Politik/Inland

Kaiser glaubt an Kenia-Koalition

Peter Kaiser (54), Gewinner der Kärntner Landtagswahl, fühlt sich nicht als neuer Star der SPÖ. „Aber ich bin mir dessen bewusst, dass es für die Partei der richtige Zeitpunkt war“, sagt er im KURIER-Gespräch. „Der vermeintlich Schwächere hat seine Stärken ausgespielt.“

Dass nach der Abfuhr bei der Wehrdienst-Volksbefragung und den Verlusten in Niederösterreich die Bundespartei nach dem Kärntner Ergebnis „aufatmen“ könne, verhehlt Kaiser nicht. „Wir sind doch schließlich eine Gemeinschaft.“ Daher werde die Kärntner Partei auch ihre Wahlkampf-Erfahrungen weitergeben. „Ich bin glücklich, dass Norbert Darabos alleiniger Wahlkampfleiter ist und habe bereits zwei Mal mit ihm telefonisch Kontakt gehabt.“ Allerdings sei nicht alles eins zu eins umsetzbar, etwa der Verzicht auf Plakate.

In der Bundespartei will Kaiser künftig zeigen, dass Kärnten wieder eine fixe Größe ist und, wenn notwendig, seine Stimme erheben. „Ich gehe sogar noch weiter“, sagt er: „Parteitreue und Kritik sind keine Gegensätze. Nur so kann man sich weiterentwickeln.“ Sein Stil sei jedoch nicht, Tadel via Medien anzubringen: „Peter Kaiser wird das in den Gremien tun.“

Am Ende der Kärntner Koalitionsgespräche, die am Montag beginnen, solle ein gemeinsames Regierungsprogramm stehen, sagt Kaiser. Nicht verhandelbar sind für Kaiser „Positionen, die sich aus dem Wahlergebnis ablesen“. Die SPÖ werde selbstverständlich beide Landes-Vize, den Ersten und Zweiten Landtagspräsidenten sowie den Präsidenten des Landesschulrates stellen. „Auf funktioneller Ebene wird es keine Geschenke an die Koalitionspartner geben.“ Hingegen sei denkbar, dass einzelne Materien in einen koalitionsfreien Raum rücken. Dabei verspricht Kaiser, nie die Mehrheit gegen die Partner einzusetzen. Bei den Referaten pocht er auf das Finanzressort: „Dieses angesichts des Wahlergebnisses nicht zu übernehmen, wäre Kindesweglegung.“

Warnung an Beamte

Dass am Ende Rot-Schwarz-Grün stehen wird, davon ist Kaiser überzeugt: „Uns trennen nicht Welten. Abschaffung des Proporzes, eine Verfassungsreform sowie der Kampf gegen Armut und Abwanderung haben auch bei ÖVP und Grünen Priorität.“

Aufhorchen ließ der zukünftige Landeshauptmann mit der Aussage, dass nicht alle Beamten sein Vertrauen hätten. „Aufgabe von Beamten ist es nicht, eine eigene Politik zu machen“, präzisiert er. „Wenn es notwendig ist, werde ich da hineinfahren.“

Änderungen wird es auch in den Landesgesellschaften und landesnahen Gesellschaften geben. „Wenn es das Gesetz zulässt, werden in Zukunft Experten und nicht Politiker das Sagen haben.“

Im Machtkampf bei den Kärntner Freiheitlichen setzt Parteichef Christian Ragger offensichtlich auf den Faktor Zeit. „Ich lasse mich sicher nicht treiben“, sagte er am Samstag.

Aber derzeit sitzen die Parteirebellen, Ex-Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Ex-Landesrat Harald Dobernig und Hannes Anton, der im Wahlkreis Villach das Grundmandat erreicht hat, auf dem längeren Ast. Das Trio hat zum Unterschied zu anderen keine Verzichtserklärung unterschrieben und beharrt auf den Einzug in den Landtag.

Selbst mit der Drohung des Parteiausschlusses lassen sich die drei nicht davon abbringen. Denn sie wissen, dass in diesem Fall die FPK weniger als vier Mandate hätte und den Klubstatus – und damit auch viel Geld – verlieren würde.

Gegen Ragger, der selbst zur Loser-Garde gehört, spricht außerdem, dass er mit dem Pflegeregress Tausende Wähler vergrault habe. „Warum sollen wir zurücktreten und er kann bleiben“, stößt Dobernig auch in der FPK auf offene Ohren. Ragger wiederum wirft den Parteirebellen „Eitelkeit“ vor und appelliert, „die Interesse der Partei vor jene der eigenen Person zu stellen“. Doch bisher hat er damit nichts erreicht.

In der politischen Kommunikation nennt man es „Illeismus“, wenn einer von sich selbst in der dritten Person statt von „Ich“ redet. Das ist an sich typisch und natürlich bei Kleinkindern. Politiker lernen es von Kommunikationstrainern als rhetorische Technik, wenn man in der Defensive ist. Und „der HC Strache“ ist derzeit ganz eindeutig im Eck.

