Hypo: "Weisenrat kein Ersatz für U-Ausschuss"
Wer ist verantwortlich für das Milliarden-Debakel rund um die Hypo Alpe-Adria? War die Verstaatlichung unumgänglich? Hat die Politik seither die nötigen Schritte gesetzt?
Unzählige Fragen drängen sich zum Thema Hypo auf. Wer soll sie beantworten? Wer soll den Mega-Komplex durchleuchten?
Daraus wird vorerst nichts, SPÖ und ÖVP stimmten dagegen. Nur SPÖ-Mandatarin Daniela Holzinger stellte sich wieder gegen die Parteilinie und verließ bei der Abstimmung den Saal – "Ich werde niemals gegen einen U-Ausschuss stimmen", sagte sie zur APA.Kanzler Werner Faymann verwies auf den U-Ausschuss in Kärnten, der einen 700-Seiten-Bericht hervorgebracht habe. Zudem seien Gerichtsverfahren zur Hypo anhängig.
Weisen-Suche
Zur Besetzung des Expertengremiums sagte Faymann "alle politischen Parteien sollen eingebunden werden". Den Rahmen solle Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny bestimmen, der den Weisenrat ja via KURIER vorgeschlagen hatte. Spindelegger betonte, er habe "keine Liste von Persönlichkeiten, sonst gibt es gleich den Verdacht, dass wir jemanden auswählen, der das besonders günstig betrachtet. Ich bin da offen für Vorschläge."
Einen solchen hat OeNB-Chef Nowotny parat. Österreich solle sich an Irland orientieren. Dort wurde der aus dem Internationalen Währungsfonds kommende Finne Peter Nyberg engagiert, um die Bankenpleite aufzuarbeiten. Der Experte war auch in der finnischen Nationalbank tätig. "Ein Mann von diesem Kaliber wäre wünschenswert", hieß es in der OeNB.
Nyberg dürfte auch den Vorstellungen von Kathrin Stainer-Hämmerle entsprechen. Die Politologin hatte der Regierung zu einem internationalen Experten-Gremium geraten. Am Dienstag sagte sie, wichtig sei, dass der Weisenrat "ausgewogen" besetzt werde. "Ein Experte ist per se auch nicht immer objektiv."
Der Grüne Werner Kogler will keine Namen für potenzielle Weise nennen: "Ein Weisenrat, der einen U-Ausschuss ersetzen soll, ist eine politische Bankrott-Erklärung." Die Regierung wolle mit dem Vorschlag "nur Druck aus der öffentlichen Diskussion rausnehmen". Aber es sei "denkunmöglich, dass kein U-Ausschuss kommt".
Kopf-Schelte
Nicht ganz so scharf, aber ebenfalls kritisch beurteilt der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) die Debatte: "Ein Weisenrat kann ein taugliches Instrument der Regierung sein, um den Sachverhalt aufzuarbeiten, aber er ist kein Ersatz für einen U-Ausschuss des Parlaments." Er sei skeptisch, ob ein solcher Sinn mache, aber er wolle diese Frage "zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantworten. Vorerst geht es um die Problemlösung, mit der das Finanzministerium befasst ist." Über Ja oder Nein zu einem U-Ausschuss entscheide allein das Parlament, dieses Kontrollinstrument der Legislative gegenüber der Regierung einzusetzen, sei das alleinige Recht der Abgeordneten, betont Kopf im KURIER-Gespräch. Auch Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler stellt klar, ein Weisenrat könne keinen U-Ausschuss ersetzen: "Politische Aufklärung ist Sache des Parlaments."
Weisenrat
Wie ein Weisenrat zusammengesetzt wird und was er untersucht, ist nirgends festgeschrieben. Die Initiatoren legen den Rahmen fest. Weisenräte gab es schon mehrfach. In den 1980er-Jahren etwa hat die Regierung eine internationale Historiker-Kommission zur Aufklärung der Waldheim-Affäre eingesetzt. Im Jahr 2000 wurde ein dreiköpfiger EU-Weisenrat aktiv, um den Konflikt um die EU-Sanktionen gegen Österreich (anlässlich der FPÖ-Regierungsbeteiligung) beizulegen.
Untersuchungsausschuss
Der Nationalrat kann mit einfacher Mehrheit einen U-Ausschuss einsetzen. Dieser darf von Behörden Akten anfordern und Zeugen befragen, die unter Wahrheitspflicht aussagen müssen. In der Zweiten Republik hat das Parlament bisher 19 Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Dazu gehörten in den 80er-Jahren Lucona und Noricum, 2006 der Eurofighter-Ausschuss und zuletzt jener, in dem Korruptionsfälle bei Telekom und BUWOG untersucht wurden. Einen Banken-Ausschuss gab es 2006/2007.
