Politik/Inland

Im Netz tummeln sich Heckenschützen

Sebastian Kurz kann viele Gestalten annehmen, wenn es nach den Machern der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" geht: Mal ist sein Gesicht auf einen Papagei gepflanzt, mal auf den Körper eines von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel im Arm gehaltenen Babys, mal auf einen Fahrschüler des schwarzen Ex-Chefs.

Ein paar Klicks weiter, in einer nachgestellten WhatsApp-Unterhaltung, wird er als Grasser-Kopie und Schüssel-Marionette dargestellt. Gesehen haben dieses Video bis dato 700.000 Menschen, gefallen tut es Tausenden. Einer Kommentatorin nicht: "Gibt’s denn keine Gruppe ,Die Wahrheit über Alfred Gusenbauer‘?", postet sie unter das Video.

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Das gibt's nicht, aber eine sehr ähnliche: nämlich "Die Wahrheit über Christian Kern". Dort wird der Kanzler wie auf anderen Seiten – etwa bei "den kritischen Sozialdemokraten" und "SPÖ-Watch" – heftig attackiert. Kerns Wiener Genossen werden dafür bei "Fass ohne Boden" kräftig eingetunkt. Und "Die 95 Prozent" haben Kurz, die FPÖ und die Neos im Visier sowie Tausende Facebook-Fans hinter sich.

Zahlen für Postings

Eine Kampagne gegen Kurz verfolgen auch die "Freunde der Wahrheit", eine Seite mit rund 7000 Facebook-Fans und hundertfach geteilten Postings. Noch gefinkelter: "Wir für Sebastian Kurz". Die reichweitenstarke Facebook-Seite macht den Anschein, den ÖVP-Chef zu unterstützen – in der ÖVP vermutet man allerdings, dass die Seite Kurz schaden soll. Nicht selten wird für die Bewerbung der professionell gestalteten Seiten auch ordentlich Geld in die Hand genommen: So überweist etwa "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" einiges an das Soziale Netzwerk, damit möglichst viele FPÖ-Fans ihre Beiträge sehen.

Die "Freunde der Wahrheit" adressierten ihre Postings für Geld an Neos-Fans – auch andere genannte Seiten "sponsern" eifrig, um einzelne Zielgruppen zu erreichen.

Das Heikle an der Sache: Wer dahinter steckt, ist meist nicht zu eruieren – Facebook verrät nichts über die Identität der Seitenbetreiber.

Wer die Meinungsmacher anschreibt, bekommt allerhöchstens ausweichende Antworten. Aus den vorhin genannten Kampagnen-Seiten, die nur einen kleinen Auszug derartiger Initiativen darstellen, sind lediglich bei zweien die Betreiberverhältnisse relativ klar: So wird "Fass ohne Boden" etwa von einem Ex-Pressesprecher des ÖVP-Wirtschaftsbundes betrieben. Die linke Seite "Die 95 Prozent" hingegen stammt laut Vereinsregister auch aus der Feder einer ehemaligen ORF-Journalistin.

"Das anonyme Anpatzen", sagt Politikberater Thomas Hofer zum KURIER, "wird zunehmend zum Problem".

Die Anonymität auf Facebook lade dazu ein, scharfe Geschütze aufzufahren – schließlich biete "das asoziale Netzwerk bisher nicht da gewesene Möglichkeiten, mit riesiger Reichweite Dirty Campaigning zu betreiben", erklärt der Experte.

Dass hie und da Parteien dahinterstecken, sei zwar nicht nachzuweisen – aber auch nicht auszuschließen. "Die Verlockung wäre jedenfalls groß, anonym zu derlei Mitteln zu greifen". Wer auch immer sie betreibt: Die Seiten vergiften das politische Klima.

Und eines ist laut Hofer fix: "Kleiner wird dieses Problem nicht."