Harsche Kritik an Kurz’ Milliardenplänen
Von Johanna Hager
Flankiert von vier seiner Experten, umgeben von Rexgläsern mit der Aufschrift "Quitte", "Banane" oder "Kamille" stellt Sebastian Kurz in einem Wiener Lokal zum zweiten Mal den ersten Teil seines Wahlprogramms vor.
Tags zuvor ließ der VP-Chef den Medien das 119 Seiten Programm "Neue Gerechtigkeit & Verantwortung" zukommen. Tags darauf wiederholt er die Inhalte mit Josef Moser (Ex-Rechnungshofpräsident), Antonella Mei-Pochtler (Boston Consulting), Elisabeth Anselm (Hilfswerk-Geschäftsführerin) und Helmut Kern (Gesamtleiter der Barmherzigen Brüder). Als "ambitioniert aber machbar", "liberal und christlich-sozial" will Kurz das Papier verstanden wissen. Es gehe darum, dass man den "Menschen mehr zutrauen" müsse, sich der "Staat als Dienstleister" und nicht als Gönner verstehe. "Das Gönnerhafte hat mich immer abgeschreckt." Eines der vier Prinzipien seines Programms lautet: "Wer arbeitet und Leistung erbringt, darf nicht der Dumme sein."
Die geplante "Mindestsicherung light" für Asylberechtigte, eine Kürzung auf 560 Euro pro Person, lässt er erst unerwähnt. Später und auf Nachfrage wird er darauf zu sprechen kommen.
Kritik an Leitner legitim
Erst derart kommt Kurz auch auf das aktuelle Dauerthema zu sprechen. Die Kritik des VP-Bundeslisten-Fünften, Efgani Dönmez, an der privaten Nahebeziehung von ORF-Moderator Tarek Leitner zu SPÖ-Chef Christian Kern hält er für "legitim. Aber es gibt wichtigere Themen." Die SPÖ-Klage, die seinem ORF-Sommergespräch folgte, nehme er "zur Kenntnis" (Kurz behauptete bislang unbelegt, Hans-Peter Haselsteiner habe über einen Verein 100.000 Euro an die SPÖ gespendet) . Einsilbig gab sich der VP-Chef in punkto inhaltlicher Überschneidungen mit dem FPÖ- bzw. SPÖ-Programm. "Ich sehe Äquidistanz zu allen." Dass der SP-Kanzler als Zweiter in Opposition gehen will, beantwortet er so: "Ich habe den Anspruch, Nummer eins zu werden." Er habe nie eine Partei ausgeschlossen.
Kurz lässt lieber Experten zu Wort kommen und mimt zwischen deren Reden gleichsam den politischen Conférencier. Der VP-Bundelisten-Dritte Josef Moser sieht Österreich von der "Überholspur auf die Mittelspur" gekommen. Er moniert, dass die Abgabenquote (43 Prozent) drei Prozent über dem EU-Schnitt liegt und plädiert nötigenfalls "die Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen." Für die Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler ist Österreich "im Mittelfeld" und müsse "an die Spitze aufschließen". Gelingen soll das beispielsweise durch die Steuereliminierung bei einbehaltenen Gewinnen, der Abschaffung der Kalten Progression, der Einführung eines 1500 Euro-Steuerbonus’ für jedes Kind und der Senkung der Lohnnebenkosten (36 Prozent).
SPÖ: Von Arm zu Reich
Kurz’ Plan soll bis zu 12,7 Milliarden Euro an Entlastungen bringen und mit bis zu 14 Milliarden gegenfinanziert werden. Das ergibt für die SPÖ 17 Milliarden an Belastungen. Von "massiven Einschnitten" spricht SP-Klubchef Andreas Schieder, von einem "Copy-and-Paste-Sammelsurium" Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und von einem "umgekehrten Robin Hood-Prinzip – nimms den Armen und gibs den Reichen" Steiermarks SP-Chef Michael Schickhofer. Kritik seitens der Opposition ist auch nicht zu knapp. FP-Generalsekretär Kickl spricht von "Politplagiat", auch die Neos finden ihre Ideen im VP-Programm wieder und die Grünen sehen die Vorschläge gar als "gefährliche Drohung gegen Arbeitnehmer."