Hofer und Van der Bellen zu Trump und EU-Armee
Asyl-Causa: Ist aus Ihrer Sicht heuer noch eine Notverordnung nötig, mit der es „Grenze dicht“ für Flüchtlinge heißt, wenn die festgelegte Obergrenze erreicht ist?
Alexander Van der Bellen: Noch ist die Obergrenze nicht erreicht. Grundsätzlich ist wichtig, dass wir zwischen Schutzsuchenden und Arbeitsmigranten unterscheiden. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen, haben wegen der Rekordarbeitslosigkeit keine Chance auf Aufnahme. Jenen, die vor Krieg/Verfolgung flüchten, müssen wir Schutz geben.
Norbert Hofer: Die in der Notverordnung festgesetzten Maßnahmen werden wohl noch heuer zum Tragen kommen. Ich halte fest, dass die Berechnungsmethode, wonach nur jene Menschen gezählt werden, die zum Asylverfahren zugelassen werden, irreführend ist. Die Zahl der in Österreich neu ankommenden Personen ist höher.
Mindestsicherung: Sind Sie für eine Obergrenze für den Bezug dieser Sozialleistung – und eine Wartefrist, bis man sie in voller Höhe bekommt?
Hofer: Ich bin für eine Obergrenze und eine Wartefrist. Für Zuwanderer soll erst nach einer Berufstätigkeit von 5 Jahren Anspruch auf Mindestsicherung oder Kindergeld vorhanden sein. Asylberechtigte sollen keine Mindestsicherung erhalten, sondern wie Asylwerber in der Grundversorgung bleiben, bis sie einen Arbeitsplatz haben.
Van der Bellen: Regierung und Länder bieten leider kein homogenes Bild in dieser Frage. Gerade wenn es darum geht, auf jene zu schauen, denen es nicht so gut geht, ist die Politik doppelt gefordert, konstruktiv an vernünftigen Lösungen zu arbeiten. Die Details über eine Neuregelung der Mindestsicherung hat die Regierung zu verhandeln.
Sind Sie für eine europäische Armee, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anregt, damit Europa selbst für seine Sicherheit sorgen kann?
Van der Bellen: Stärkung der gemeinsamen Außenpolitik in Europa ist Gebot der Stunde. Verstärkte Abstimmung der Streitkräfte ist sinnvoll, wenn Friedenserhaltung Priorität hat. Beibehaltung der Neutralität muss sichergestellt sein. Teilnahme des Heers an EU-Armee ist mit der Neutralität unvereinbar, Friedensmissionen haben sich bewährt.
Hofer: Ich lehne eine Juncker-Armee ab. Eine verbesserte Sicherheitspolitik in der EU bedarf einer klaren Definition und muss mit Bedacht diskutiert werden. Ein Einsatz österreichischer Soldaten ist nur unter UNO-Mandat und für humanitäre Aufgaben möglich. Eine Koordination der Armeen der EU-Mitgliedsländer ist aber erforderlich.
Empfinden Sie den neuen US-Präsidenten, den Republikaner Donald Trump, als eine Gefahr für die Europäische Union?
Hofer: Nein, eine Gefahr für die Europäische Union sind jene Menschen, die gültige demokratische Wahlergebnisse als Schock bezeichnen und den gewählten Präsidenten der USA wüst beschimpfen. In Österreich hängen 50.000 Arbeitsplätze vom Fortsetzen der guten Beziehungen zu den USA ab.
Van der Bellen: Ich hoffe nicht, aber das kommt auch darauf an, welchen Kurs er einschlägt. Wenn er z.B. das NAFTA-Handelsabkommen aufkündigt, hat das Auswirkungen auf Europa und Österreich. Europäische Autofirmen produzieren in Mexiko für den amerikanischen Markt. Das betrifft auch Zulieferindustrie in Österreich, damit Arbeitsplätze.
Sollen die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei wegen der dortigen politischen Entwicklungen abgebrochen werden?
Van der Bellen: Die Türkei entfernt sich leider immer mehr von Europa, Werten, Rechtsstaatlichkeit. Verhaftung von Oppositionsabgeordneten, Zusperren von Medien, Einschränkung der Pressefreiheit sind Grund zu höchster Besorgnis. Ein Beitritt ist in weite Ferne gerückt. Ungeachtet dessen sollte Europa im Gespräch mit diesem wichtigen Nachbarn bleiben.
Hofer: Ja, das habe ich schon vor Monaten klargemacht. Mein Mitbewerber hat die gegenteilige Meinung vertreten. Die EU würde an einer Türkei-Mitgliedschaft zerbrechen. Das muss jedem verantwortungsvollen Staatsmann klar sein. Unabhängig davon bin ich dafür, neue Beziehungen abseits des Beitrittsversprechens aufzubauen.