Juncker-Fonds – „Wir sind wie ein Großlabor“
Schneiden und lernen am Seziertisch? – Das war einmal. Wenn sich die Studenten am medizinischen Simulationszentrum der Warschauer Medizinuniversität um ihre Ausbilder scharen, kommt modernste digitale Information zum Einsatz. Dass hier niemand mehr an toten Menschen üben muss, sondern auf hypermoderne Technologie zugreifen kann, hat auch mit einer Geldspritze der EU zu tun. Genauer gesagt mit Mitteln des sogenannten Juncker-Fonds.
Für Wilhelm Molterer, geschäftsführender Direktor des Fonds mit der korrekten Bezeichnung „Europäischer Fonds für Strategische Investitionen“ (EFSI), ist das polnische Simulationszentrum ein besonders gelungenes Beispiel der Förderung durch EFSI: ein innovatives Unterfangen, aber finanziell so riskant, dass es von herkömmlichen Geschäftsbanken wohl keinen Kredit bekommen hätte. „Risikoreiche Projekte zu finanzieren, auch um den Wettbewerbsnachteil Europas auszugleichen“, das sei das Ziel des Fonds, schildert Molterer dem KURIER.
Nach der Finanzkrise
Vor drei Jahren wurde der Fonds auf Drängen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ins Leben gerufen. Er sollte der damals nach dem Schock der Finanzkrise noch immer investitionsschwachen EU-Wirtschaft neuen Schub geben. Bis Mitte 2018 sollte er laufen und dabei öffentliche und private Investitionen anstoßen. „Unser Ziel war es, 315 Milliarden Euro an Investitionen auszulösen“, schildert Molterer, „und wir stehen jetzt bei 295 Milliarden. Wir erreichen also unser Ziel.“
Und auch wenn die Wirtschaft der EU mittlerweile wieder anzieht und die Investitionsschwäche nachließ, wurde der Fonds bis Ende 2020 verlängert und sein Investitionsziel auf 500 Milliarden Euro erhöht.
Der Juncker-Fonds ist bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), sozusagen der Hausbank der EU, angesiedelt. Die wiederum hat ihre Heimstatt auf dem Luxemburger Kirchberg. Und dort hat man sie erfunden, entwickelt und zielgerichtet eingesetzt, jene berühmte „Hebelwirkung“, die Journalisten zunächst argwöhnisch als „Finanzalchemie“ bezeichneten.
Der Feldversuch
„Wie kann man einen Steuereuro so einsetzen, dass er eine höhere Wirkung hat, als ihn einfach nur auszugeben?“, fragt Molterer. Indem auf jeden Euro, den der Fonds bereitstellt und mit dem die risikoreichen Finanzierungen abgesichert werden, die EIB und private Investoren 15 Euro drauflegen. „Wir sind, wenn Sie so wollen, wie ein Großlabor. Und wir reden nicht über Zauberformeln oder Voodo, sondern über reale Ergebnisse. Der ganz große Feldversuch für Finanzinstrumente hat den Realitätstest bestanden.“ Damit habe der Fonds aus der Sicht des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers sein Ziel erreicht: etwas ankurbeln, was ansonsten im Sand verlaufen wäre.
Cityjets für die ÖBB
17 Projekte hat der Juncker-Fonds in den vergangenen drei Jahren in Österreich unterstützt. Insgesamt wurden dabei Investitionen von 3,5 Milliarden Euro ausgelöst. Darunter befindet sich die größte Förderung, die mit EFSI überhaupt in der EU lanciert wurde: ein über den Fonds abgesichertes Darlehen von 500 Mio. Euro für den Erwerb von Cityjets für den ÖBB-Personenverkehr.
