"In der türkischen Community herrscht Panik"
Von Maria Kern
Wie viele betroffen sind, weiß niemand genau. Berivan Aslan, die grüne Nationalratsabgeordnete mit türkisch-kurdischen Wurzeln, meint aber, "dass es sicher mehr als 10.000 Menschen sind".
Die Rede ist von jenen Personen, die widerrechtlich die österreichische und die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Seit Tagen wird ja bereits über die Frage debattiert, wie man mit diesen illegalen Doppelstaatsbürgern umgehen soll. In Österreich ist es grundsätzlich nicht erlaubt, zwei Pässe zu haben.
"Verstärkt kontrollieren", lautete bis dato die häufigste Antwort von Politikern unterschiedlicher Couleur.
Die Regierung will sich noch nicht festlegen. Sie hat gestern kundgetan, nun durch Experten prüfen zu lassen, ob legistische Änderungen nötig sind.
Und wie sehen die Betroffenen die Sache?
"In der türkisch-stämmigen Community herrscht Panikstimmung. Fast täglich schreiben mich Leute an und fragen mich, was sie tun sollen", schildert Aslan dem KURIER. Auch bei Besuchen in diversen Migrantenvereinen sei sie in jüngster Zeit laufend mit dieser Sache konfrontiert worden. "Vielen Menschen ist bisher nicht bewusst gewesen, dass es nicht rechtskonform ist, beide Staatsbürgerschaften zu besitzen. Manche dachten auch, dass es nicht so streng gesehen wird. Viele, die vollkommen in Österreich integriert sind, haben jetzt Angst, dass sie die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie sich bei den Behörden melden."
"Ad-hoc-Maßnahme"
Aslan schlägt daher als "Ad-hoc-Maßnahme" eine "Toleranz-Klausel" vor, also eine Art Amnestie-Regelung. "Betroffene sollen die österreichische Staatsbürgerschaft behalten dürfen, wenn sie sich innerhalb einer Frist, zum Beispiel innerhalb von sechs Monaten, bei der Behörde melden und die türkische Staatsbürgerschaft zurücklegen", erläutert Aslan ihre Idee.
Auf längere Sicht gesehen, sollte das Staatsbürgerschaftsrecht dahingehend geändert werden, dass man "zumindest jenen Menschen eine Doppelstaatsbürgerschaft ermöglicht, die hier geboren bzw. aufgewachsen sind", meint die Juristin, die diesen Vorschlag auch der Regierung nahelegen will. Aslan betonte gegenüber dem KURIER, dass dieser Vorschlag ihre persönliche Position sei, also keine Forderung ihrer Partei.
Warum sind zwei Staatsbürgerschaften nötig?
Aslan sagt, es gebe beispielsweise "viele Türken, die im Alter wieder in die Türkei zurückgehen wollen. Es gibt aber auch junge Leute, die in Österreich studiert haben und in der Türkei arbeiten." Da sei eine Doppelstaatsbürgerschaft sinnvoll.
Auch Aslans Parteikollegin Alev Korun plädiert dafür zwei Staatsbürgerschaften "generell zu erlauben. Der Trend geht international in diese Richtung, weil viele Menschen heutzutage Verbindungen in verschiedene Länder haben." Korun, gebürtige Türkin mit österreichischem Pass, verweist auf Deutschland, wo Doppelstaatsbürgerschaften möglich sind. Auch in Österreich gebe es legal solche Fälle (siehe auch unten). So bekommt etwa ein hierzulande ehelich geborenes Kind, das einen österreichischen und beispielsweise einen deutschen Elternteil hat, beide Staatsbürgerschaften. Und dass auch Promis zwei Pässe besitzen dürfen, ist hinlänglich bekannt. Korun verweist etwa auf Arnold Schwarzenegger, der ja längst US-Bürger ist. "Da versteht jeder, dass er Österreicher bleiben wollte und durfte." Das sollte aber nicht nur für Menschen aus der Rubrik "Reich & Schön" gelten.
Die aktuelle Gesetzeslage sieht so aus: Wenn man eine fremde Staatsbürgerschaft annimmt, verliert man automatisch die österreichische. Zwei Pässe sind in gewissen Fällen dennoch erlaubt. So bekommt z.B. ein hierzulande ehelich geborenes Kind, dessen Vater Österreicher ist und dessen Mutter eine andere Staatsbürgerschaft hat, auch die österreichische. Zwei Staatsbürgerschaften werden auch bewilligt, wenn sie im Interesse des Landes sind (Promis) oder der Antragsteller besondere Gründe vorweisen kann. Eine Statistik über die Zahl der legalen Doppelstaatsbürger gibt es nicht.