Zwölf Wahlen in Bund und Ländern konnte der FPÖChef seit 2005 als Erfolge verbuchen. In Kärnten und Niederösterreich setzte es am letzten Sonntag aber ordentliche Niederlagen, in den bundesweiten Meinungsumfragen stürzt Strache regelrecht ab.

Die Analyse ist einfach. Mit Frank Stronach haben die vielen Protestwähler gegen die klassischen Parteien, das politische System, die EU und den Euro eine zwar reichlich diffuse, aber relativ anständige Alternative bekommen. Man muss sich als frustrierter Wähler nicht mehr mit blauen Hetztiraden und bräunlichen Figuren identifizieren.

Dem erfolgsverwöhnten Strache und seinen Regisseuren misslang die darauffolgende Inszenierung gehörig. Er könne sich „leider nicht klonen“ und in allen Ländern gleichzeitig antreten. Daher brauche es in allen Ländern künftig eine neue Politik, die „mit dem Chef alles akkordiert“.

„Der Strache“ machte auf starker Mann, holt sich seither aber nur Abfuhren. Der Führer befiehlt und keiner folgt ihm.

Mehr Stimme als Vernunft

Die niederösterreichische Wahlverliererin Rosenkranz bleibt gegen die Forderung des extra zur entscheidenden Sitzung angereisten Strache im Amt. Die zerbröselten FPKler in Kärnten weigern sich, ihre Selbstständigkeit zugunsten einer Strache-geführten Bundespartei aufzugeben. Und auch sonst macht sich in der Partei der Zweifel breit, ob Strache auch nur annähernd so stark ist, wie er sich in den Zeiten vor Stronach fühlen konnte.

Plötzlich wirken seine Kanzler-Ambitionen nur noch lächerlich, sein Ziel von 33 Prozent bei der Nationalratswahl großmannssüchtig. Und es sehen sich jene in den akademischen Parteizirkeln der Schlagenden bestätigt, die Strache schon immer herablassend mehr Stimme als Vernunft zugeschrieben haben.

Die Folgen für den kommenden FP-Wahkampf sind absehbar, die werden es noch ärger treiben. Noch mehr gegen „die Ausländer“, noch radikaler gegen die EU. Schon fordert der steirische Landesobmann „konkrete Schritte für den EU-Austritt“.

Dieses extreme Geballer kann freilich nach hinten losgehen und nur noch mehr Frustrierte zu Stronach vertreiben. In Niederösterreich hat der die Blauen bereits überholt. Auch, weil er bisherige Nichtwähler mobilisieren konnte, die die FPÖ nicht erreichte.

Da zielen jetzt Zwei auf eine gewisse Wählerschaft, in der nach einer aktuellen Umfrage fast Zweidrittel einen „starken Mann„ als Problemlöser wünschen.

Ob sie den nach den jüngsten Ereignissen in Strache verkörpert sehen, darf heftig bezweifelt werden.

Die Kärntner Wahlen vom vergangenen Sonntag überraschten nicht nur Politiker und Bürger, sondern offenbar auch die Demoskopen: Selten klaffte ein größeres Loch zwischen Wahlprognosen der Umfrage-Institute und dem tatsächlichen Wahlergebnis. Aber warum lagen die Umfragen in Kärnten so katastrophal daneben?

Wahlergebnisse seien auch nur Stimmungsdaten am Tag der Wahl, die am nächsten Tag gleich anders aussehen könnten, verteidigt sich etwa Werner Beutelmayer von market. „Wir messen nur aktuelle Stimmungen“, sagt Beutelmayer.

Franz Witzeling, Leiter des Humaninstitutes in Klagenfurt, lag besonders krass daneben: Nur zwei Wochen vor der Wahl sah sein Institut die FPK auf dem ersten Platz mit 29 Prozent der Stimmen – um mehr als 12 Prozent zu hoch. Witzeling erklärt das mit der „Undurchschaubarkeit“ der Kärntner Seele: „Wir haben das beim Haider gesehen. Niemand hat zugegeben, den jemals zu wählen. ,Ich sicher nicht‘, haben die Leute gesagt“, sagt Witzeling. „Genau so stark ist die Verleugnung in Kärnten verankert, nicht zu seiner Wahl zu stehen.“ Es fehle generell eine ausgereifte Politikkultur: „Die Masse ist uninteressiert – oder polarisiert.“

Wolfgang Bachmayer von OGM, der keine Kärnten-Umfrage publizierte (worüber er „sehr froh“ ist), verteidigt seine Kollegen: „Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft. Aber so eine Völkerwanderung bei den Wählern wie am Sonntag in Kärnten habe ich noch nie erlebt.“

Normalerweise würden etwa 30 Prozent der von seinem Institut kontaktierten Personen bereitwillig Auskunft geben. „In Kärnten lag die Quote unter zehn Prozent. Das zeigt, wie frustriert die Menschen in Kärnten von der Politik waren – und sind.“

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Nach 24 Jahren bekommt Kärnten wieder einen SPÖ-Landeshauptmann. Erstmals werden in Kärnten die Grünen mitregieren. Eine Komfortzone wird das Amt der Landesregierung für die beiden Links-Parteien jedoch nicht: Sie werden nichts zu verteilen haben und umso mehr zu sparen.

