"Hatte das große Glück, dass mein bester Freund mein Chef war"
"Ich hatte das große Glück, dass ..." – ein Baustein, mit dem Josef Ostermayer viele seiner Sätze beginnt.
Großes Glück, 1980 seine Frau kennengelernt zu haben und 1987 Werner Faymann. Großes Glück, ihn politisch über so viele Jahre begleitet zu haben. Großes Glück, Kultur, seine Leidenschaft, als Minister mitgestaltet zu haben. Großes Glück, nach dem Aus sofort Job-Angebote bekommen zu haben. "Ich war damals glücklich, ich bin heute glücklich", sagt Ostermayer über die Zeit in und nach der Politik – und man sieht es ihm an.
Die Ärmel hochgekrempelt, das Sakko lässig über die Schulter geworfen, spaziert der Burgenländer bei 37 Grad in der Wiener City zum Café Korb in der Tuchlauben – einem seiner Lieblingslokale. Der Weg führt an der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße vorbei; nur wenige hundert Meter entfernt von dem Ort, an dem vor 15 Monaten das Ende der Polit-Karriere von Werner Faymann eingeläutet worden war.
Das Pfeifkonzert vom 1. Mai 2016 beim Hochamt der Sozialdemokratie, klingt vielen noch in den Ohren. Die Parteijugend protestierte lautstark gegen den Kurswechsel in der Asylpolitik. Die Kritik am Kanzler war in der aufgeheizten Stimmung nach der großen Flüchtlingswelle auch parteiintern immer schärfer geworden. Damals, am Wiener Rathausplatz, mischten sich zwischen die Banner "Werner, der Kurs stimmt" immer mehr Schilder mit den Aufschriften "Rücktritt" und "Parteitag jetzt". Hinter der Schulter eines um Fassung ringenden Bundeskanzlers lugte Josef Ostermayer hervor.
Rechte Hand Faymanns
Immer im Hintergrund, galt er heimlich als "der mächtigste Mann in der Regierung" und wurde in Medien als "Hirn Faymanns" tituliert. Zuschreibungen wie diese empfindet Ostermayer als Beleidigung – "und es ist schlicht falsch". Zwar habe es für ihn als Regierungskoordinator teilweise zum Berufsprofil gehört, strategisch die Fäden zu ziehen, "der mächtigste Mann in der Regierung ist aber immer der Kanzler", betont Ostermayer.
Über Werner Faymann lässt er nichts kommen. "Ich hatte das große Glück, dass mein bester Freund mein Chef war", sagt er, und seine Augen leuchten förmlich. Seite an Seite hätten sie jahrelang miteinander gearbeitet "wie Zahnräder", schildert er: "Da weiß man ziemlich exakt, was der andere denkt. Wir mussten vor Regierungssitzungen wenig abklären, das meiste war vollkommen klar."
2008, als Faymann Bundeskanzler wurde, nahm er ihn als Staatssekretär mit, 2014 wurde Ostermayer Kulturminister – und überraschte gleich mit einem rigorosen Durchgreifen in der Finanzaffäre rund um das Burgtheater. Den damaligen Direktor Matthias Hartmann entließ er fristlos, als dieser nicht freiwillig gehen wollte.
Am meisten habe sich der Kärntner Ortstafelstreit eingeprägt, sagt er: "Da habe ich viel gelernt im Umgang mit Menschen und mit Emotionen. Mitgenommen habe ich aus dieser Zeit eine gewisse Grundgelassenheit und Belastungsfähigkeit. Sonst hält man so etwas gar nicht aus."
Zurück zu den Wurzeln
Mit Werner Faymann ist er, obwohl sich ihre beruflichen Wege nach dessen Rücktritt quasi gewaltsam getrennt haben, noch immer freundschaftlich eng verbunden. "Wir haben vor zwei Stunden telefoniert und wir sehen uns auch, wenn er hier ist", erzählt der 55-Jährige beim Treffen mit dem KURIER. Der Ex-Kanzler wurde nach seinem Rücktritt zum Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen berufen.
Ostermayer war ein Semester lang als Gastprofessor für Kulturpolitik an der Universität für Angewandte Kunst und kehrte danach zu seinen beruflichen Wurzeln zurück: Dem Wohnrechtsbereich. Seit November 2016 ist er Vorstand der Sozialbau, einem gemeinnützigen, SPÖ-nahen Unternehmen, das mehr als 51.000 Wohnungen verwaltet und pro Jahr ca. 1000 neue baut. Ab Jänner soll der Jurist zum Vorstandsvorsitzenden aufsteigen.
Kapuzenpulli & Sommerspritzer
Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren in der hohen Politik am Boden aufzuschlagen und sich dann erneut hocharbeiten zu müssen?
"Im ersten Moment war ich traurig", sagt Ostermayer, "ich habe meinen Job ja gerne gemacht. Aber mir war immer klar, es ist geliehene Verantwortung und irgendwann ist das vorbei". Auch jetzt arbeite er 60 bis 70 Stunden pro Woche, sei für 210 Mitarbeiter mitverantwortlich. In seiner Freizeit kann man ihn mitunter im Kapuzenpulli bei Rock-Konzerten oder in Radfahrer-Kluft beim Besichtigen von Liegenschaften rund um Wien antreffen; oder eben bei einem Sommerspritzer im Café Korb, wo er ganz entspannt Zeitungen lesen kann – ohne, wie früher, auf negative Schlagzeilen reagieren zu müssen.
Damals, im Mai – "als es aus war", sagt Ostermayer – habe er sich zwei Wochen eine mediale Fastenkur verordnet. Er deutet damit nur an, wie schmerzhaft es gewesen sein muss, als sein bester Freund von der SPÖ abmontiert und der ÖBB-Manager Christian Kern als roter Messias gefeiert wurde.
Die innenpolitischen Entwicklungen – dass die Regierung zerbröselt ist, die SPÖ mit schlechten Umfragewerten kämpft – will er nicht kommentieren. "Ich habe mir geschworen, nicht einer dieser Ex-Politiker zu werden, die immer wieder ihren Senf dazugeben", winkt er ab. Ostermayer schließt auch ein Comeback dezidiert aus. Parteimitglied ist er immer noch.
"Diese Tür ist zu, und es ist gut so", sagt er – und da ist es wieder, dieses zufriedene Lächeln, und das Stichwort "Glück": Einmal sei er gefragt worden, wie glücklich er sei auf einer Skala von null bis zehn. "Es ist neun. Ich habe mein Leben trotz vieler tragischer Situationen immer so empfunden. Es haben die Bomben neben mir eingeschlagen, ich habe immer wahnsinniges Glück gehabt."