war nicht leicht für Sophie Karmasin, so schnell aus den Firmen auszusteigen“, bricht Public Relations-Spezialist Wolfgang Rosam eine Lanze für seine Ex-Geschäftspartnerin (eine gemeinsame Firma wird nun stillgelegt). Rosam war seinerseits als Käufer der Karmasin Motivforschung im Gespräch, sagt aber ab: „Ich kaufe nicht. Ich hätte aus Freundschaft geholfen, bis sie einen Käufer findet. Nun hat sie es aber im Familienkreis gelöst.“

Heikel könnte es künftig bei öffentlichen Aufträgen für die Karmasin-Firmen werden. Ministerien sind für Meinungsforscher bedeutende Auftraggeber. Können Karmasin-Firmen solche Aufträge nun übernehmen?

Während des Wahlkampfs analysierte Sophie Karmasin top-prominent im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die fünfzehn Spitzenkandidaten-Konfrontationen. Gemeinsam mit dem Politologen Peter Filzmaier bewertete sie den Auftritt der Parteichefs. Doch es gab einen Unterschied: Mit Filzmaier hatte der ORF einen Vertrag abgeschlossen, der ihn „bis Ende 2013 den strengen Regeln des ORF-Gesetzes unterwirft“, so der ORF in einer Aussendung. Filzmaier musste sich verpflichten, keine Aufträge von Parteien anzunehmen und keine Politiker persönlich zu beraten. Im Fall Karmasin war der ORF weniger pingelig. „Wir haben sie nach ihren Geschäftsverbindungen gefragt. Sie hat sie nicht im Detail offen gelegt, aber gesagt, es wäre nichts Unvereinbares dabei“, sagt Vize-Chefredakteur Wolfgang Wagner. Den Unterschied zu Filzmaier begründet er so: „Filzmaier war ORF-Analytiker, Karmasin Studiogast.“

Die Abgeordnete Martina Schenk (TS) will es genauer wissen als der ORF. Sie brachte am 23. Dezember eine Anfragenserie an alle Minister ein, um die Aufträge an die Karmasin Motivforschung seit 2008 zu erkunden. Bisher aktenkundig ist ein 6000 €-Auftrag von Außenminister Michael Spindelegger. Er ließ den Wissensstand der Österreicher über das EU-Budget 2014 bis 2020 erheben.