Infektiologe Wenisch kritisiert FPÖ-Politiker: "Totaler Blödsinn"
Impfen, oder nicht? Diese Frage ist in Österreich auch zum Politikum geworden. Zahlreich sind inzwischen die Wortmeldungen von FPÖ-Politikern, die Skeptikern und Gegnern nach dem Mund reden.
Mit ungewohnter Schärfe hat der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch Dienstagabend nun auf die Aussagen von FPÖ-Chef Herbert Kickl reagiert. Kickl hatte gemeint, er habe "ein intaktes Immunsystem, das mache die Menschen stark gegen das Virus mit all den Mutationen, die von irgendwelchen Leuten entdeckt worden sind".
Im ORF-Report wies der bekannte Leiter der Covid-Intensivstation im Spital Favoriten die Freiheitlichen in die Schranken. "Ein Politiker ist ein Politiker, und ein Arzt ist Arzt", reagierte Wenisch darauf. Kickl sollte sich "nicht in medizinische Kontexte hineinverlieren". "Das ist ein totaler Blödsinn. Das ist so was von widerlegt und falsch", sagte Wenisch, der den Namen Kickl allerdings nicht in den Mund nahm."
Für ihn sei das eine rein politische Aussage, die er nicht kommentieren könne, weil er kein Politiker sei. Aber: "Wenn er bei mir ein Student wäre, würde er einen Fünfer kriegen."
Kritik kam auch von der ÖVP. Ministerin Elisabeth Köstinger warf den Freiheitlichen vor, sich mit ihrer impfkritischen Haltung ins "Eck der Corona-Leugner" zu stellen.
"Anti-Impf-Propaganda"
"Ohne die Anti-Impf-Propaganda der FPÖ wäre die Impfquote in Österreich höher und wir könnten weitere Lockerungsschritte - wie etwa in Dänemark - durchführen", sagte Landwirtschaftsministerin Köstinger in einem Statement zur APA. Vernunft und Wissenschaft seien bei der FPÖ-Spitze offenbar keine politischen Kategorien mehr. "Mit einer höheren Impfquote könnten wir die Pandemie in Österreich in wenigen Wochen beenden", so Köstinger. "Die Freiheitlichen gefährden mit ihrer Propaganda die Gesundheit tausender Menschen. Sie stellen sich damit politisch ins Eck der Corona-Leugner."
Gemeinsames Ziel aller politischen Kräfte im Land müsse sein, die Impfquote zu erhöhen, "um Inzidenzzahlen und Hospitalisierungen zu reduzieren". Die Wirksamkeit und Schutzfunktion von Impfungen sei hinlänglich belegt, die FPÖ verbreitet hier "wider besseren Wissens Fake-News und verunsichert damit Menschen, für die eine Impfung dringend notwendig wäre", so die Ministerin. Kickl riskiere damit Menschenleben, Arbeitsplätze und verlängere die Pandemie.
Wenisch nutzte seinen Auftritt im ORF-Report für einen eindringlichen Impfappell. "Ich bin mittlerweile sehr betroffen, weil wir einfach so viele Menschen verloren haben." Er selbst habe auch die Sicherheit seiner Mitarbeiter zu verantworten. Durch Long-Covid-Erkrankungen in seinem Team habe er mittlerweile auch Dienstplanprobleme. "Wir machen keine Urlaube. Wir machen den ganzen Sommer durch. Oder verschlafen den Sommer, was ja auch politisch ein Thema ist", spielte Wenisch etwa auf die jüngste Diskussion zum Schulstart an.
Die Frage nach der Impfung ist für ihn apolitisch. "Jeder soll sich selbst überlegen, was er tun kann, um weitere Fälle zu vermeiden."
Im EU-Vergleich ist Österreich in Sachen Impffortschritt mittlerweile ins Hintertreffen geraten. Knapp unter 62,8 Prozent der Gesamtbevölkerung haben hierzulande zumindest eine Impfung erhalten. Damit liegt man deutlich unter dem EU-Schnitt von 65,9 Prozent und im Hinterfeld der westeuropäischen Staaten.