Koalition: Van der Bellen will Klarheit von Parteichefs, jetzt bittet Kickl zu Gesprächen
Von Christian Böhmer
Nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen in den vergangenen Tagen mit allen Chefs der im Parlament vertretenen Parteien einzeln gesprochen hat, hat er sich Mittwochmittag erklärt.
Er will vorerst keinen Regierungsauftrag erteilen, sondern forderte die Chefs der drei stimmenstärksten Parteien - FPÖ, ÖVP und SPÖ - dazu auf, "verlässlich zu klären, welche Zusammenarbeit vorstellbar wäre".
FPÖ-Chef Herbert Kickl kündigte daraufhin via Presseaussendung an: "Als Bundesparteiobmann der stimmenstärksten Partei und des klaren Wahlsiegers FPÖ werde ich daher jeweils Gesprächstermine mit den Obleuten der zweitplatzierten ÖVP und der drittplatzierten SPÖ koordinieren."
Dass er den Schritt bisher noch nicht gesetzt habe, begründet Kickl mit einer "Rücksichtnahme auf die Usancen im Vorfeld vergangener Regierungsbildungen".
"Übliche Praxis"
Van der Bellen hat bis heute großen Wert darauf gelegt, dass es sich bei den Vier-Augen-Terminen, die er seit Freitag mit den Parteichefs absolviert hat, um reine Höflichkeit handelte - es seien explizit keine Sondierungs- oder gar Koalitionsgespräche.
Dabei wird es auch bleiben.
Denn in seiner rund sechsminütigen Rede sagte der Bundespräsident am Mittwoch, dass er diesmal von der "üblichen Praxis" abgehen wolle.
Bislang habe die stimmenstärkste Partei einen Auftrag vom Staatsoberhaupt bekommen, Sondierungsgespräche zu führen.
Die Situation sei aber alles andere als "üblich".
Pattsituation
"Wir haben eine klassische Pattsituation", sagte Van der Bellen. "Auf der einen Seite die FPÖ als Wahlsieger und mit ihrem Vorsitzenden, der Kanzler werden will. Auf der anderen Seite die anderen Parteien, von denen niemand ihm (Kickl, Anm.) ausreichend vertraut."
Van der Bellen fordert "Klarheit": "Der Respekt gegenüber den Wählern gebietet es, dass wir sichergehen. Meinen alle Beteiligten ernst, was sie gesagt haben?"
Deshalb will das Staatsoberhaupt "die Vorsitzenden der drei Stimmenstärksten Parteien" nun bitten, Gespräche miteinander auf Parteichef-Ebene zu führen und zu klären, ob und welche Zusammenarbeit grundsätzlich möglich ist oder wäre.
Sondierungsgespräche, die "mit Ansage zum Scheitern" verurteilt sind, brächten Österreich nichts. "Die Probleme sind zu groß."
Nächste Woche will sich der Bundespräsident Bericht erstatten lassen, wie diese trilateralen Gespräche gelaufen sind - und ob alles beim Alten bleibt.
Die Verfassung sieht zur Regierungsbildung rein gar nichts vor, ein formaler Auftrag zur Regierungsbildung muss nicht ergehen, die Parteichefs können nach eigenem Gutdünken miteinander reden, verhandeln und Mehrheiten suchen.
Was es für eine Regierung braucht
Um eine Regierung anzugeloben sind streng genommen nur zwei Dinge vonnöten:
Der Kanzler und sein Team müssen im Nationalrat die Mehrheit von 183 Abgeordneten hinter sich wissen - andernfalls können sie bei jeder Gelegenheit abgewählt, also entlassen werden.
Und: Der Bundespräsident muss der Regierung seine Zustimmung erteilen, sprich: Er muss sie angeloben.
Für Van der Bellen ist es - einmal mehr - eine fordernde Situation: Der Bundespräsident hat Herbert Kickl auf Wunsch des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz schon einmal als Innenminister entlassen - ein bis dahin einmaliger Vorgang, weil Kickl damit de facto für nicht regierungstauglich erklärt wurde.
Würde Van der Bellen den FPÖ-Chef nun mit der Bildung einer Koalition bzw. Regierung beauftragen, und würde Kickl dies gelingen, entstünde die zumindest seltsame Situation, dass der Bundespräsident jemanden zum Kanzler erklären soll, den er vor Jahren schon als Minister abgelehnt hat.
Sollte Herbert Kickl mit einem anderen Parteichef bzw. einer anderen Partei eine stabile Mehrheit im Nationalrat hinter sich wissen, wäre es für Van der Bellen mittel- und langfristig de facto unmöglich, diese Regierung nicht anzugeloben. Es sei denn, er riskiert eine Staatskrise.