Im Endspurt zum Ja zu CETA lauern neue Fallstricke
SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern weht im Endspurt für das Freihandelsabkommen CETA ein strenger Wind entgegen: Erst wird die Zusatzvereinbarung, die er Anfang der Woche in Straßburg bei EU-Kommissar Jean-Claude Juncker abgeholt hat, als "Beipackzettel" verschmäht, dann signalisiert der rot dominierte Gewerkschaftsbund weiter hin große Skepsis. Zudem gibt es eine Petition mit rund 190.000 Unterzeichnern und einen offenen Brief von 120 europäischen und kanadischen Organisationen, die den Kanzler auffordern, gegen CETA zu stimmen.
Und jetzt droht auch noch einer der Hofburg-Kandidaten, das Abkommen platzen zu lassen, sollte er im nächsten Jahr dort sitzen. "Als Präsident werde ich das Abkommen ohne Volksvotum nicht unterzeichnen", kündigt Norbert Hofer an.
Präsident entscheidet
Der Bundespräsident kann sich in diesem Fall tatsächlich theoretisch gegen die Parlamentsmehrheit stellen. Damit ein völkerrechtlicher Vertrag zustande kommt, ist seine Ratifizierung erforderlich, erklärt Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Bislang hat das praktischen noch kein einziger Bundespräsident gemacht. Mögliche Bedenken wurden im Vorfeld informell ausgeräumt. Hofers Drohung fällt für Verfassungsrechzler Funk daher unter dessen viel zitierten Sager: "Sie werden sich noch wundern, was alles geht", fällt.
Der große Teil des Vertrages zwischen der EU und Kanada geht freilich nicht über den Schreibtisch in der Hofburg, wohl aber jene Teile, die etwa die Frage der Schiedsgerichte betreffen.
Funk hätte als Jurist mit einer Volksabstimmung keine Freude: "Ein Präsident muss seine Entscheidung selbst verantworten. Was er macht, ist eine politische Aktion, juristisch ist das aber völlig unerheblich."
Dass Hofer mit den Stimmen der CETA-Gegner spekuliert, war abzusehen. Seit Wochen trommelt er medial und via sozialer Netzwerke, ein Volksvotum müsse her.
VdB: "Sorgsam prüfen"
Mitbewerber Alexander Van der Bellen bleibt auch in Sachen CETA abwägend präsidentiell und sagt zum KURIER: "Ich appelliere an die Regierung und das Parlament, die Bedenken ernst zu nehmen. Als Bundespräsident werde ich sorgsam prüfen, ob die Kritikpunkte zufriedenstellend ausgeräumt sind."
Bis kommenden Mittwoch muss ein gemeinsamer Regierungsbeschluss stehen, mit dem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am 18. Oktober zum EU-Handelsministerrat nach Luxemburg reist. Doch zuvor muss sich Kern noch dem SPÖ-Präsidium und den skeptischen SPÖ-Gewerkschaftern stellen.
Eine ÖGB-Mitarbeiterin hielt in einem Rundmail an alle Ministerien fest, Teile des Vertrages nach wie vor dezidiert abzulehnen. Freitagnachmittag relativierte Bernhard Achitz, leitender Sekretär des ÖGB: "Diese Position ist nicht endgültig. Wir holen noch weitere Stellungnahmen von Experten ein, bevor wir eine endgültige politische Bewertung machen."