Der angehende Landeshauptmann Peter Kaiser will das Finanzressort für die SPÖ übernehmen. „Eine Messlatte für den Erfolg meiner Regierung wird die Gesundung des Budgets sein, daher soll die stärkste Partei dafür die Verantwortung tragen“, sagt er. Damit legt er sich die Latte hoch. Denn die FPK-Regierung hinterlässt einen Sanierungsfall.

Die künftige Regierungskoalition aus SPÖ, Grünen und ÖVP wird ihre Tätigkeit mit einem Kassasturz beginnen. Was sie dabei finden wird, lässt sich aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs (RH) ablesen. Er untersuchte die Finanzgebarung Kärntens von 2005 bis 2010 (Prognosen für 2011 sind einbezogen, für 2012 gibt es keinen Rechnungsabschluss, für 2013 noch gar kein Budget).

Die Schulden. Ende 2010 hatte Kärnten Finanzschulden von 1,4 Milliarden, „nicht fällige Verwaltungsschulden“ (künftige Finanzierungsverpflichtungen) von 1,9 Milliarden und „sonstige Schulden“ von 140 Millionen. Macht: 3,44 Milliarden. Und das könnte noch nicht alles sein. Zitat Rechnungshof: „Das Land bot im Rechnungsabschluss keinen vollständigen Überblick über die Verbindlichkeiten der ausgegliederten Rechtsträger. Die wahre finanzielle Lage des Landes war den Rechnungsabschlüssen nicht zu entnehmen.“

Die blaue Regierung hat Budgettricks angewandt. So wurden um 372 Millionen Euro Krankenhausliegenschaften an die Krankenhausgesellschaft KABEG verkauft, um damit „die Jahresergebnisse des Landes zu verbessern“ (RH). Die KABEG finanzierte den Ankauf mit Schulden, deren Bedienung das Land zu erstatten hat. Der RH: „Das Land verlagerte lediglich Schulden, die es zur Abgangsfinanzierung des Landeshaushalts hätte aufnehmen müssen, auf die KABEG.“ Die KABEG-Schulden machen einen wesentlichen Teil der „nicht fälligen Verwaltungsschulden“ aus.

Das Defizit. Der Schuldendienst belastet das jährliche Budget. Derzeit zahlt Kärnten keine Schulden zurück, sondern nur die Zinsen. Das muss sich aber ab heuer ändern, es werden kräftige Rückzahlungen fällig (siehe Grafik). Jetzt hat Kärnten aber keinen Budgetüberschuss, sondern sogar ein Primärdefizit (siehe Tabelle), das heißt, bereits die Ausgaben abzüglich des Schuldendienstes sind höher als die Einnahmen (die Einnahmen betrugen 2010 laut RH 2,26 Milliarden). Erschwerend für die Budgetsanierung kommt hinzu, dass 84 Prozent der Ausgaben Pflichtausgaben sind, die man meist nur mit Gesetzesänderungen senken kann. Nur 16 Prozent der Ausgaben sind Ermessensspielraum.

Die Überalterung. Der Rechnungshof listet eine weitere ungünstige Entwicklung für Kärnten auf. Die Überalterung ist (wegen Abwanderung) höher als in anderen Bundesländern, was die Budgets mehr belasten wird. Will Kaiser, wie er sagt, die hohe Arbeitslosigkeit und die Armutsgefährdung bekämpfen, wird er andernorts umso mehr einsparen müssen, um Geld freizubekommen.

Kärnten ist auch demokratiepolitisch eine Baustelle. Auf Basis des Wahlergebnisses vom 3. März lässt sich die Absurdität des Proporzsystems (das in Salzburg und Tirol bereits abgeschafft ist) besonders gut erkennen: Die Kärntner haben sechs Parteien in den Landtag gewählt – aber es gibt immer noch keine wirksame Opposition. Die gibt es deswegen nicht, weil wegen des Proporzsystems fünf Parteien in der Regierung sitzen. Die sechste Partei, das BZÖ, hat mit lediglich zwei Abgeordneten keinen Klubstatus erreicht. „Ohne Klubstatus kann man keine Anträge und keine Dringlichen Anfragen stellen“, weiß der Grüne Rolf Holub aus Erfahrung. Die Grünen hatten im alten Landtag nur zwei Abgeordnete.

Weitere Absurdität des Proporzsystems: Die SPÖ stellt mit nur 37 Prozent beide Landeshauptmann-Stellvertreter. Somit werden alle drei Regierungsmitglieder der SPÖ „Landeshauptmann“. Das rührt daher, weil im Proporzsystem nicht nur die Landesräte, sondern auch die stellvertretenden Landeshauptmann-Posten nach Parteigröße vergeben werden, und aktuell in Kärnten die zweistärkste Partei um 20 Prozent kleiner ist als die SPÖ.

SPÖ, ÖVP und Grüne werden das Proporzsystem abschaffen, die nötige Zweidrittel-Mehrheit haben sie. Der Systemwechsel soll aber erst für die nächste Periode gelten.

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