Heinz Faßmann: Ein Professor in "kluger Bescheidenheit"
"Nehmen Sie lieber Crème fraîche oder Obers?" – "Wie lange sollte man Sauerkraut kochen lassen?" – "Passt Knoblauch in eine Kürbissuppe?" Als der KURIER Heinz Faßmann in Toni Mörwalds Kochamt im Palais Ferstel trifft, ist er es, der die Fragen stellt – an Sous-Chef Matthias. Der Bildungsminister will schließlich etwas dazulernen. Den Tafelspitz, den er später seinen Mitarbeitern servieren wird, hat der Hobby-Koch zuhause schon oft zubereitet. Sonntag ist sein fixer Kochtag, erzählt er stolz.
Dabei hätte man ihm bei seiner Körpergröße (2,03 Meter) eher Basketball als Hobby zugetraut. Tatsächlich hat Faßmann 30 Jahre lang gespielt – im "Center". Da kommen alle Großen, weniger Wendigen hin. Sein Team hieß "Milde Sorte" und spielte sogar in der Bundesliga, "meistens gegen den Abstieg", sagt er lachend. Mit dem Alter wurde der Sport von etwas weniger anstrengendem abgelöst. "Kochen entspannt. Man ist motorisch beschäftigt, aber intellektuell ist man frei."
2,03 Meter und Deutsch
Heinz Faßmann, 1955 in Düsseldorf geboren, übersiedelte als Sechsjähriger mit seiner Mutter und den beiden älteren Schwestern nach Wien. Die Mutter war berufstätig, also war es Nesthäkchen Heinz, der sich für die Familie an den Herd stellte. Abgeschaut hat er sich das Handwerk bei seiner Oma, einer Wienerin. Bei dem gebürtigen Deutschen stehen sonntags also Palatschinken statt "Pfannkuchen" und Fleischlaberl statt "Buletten" auf dem Speiseplan.
Faßmann ist im 7. Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen, der bundesdeutsche Akzent ist ihm bis heute geblieben – zum Glück, könnte man sagen, denn dadurch fiel er seiner späteren Ehefrau in einer Vorlesung an der Uni auf. "Wir haben beide eine Wortmeldung gemacht und am Dialekt bemerkt, dass wir beide Deutsche sind", erzählt er über die erste Begegnung. "Und es hat ihr imponiert, dass ich dem Professor widersprochen habe."
Als würde man bei dieser Körpergröße und als Deutscher in Wien nicht schon genug auffallen, kam im Dezember noch der Bekanntheitsgrad als neuer Minister in der kritisch beäugten türkis-blauen Regierung dazu. Daran, auf Schritt und Tritt angesprochen und fotografiert zu werden, an Medien und Kritiker, hat er sich erst gewöhnen müssen. "Es wird besser. Zumindest habe ich den Schritt bis jetzt nicht bereut", sagt er, und geht auf Nachfrage etwas ins Detail: "Ich hatte immer die Illusion, dass es in der Politik um die Sache geht. Das ist schon so, aber eine wichtige Komponente ist, wie man diese Sache vermarktet, die Bevölkerung davon überzeugt."
Politik als Wagnis
Faßmann ist kein klassischer Quereinsteiger, die Verbindung zur Politik besteht schon länger: Vom Geografiestudium kam er zur Stadtplanung und von da zum Thema Integration. Und als Sebastian Kurz im zarten Alter von 25 Jahren Integrationsstaatssekretär wurde, war es der besonnene Riese, der ihm als Experte zur Seite stand und seine politische Agenda fachlich unterfütterte. Vom Expertenrat für Integration im Außenamt war es dann, als Kurz Bundeskanzler wurde, nur noch ein Katzensprung ins Ministeramt, um das sich niemand gerissen hatte: Bildung, Wissenschaft und Forschung bilden ein Mega-Ressort. Für Faßmann ist die Politik die (voraussichtlich) letzte Berufsetappe vor der Pension – "warum soll man da nicht einmal etwas wagen?", meint der 62-Jährige.
Zu Beginn seiner Amtszeit stand er vor dem Problem, das Bildungskapitel in den Koalitionsverhandlungen nicht mitgestaltet zu haben. Erste Abweichungen gab es beim Thema Deutschklassen: Aus dem ÖVP-Wahlversprechen "Deutsch vor Schuleintritt" wurde eine Verschränkung von Deutschklassen und Regelunterricht. "Ghetto-Klassen" seien das nicht, betonte er stets gegenüber Medien; solche "Kampfbegriffe" lehnt er ab, er ist ohnehin ein Mann der leisen Töne. So hielt er sich in der heftigen Debatte um die Neubesetzung der Uni-Räte weitgehend im Hintergrund – wo er lautlos, aber heftig gegen rechte Burschenschafter ankämpfte, die ihm die Blauen vorgeschlagen hatten. Verhindert werden konnten zumindest ein Deutschnationaler und ein Rassentheoretiker.
Was seine Ziele als Minister betrifft, übt sich Faßmann in "kluger Bescheidenheit", wie er sagt: "Es wäre unrealistisch zu glauben, dass ich in meiner Amtszeit das Bildungssystem abreißen und neu aufbauen kann. Aber es wäre mein Wunsch, in der Politik etwas mehr das Bewusstsein zu verankern, dass Bildung und Forschung zentrale Elemente für die Zukunft Österreichs sind. Das ist wichtiger als vieles von dem, was in der täglichen politischen Diskussion ist."
Die wirklich großen Reformbrocken stehen ihm noch bevor, und an der Lehrergewerkschaft haben sich schon Minister vor ihm die Zähne ausgebissen.
Apropos: Der Tafelspitz zerging, wie es sich gehört, auf der Zunge.