Politik/Inland

Irmgard Griss: "Ach, ich soll ja was zur Wahl sagen"

Die Frau, die Bundespräsidentin werden will, steht zwischen meterhohen Glasröhren und erlaubt sich jetzt einfach zu staunen. Sie schaut auf die Luftblasen, die in grünen Glaszylindern nach oben irren. Sie hört auf das Klackern und Zischen, das in dem riesigen Glashaus zu hören ist. Und nachdem ihr ein Techniker alle Finessen erklärte, die in dem an ein Raumschiff erinnernden Algen-Reaktor zum Einsatz kommen, kann Irmgard Griss nicht anders, als zu frohlocken: "Das ist das Schöne an meiner Aufgabe: Dass ich Menschen treffe, die mit Begeisterung einer spannenden Tätigkeit nachgehen."

Irmgard Griss, frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Präsidentschaftskandidatin, ist also auf Tour, und mit der "Aufgabe" meint sie ihren Intensiv-Wahlkampf, der am Montag offiziell begonnen hat.

Sammelpflicht

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Seit gestern gilt für die gebürtige Steirerin, was für alle gilt, die das höchste Amt im Staate wollen:Sie müssen 6000 Unterschriften sammeln.

Als Parteiunabhängige kämpft Griss anders als von etablierten Kräften nominierte Kandidaten – Budget und Mitarbeiter-Stab sind überschaubarer. Auf klassische Betriebsbesuche will oder kann die Parteifreie trotzdem nicht verzichten. So könne man selbst Inhalte setzen, heißt es in ihrem Stab. Und weil Nachhaltigkeit ein Thema ist, das der früheren Höchstrichterin "immer ein Anliegen war" – sie hat Fotovoltaik am Dach, eine Tiefenbohrung unterm Haus und geht fast alles zu Fuß" – ist Griss jetzt im Algen-Reaktor.

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Die klassische Politik, scheint es, ist dabei weit weg: Die Geschäftsführer und Techniker plaudern mit Griss über Omega3-Fettsäuren und die Wichtigkeit eines guten Betriebsklimas. Griss findet das spannend, steht nickend mit einem "Mhmm" auf den Lippen daneben – und vergisst mitunter ihre Rolle. "Ach, ich soll ja was zum Wahlkampf sagen", sagt sie erst beim Abschied. "Wir müssen 6000 Unterschriften sammeln. Das ist eine ziemliche Hürde, und wir würden uns freuen, wenn sie uns dabei unterstützen können."

Griss’ Mitarbeiterinnen haben Unterstützungserklärungen mitgebracht. Aber wer an dieser Stelle mit einem euphorischen "Meine Stimme haben Sie!" rechnet, der irrt: Freundliche Zustimmung und Sympathie? Das ja. Aber mehr ist noch nicht.

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Im Büro des Brucker Energieparks entspinnt sich bei Mohnbeugerl und Kaffee ob der Energie-Politik dann doch noch eine intensive Debatte. Es geht um Ungarn, die Energie-Politik – und warum Österreich immer Musterschüler sein soll. "Während wir uns um Öko-Energie bemühen, machen manche Nachbarn genau das Gegenteil", ärgert sich ein Mitarbeiter des Energieparks. "Da fragt man sich schon: Warum soll ich nicht auch weiter Öl verbrennen?"

Es sind Situationen wie diese, in denen in Griss Leidenschaft erwacht, und in denen ihre Sprache eine Idee ins Steirische kippt: "Also das wäre doch wirklich – sie entschuldigen den Ausdruck – saudumm, wenn sie etwas falsch machen, nur weil es die anderen auch tun. Unser Motto muss sein: Selber die Dinge gut machen, Vorbild sein!"

Und dann kommt, direkt und ohne Hemmung die Frage eines Mitarbeiters: "Aber warum soll ich bei Ihnen mein Kreuz machen, Frau Griss? Warum Sie unterstützen?"

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Die Kandidatin hat auf diese Frage gewartet, nimmt das Hölzel dankbar auf: "Weil wir die Probleme wieder sachlich ansprechen müssen. Und weil wir den Parteien sagen müssen: Vergesst das Parteien-Hick-Hack, das bringt doch nichts."

Als sie das sagt, erntet Griss mehr als freundliches Lächeln. Sie bekommt zustimmendes Nicken – von allen.