Politik/Inland

Julia Herr: "Mit Faymann ist eine Wende nicht möglich"

Die Aufregung über den Ausgang der Wien-Wahl ist verklungen, doch parteiinterne Gespräche halten an. Wie der KURIER ausführlich berichtete, konnte sich die Wiener SPÖ trotz Minus und medialer Hyperventilation gegen die anderen Parteien durchsetzen. Doch ausruhen dürfen sich die Roten nicht, so der einhellige Tenor von Parteigenossen, das Image der SPÖ sei angeschlagen.

Im KURIER-Gespräch geht Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, mit der Bundes-SPÖ härter ins Gericht und fordert inhaltliche und personelle Veränderungen.

KURIER: Frau Herr, die SPÖ Wien ist zwar an erster Stelle, hat aber auch einen Stimmenverlust hinnehmen müssen. Haben Sie damit gerechnet?

Julia Herr: Ehrlich gesagt, habe ich mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet. Ich verstehe deshalb auch die Freude vieler SPÖ-Funktionäre, die dieses Resultat als Erfolg interpretieren.

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Bild: Für Julia Herr war die Haltung von Michael Häupl ausschlaggebend für den Ausgang der Wien-Wahl.

Wegen des Abstands zur FPÖ wird das geringere Minus in einen Sieg umgemünzt. Macht man sich nicht selbst etwas vor?

Die SPÖ Wien ist klar vor der FPÖ. Von einem Sieg zu sprechen, ist aber mit Sicherheit falsch. Die Freiheitlichen haben dazugewonnen, weil sie es geschafft haben, den berechtigten Protest der Bevölkerung, zum Beispiel wegen der hohen Arbeitslosigkeit, hinter sich zu bringen. Viele ehemalige SPÖ-Wähler haben für die Blauen gestimmt oder sind überhaupt von der Wahl ferngeblieben. Das ist ein fatales Zeichen.

Woran liegt das? Hat die SPÖ an Vertrauen verloren?

Teilweise hat sie sicher an Glaubwürdigkeit verloren. Michael Häupl hat aber in seinem Wahlkampf trotzdem Haltung gezeigt und hatte vor allem in der Asylfrage ein klares Profil. So etwas schätzen die Wähler, wenn man zu einer Position steht und nicht kurz vor Wahlen umschwenkt.

Der kontinuierliche Weg nach unten scheint aber nicht zu enden.

Ja. In der derzeitigen Lage kann man nichts mehr beschönigen. Bei 18 der 20 vergangenen Wahlen unter Werner Faymann musste die SPÖ Verluste hinnehmen und trotzdem ist in der Partei alles beim Alten geblieben: der Stil, der Kurs, die Struktur, das Personal.

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Bild: Michael Häupl konnte Heinz-Christian Strache hinter sich lassen.

Gibt es in der SPÖ keine Strategie, um den Vertrauensverlust zu verhindern?

Es gäbe sie schon, sie wird nur nicht angewendet. Was in Wien einigermaßen geklappt hat - durch eine klare Haltung den Abstand zu den Freiheitlichen nicht allzu klein werden zu lassen -, vermisse ich auf Bundesebene. Sämtliche Umfragen sehen die FPÖ mit Heinz-Christian Strache vor der SPÖ.

Schon seit jeher fordert die Sozialistische Jugend einen Kurswechsel der SPÖ. Doch geklappt hat es offenbar nicht.

Nein, das stimmt. Eine strukturelle, inhaltliche und personelle Wende findet derzeit nicht statt. Dabei kann man gerade in Großbritannien sehen, was möglich wäre. Die Labour-Partei hat nach den Wahlschlappen nach ihrer Identität gesucht. Und plötzlich konnten neben den Parteimitgliedern auch eingetragene Unterstützer sowie Mitglieder von Labour nahestehenden Gewerkschaften mitbestimmen, wer ihr nächster Vorsitzender sein soll.

Geworden ist es Jeremy Corbyn, der zum linken Flügel der Partei gehört und nicht für jeden die beste Wahl ist.

Es zeigt sich aber, dass sich die Partei nach der Sinnkrise geöffnet hat. Das fordern wir auch von der SPÖ. Wenn sich die Strukturen ändern, ist es auch möglich, dass sich der Inhalt ändert und neue Akzente gesetzt werden, womit das Vertrauen der Menschen wieder zurückgewonnen werden kann.

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Bild: Mit Werner Faymann werde es keine inhaltliche Wende geben, sagt Julia Herr.

Sie sprachen das SPÖ-Personal an. Was sollte sich denn personell ändern?

Die Partei muss auf alle Fälle demokratisiert werden. Und wenn das gelingen sollte, wenn eine inhaltliche Wende bei der Bildungsreform, am Arbeitsmarkt oder Wohnbau erkennbar ist, unterstützen wir den Bundesvorsitzenden. Aber, um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass das mit Werner Faymann möglich ist.

Haben Sie die Hoffnung schon aufgegeben, dass sich etwas ändert?

Nein. Aufgegeben ist das falsche Wort. Aber wenn es die Bundes-SPÖ nicht schafft, Arbeiter von der Sozialdemokratie zu überzeugen, wird der Abwärtstrend weiter anhalten und die SPÖ wird sich selbst abschaffen.

Auf der Plattform wirwollenmehr.at fordern zahlreiche SPÖ-Mitglieder nicht nur die Erneuerung in der Partei, sondern auch den Rücktritt von Werner Faymann. Haben Sie auch unterschrieben?

Nein, unterschrieben habe ich noch nicht. Aber ich habe bereits vor einem Jahr am Bundesparteitag gesagt, dass Faymann meine Stimme nicht mehr bekommen wird und dabei bleibe ich auch weiterhin.

Julia Herr: Im Mai 2014 wurde die Burgenländerin zur Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend (SJ) gewählt und trat damit die Nachfolge von Wolfgang Moitzi an. Die 22-jährige Soziologiestudentin ist die erste Frau an der Spitze der 1894 gegründeten Organisation.