Damit aber weckten die EIB und der Juncker-Fonds einmal mehr die Kritik, wonach sie oft in Projekte investierten, die auch genügend private Geldgeber gefunden hätten. „Wenn eine öffentliche Institution schon Gelder nutzt, um Investitionen zu fördern, dann bitte solche, die es ansonsten nicht gäbe“, beschwerte sich der Wirtschaftsexperte Gregory Claeys von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Das wiederum lässt Molterer nicht auf sich sitzen. „Wir wirken wie ein Katalysator. Wenn institutionelle Investoren sehen, dass die EIB mithilfe von EFSI bei einem Projekt dabei ist, bedeutet es, dass es rechtlich, finanziell, nach Umweltbedingungen und Sozialauflagen durchleuchtet ist, und das erleichtert es ihnen, sich an den Projekten zu beteiligen.“
Sein im Oktober endender Vertrag könnte noch einmal verlängert werden, deutet Molterer an. Doch ob sein Wirken auch noch ab 2021 ins neue EU-Budget hinreichen wird, steht für den Ex-Finanzminister in den Sternen. Viele Begehrlichkeiten kommen vonseiten der EU-Kommission auf, beim Fonds mit neuem Namen „InvestEU“ mitzureden. Wozu Molterer nur sagt: „Das Management so eines Fonds, das darf kein Machtspiel sein.“
Starker Energieschub aus Brüssel
Windparks: Österreichische Unternehmer profitieren vom Ausbau erneuerbarer Energien
Betrachtet man die Dimensionen, ist es wohl das größte heimische Wirtschaftsprojekt, das über den Juncker-Plan finanziert wird: 205 Meter wird die Windkraft-Anlage in Höflein in Niederösterreich in dieHöhe ragen, wenn sie Ende dieses Jahres fertig gestellt. ist.
Insgesamt fünf Windräder werden auf dem Gelände in Höflein errichtet, drei davon werden mit Mitteln der Juncker-Initiative gefördert. Und im nahe gelegenen Bruckneudorf werden noch zwei Windräder mit EU-Finanzierungen errichtet. „Für uns sind die Kredite aus dem Juncker-Plan ein großer Vorteil“, betont Michael Hannesschläger, Geschäftsführer des Energieparks Bruck an der Leitha, der diese beiden Windparks errichtet. Insgesamt 17 Millionen Euro kommen aus dem EU-Topf und sind dank der Garantie aus Brüssel um rund 0,5 Prozentpunkte billiger als normale Bankkredite. Hannesschläger investiert insgesamt 27,3 Millionen Euro in die beiden Windparks.
Erneuerbare im Fokus
Rund neun Millionen Kilowattstunden im Jahr werden die Windräder produzieren – genug Strom für insgesamt 2300 Haushalte. Die Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energie ist der EU ein Anliegen. „Die EU hat sich ausdrücklich verpflichtet, die Umstellung auf saubere Energien in Europa zu unterstützen, Die Finanzierung von Windparks ist langfristig und birgt von Natur aus hohe Risiken“, betont der Vizepräsident der EU-Kommission Jyrki Katainen. Die EU-Haushaltsgarantien seien daher unverzichtbar für das Projekt.
Für Hannesschläger ist die aktuelle EU-Finanzierung für Windkraft in Höflein und Bruckneudorf bereits die zweite Kreditrunde mit der EU. Eine bereits in Betrieb befindliche Windkraftanlage des Energiepark Bruck an der Leitha wurde mit 38 Millionen Euro aus dem Juncker-Topf finanziell unterstützt. Und die Windkraftgesellschaft Simonsfeld hat 2017 insgesamt 35 Millionen Euro an EU-Geldern für den Bau neuer Windparks erhalten.
Erneuerbare Energie ist aber nur einer der Schwerpunkte, die die EU mit ihren Fördermitteln setzt. Ein anderer ist der öffentliche Verkehr. Die
ÖBB hat mit 100 Millionen Euro aus dem EU-Programm die in Österreich bisher größte Tranche abgeholt. Das Geld fließt in die „Cityjet Regional“. 70 Millionen Euro flossen an den steirischen AVL-Konzern für Elektroantriebs-Testsysteme.