TV-Duell: Der Kuschel-Wahlkampf ist vorbei
Von Ida Metzger
Zwei Wochen vor der Stichwahl am 22. Mai ist das Duell Blau gegen Grün voll eröffnet. Der bisher softe Wahlkampf zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen gehört der Vergangenheit an. Überraschenderweise war es Van der Bellen, der beim ersten TV-Duell auf Puls 4 die Tonalität gleich in der zweiten Fragerunde verschärfte. Mehr noch: Der Ex-Parteichef der Grünen präsentierte zum Start der TV-Konfrontation neue Facetten. Da war nichts mehr von der üblichen professoralen Zurückhaltung zu spüren. Van der Bellen konterte, war angriffig, und blieb Hofer nichts schuldig. "Sie haben in den letzten Wochen so viel Kreide gefressen, Herr Hofer. Nur sieht man es Ihnen noch nicht an", warf Van der Bellen Hofer beim Thema EU. Hofer konterte: "Herr Doktor, Sie sind heute so böse. Ich weiß gar nicht warum?" Ein anderes untergriffiges Manöver des FPÖ-Kandidaten war, seinen Gegner häufig als "vergesslichen, alten Professor" zu entlarven.
"Sie haben heute zu viel Kaffee getrunken" - die besten Sager
Mediencoach Gerald Groß bewertet die neue Taktik von Van der Bellen als goldrichtig: "Er konnte sogar einige Überraschungsmomente für sich verbuchen. Van der Bellen schaffte es aber nicht, die neue Attitüde bis zum Schluss durchzuhalten. Am Ende wirkte er wieder etwas genervt, als würde er schon lieber eine Zigarette rauchen. Daran muss er bis zum nächsten Duell noch arbeiten."
Dynamischer
Auch Wahlkampf-Experte Stefan Sengl, der die Wahlkampagne von Heinz Fischer 2010 leitete, war von den neuen Auftreten des unabhängigen Kandidaten positiv überrascht. "Van der Bellen wirkte deutlich dynamischer. Er hat seine Konturen auf allen Linien nachgeschärft, indem er die Kernkompetenzen des Amts betont hat und auf die Machtbalance im Land setzte, indem er rasch die Breite seines Unterstützungskomitees unterstreicht."
Wirtschaft im Fokus
Der ehemalige Grünen-Chef betonte, dass er hier den Weg Fischer fortsetzen wolle und bei den Auslandsreisen den Schwerpunkt auf die Wirtschaftsdelegation legen will. "Heinz Fischer hat Aufträge in der Höhe von 2,5 Mrd. hereingeholt. Das sind 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze." Hier muss der Kandidat der Blauen seine Argumentation noch nachschärfen. "Da schwimmt Hofer, das kostet ihn auch Punkte bei Konservativen," sagt Sengl.
Leadership
Auch wenn Van der Bellen in ersten Teil des TV-Duells den einen oder anderen Pluspunkt gegenüber Hofer verbuchen konnte – im zweiten Teil der Diskussionsrunde, wo es um Asylpolitik, TTIP, Werte und Soziales ging, war Hofer stärker. "Der blaue Kandidat hat auch ein gutes Gespür, seine Botschaften zu platzieren. Man merkt, dass er ein Rhetorik-Trainer ist. Es ist wie bei einem Fußballer, es nutzt nichts, nur gut dribbeln zu können, man muss auch Tore schießen. Hofer hat im zweiten Teil Leadership übernommen", bilanziert Groß. Und meint weiter: "Beim Thema Soziales fühlen sich die SPÖ-Wähler bei Hofer besser bedient. Hier hat Van der Bellen zu vielschichtig argumentiert und war zu unklar in den Positionen."
Auch nicht zum seinem Vorteil verwerten konnte der ehemalige Grünen-Chef diffuse Aussagen Hofers rund um den Gedenktag 8. Mai. Hier packte Van der Bellen am Ende wieder die "Nazi-Keule" aus. " Das war kein guter Schachzug, denn hier konnte sich Hofer sehr wirksam als Opfer inszenieren."
Gerald Groß
Der Medientrainer war viele Jahre einer der bekanntesten News-Anchormen im ORF.
Er moderierte als Nachfolger von Robert Hochner die ZiB2. Nach dem Wechsel von Josef Broukal in die Politik übernahm er die Moderation der ZiB 1,
2011 erfolgte der Abschied vom ORF auf eigenen Wunsch und er begann seine Tätigkeit als Mediencoach, Moderator und Autor. 2013 erschien das Buch „Making News“.
Stefan A. Sengl
Ist seit 2000 Partner der Wiener PR-Agentur The Skills Group. In seiner Studienzeit engagierte sich der gebürtige Salzburger in verschiedenen SPÖ-nahen Organisationen wie AKS (Aktion kritischer Schüler_innen) oder dem VSStÖ. Sein Wissen und seine praktische Erfahrung in der politischen Kommunikation brachte Sengl 2010 als Koordinator der Wiederwahl- kampagne für Bundespräsident Heinz Fischer ein.