Die Hypo Alpe Adria in die Insolvenz zu schicken, würde den Steuerzahler mindestens 10 Milliarden Euro kosten. Zu diesem Schluss kommen drei unabhängige Berechnungen der Bank selber, von österreichischen und von internationalen Experten, hieß es am Mittwoch aus einer mit den Zahlen vertrauten Quelle zur APA. Die Kostenschätzungen reichten bis zu 16 Milliarden Euro.
Die Berechnungen wurden im Vorfeld des Task-Force-Berichts erstellt, der am Montag ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger vorgelegt werden soll. Werden hingegen die faulen Kredite der Bank in eine Abbaueinheit eingebracht (Anstaltslösung), dann dürften die Kosten bei vier Milliarden Euro liegen, hatten zuletzt Bankchef Alexander Picker und der inzwischen zurückgetretene Task-Force-Chef Klaus Liebscher gesagt.
Entscheidung bis Ende März
Spindelegger will bis Ende März die endgültige Entscheidung über die Abwicklung der Hypo treffen. Sollte er der Empfehlung der Task-Force folgen und sich für eine Anstaltslösung entscheiden, bleiben dennoch einige Fragen über deren Ausgestaltung offen. Die Hypo hat eine Bilanzsumme von 26,1 Milliarden Euro (plus 3,5 Milliarden schon erfolgte Wertberichtigungen), davon entfallen 8,3 Milliarden Euro auf die Töchter in Südosteuropa. 13,2 Milliarden Euro sind Kredite, der Rest Anlagevermögen, liquide Mittel und anderes.
Gerade beim "Rest" ist zu entscheiden, was in die Eröffnungsbilanz einer Anstalt käme. Je größer diese Bilanz, desto stärker wird die Staatsverschuldung aufgebläht. Andererseits können dort Verpflichtungen flexibler abgebaut werden - etwa auch die Forderungen der früheren Mutter BayernLB.
Wäre realisiert worden, was Rot und Schwarz 2009 versprochen haben, würde jetzt nicht über einen Hypo-U-Ausschuss debattiert. Es gäbe ihn – weil sich die Regierungsparteien vor vier Jahren dafür ausgesprochen haben, ihn zum Minderheitenrecht zu machen. Die Opposition verlangt das ja. Derzeit muss er von einer Parlamentsmehrheit beschlossen werden; diese haben nur SPÖ und ÖVP.
Nun drängen nicht nur Grüne & Co. erneut darauf, das Procedere im Kontrollgremium zu ändern. Auch Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol ist dafür. Sein Vorschlag: "Die berufliche Immunität der Abgeordneten ist sinnvoll. Man sollte aber darüber nachdenken, ob die Abgeordneten in Ausschüssen wie etwa dem Untersuchungsausschuss weiter immun sein müssen. Fragen kann man ja nach wie vor alles, was man will." Seien sie nicht mehr immun, würden sich "die teils rufschädigenden, beleidigenden und falschen Behauptungen, die Abgeordnete im Schutze der Immunität in den Raum stellen, aufhören."
Für den Zweiten Nationalratspräsidenten ist ebenfalls vorstellbar, die U-Ausschuss-Mandatare zu entimmunisieren. "Selbstverständlich ist die Waffenungleichheit zwischen denen, die als Zeugen der Wahrheit verpflichtet sind, und den Abgeordneten, die unter dem Schutz der Immunität stehen, ein Problem", sagt Karlheinz Kopf dem KURIER.
Selbst Wolfgang Brandstetter sagt: "Als Justizminister will ich dem Parlament keine Ratschläge geben. Der Vorwurf, dass unter dem Deckmantel der Immunität Verleumdungen begangen wurden, macht mich aber betroffen. Ich kann verstehen, wenn man die Immunität als Anachronismus empfindet."
Mit nicht-immunen Mandataren ist es für Kopf und Khol nicht getan. "Das Instrument U-Ausschuss wurde derart ruiniert, dass eine Gesamt-Reform her muss", sagt Khol. So sollte dem Gremium nicht mehr ein Abgeordneter, sondern – wie in Tirols Landtag – ein pensionierter Richter vorsitzen. Kopf hingegen möchte, dass auch künftig ein Mandatar einen U-Ausschuss führt. "Seine Rolle muss aber gestärkt werden, ebenso jene des Verfahrensanwalts. Er muss stärker eingreifen können." Eines dürfe es nicht mehr geben: "Dass ein U-Ausschuss Ersatz-Staatsanwaltschaft spielt. Im Parlament geht es um politische Verantwortung, nicht um Strafrecht." Wie hält er es mit dem Minderheitenrecht? "Ich stehe zu meinem Wort aus dem Jahr 2009."