Politik/Inland

Häupl droht ÖVP mit Befragung über Schule

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gilt als Erfinder der Heeresbefragung und als jener Politiker, der die SPÖ auf den Berufsheer-Kurs eingeschworen hat. Im KURIER-Interview macht der mächtige rote Landeschef nun erneut mit einem Vorstoß von sich reden: Wenn die rot-schwarze Bundesregierung weiter keine Reform des Bildungswesens zustande bringt, solle auch in dieser Frage das Volk entscheiden, fordert Häupl.

KURIER: Herr Bürgermeister, Sie sagen oft: Sie brauchen keine Meinungsumfragen, Sie gehen lieber ins Wirtshaus. Was sagt das Wirtshaus über den Ausgang der Heeresvolksbefragung am Sonntag in Wien?

Michael Häupl: Mein Gefühl sagt, dass die Befragung in Wien für das Berufsheer und für das freiwillige Sozialjahr ausgeht. Wie überhaupt das Sozialjahr im urbanen Gebiet eine größere Rolle spielt als das Bundesheer. Für den ländlichen Raum fehlt mir die Expertise. Schau’ ma mal. Klar ist: Ich wünsche mir ein Votum für ein Berufsheer. Denn Panzerschlachten wird es im Tullnerfeld keine mehr geben – genauso wie einen Krieg mit der Schweiz. Die Welt hat sich geändert. Es ist auch an der Zeit, dass sich das Heer ändert.

Für den Fall, dass die Befragung pro Wehrpflicht ausgeht: Soll der Verteidigungsminister auch am Montag noch Norbert Darabos heißen?

Selbstverständlich. Wie auch immer das Votum am Sonntag ausfällt, ab Montag muss der Wunsch der Bürger umgesetzt werden.

Fürchten Sie im Falle einer Niederlage eine Debatte in Ihrer Partei, wonach man Sie für das Debakel verantwortlich macht? Immerhin waren Sie es, der die Parteilinie in dieser Frage vorgegeben hat. Ich fürchte nichts und niemanden und zum Thema Bundesheer habe ich lediglich meine Meinung laut kundgetan. Und außerdem geht es bei der Volksbefragung nicht um Sieg oder Niederlage für ÖVP und SPÖ, sondern vor allem darum, welches Heer sich die Österreicher wünschen.

Wäre es nicht logisch, der ÖVP das Ressort anzubieten, sollte sie sich mit ihrer Wehrpflicht-Haltung durchsetzen? So wie Bundeskanzler Werner Faymann gehe auch ich nicht davon aus, dass es vor der Nationalratswahl im Herbst noch zu einer Neuaufteilung der Ressorts kommt.

In Wien geht im März bereits die nächste Befragung zu Parkpickerl, Olympia und Co. über die Bühne. Verdienen Politiker nicht genug, um selbst Entscheidungen zu treffen? Man muss sich entscheiden: Will man die Instrumente der direkten Demokratie nutzen oder lässt man es bleiben? Aber Politikern einerseits vorzuwerfen, ohne die Bürger zu regieren und sie dann auch andererseits zu kritisieren, wenn sie das Volk befragen, halte ich für scheinheilig.

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Was soll dann als Nächstes gefragt werden? Im Bund gibt es mehrere Themen, bei denen sich ÖVP und SPÖ uneins sind.Das weiß ich nicht. Aber eines sehe ich heraufdämmern: Wenn die Schuldiskussion weiter so verläuft, wird auch das früher oder später eine Frage an das Volk sein müssen. Ich hoffe aber, dass sich die Regierungsparteien noch vor der Wahl auf ein entsprechendes Modell einigen können. Immerhin sind heute ja auch etliche Mandatare in der ÖVP der Meinung, dass eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen längst überfällig ist. Ich bleibe dabei: Wenn die Politik zu lange nicht entscheiden kann, soll es das Volk tun.

Wie könnte eine entsprechende Bildungsfrage aussehen? Wir müssen unser Bildungssystem ins 21. Jahrhundert bringen. Daher würde ich auch hier die Systemfrage stellen: Sind Sie für die Beibehaltung des bisherigen Schulmodells oder für eine Schule mit einer ganztägigen und gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen.

Der Vorschlag von Wiens Bürgermeister stößt auf wenig Gegenliebe. Widerstand kam von ÖVP und FPÖ. Auch Bundeskanzler Faymann wollte Häupls neuen Vorschlag am Samstag nicht kommentieren. Im Ö1-Mittagsjournal meinte er lediglich, dass er derzeit mit der Bundesheer-Volksbefragung alle Hände voll zu tun habe.

Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), der sich stets klar gegen eine Gesamtschule ausgesprochen hat, zeigte sich im Gespräch mit der APA skeptisch gegenüber dem Häupl-Vorschlag: "Es kann nicht sein, dass immer dort die Bevölkerung gefragt wird, wo sich die Regierung nicht einigen kann." Das sei auch gar nicht möglich. Bei der Wehrdienst-Befragung seien viele schon überfordert, weil ihnen die nötigen Information fehlen würden, so Pühringer. Er sei daher dafür abzuwarten, welche Beteiligung am Sonntag erreicht werde, dann könne man weitersehen.

Deftiger fiel die Kritik auf Wiener Ebene aus. Häupls Wortmeldung zeuge angesichts des Niedergangs des Wiener Bildungsniveaus von Dreistigkeit und Realitätsverweigerung, so der Wiener FPÖ-Klubchef Johann Gudenus in einer Aussendung. Der Bürgermeister stehe mit dem Rücken zur Wand, der Vorschlag sei ein billiger Fluchtversuch. Der Wiener ÖVP-Obmann Manfred Juraczka sprach von "bundespolitischen Ezzes von mäßiger Kreativität". Häupl solle sich endlich um die Probleme in Wien kümmern. (APA)

Michael Häupl ist ein mutiger Mann. Oder er gibt sich zumindest so. Denn schon bevor der Wiener Bürgermeister und Erfinder des modernen Berufsheeres weiß, ob er dafür eine Mehrheit in der Bevölkerung bekommt, will er weitere Volksbefragungen. Aber Häupls Freude am Volkswillen kommt nicht aus der Überzeugung, dass das Volk immer recht hat, sondern eher aus der Verzweiflung, dass eine zögerliche Regierung auf Dauer unrecht hat.

In der Tat stimmt Häupls Einschätzung, dass sich SPÖ und ÖVP auf lange Sicht nicht auf eine vernünftige Schulreform einigen werden. Also soll – wie beim Bundesheer – wieder das Volk als Schiedsrichter in Aktion treten. Die Idee ist nicht schlecht. Diese Regierung, und erst recht eine mögliche Dreierkoalition nach den nächsten Wahlen, werden immer wieder wesentliche Reformprojekte auf die lange Bank schieben, weil halt einflussreiche Gruppierungen so stark sind. So kann sich dann eine Partei hinter der Mehrheit des Volkes verstecken.

Konkret: In der ÖVP werden die Gewerkschafter immer eine Gesamtschule torpedieren. Kein ÖVP-Chef will sich mit den Lehrern anlegen. Aber nach einer Volksbefragung kann er entschuldigend die Arme heben: Wer wird schon gegen die Mehrheit argumentieren?

Diese Methode, das Volk jeden Streit schlichten zu lassen, wäre natürlich eine Kapitulation der Politik. Wir wählen ja Parlamente und Regierungen, damit diese entscheiden. Vor allem aber müsste es vor einem verstärkten Einsatz von Referenden einen Konsens darüber geben, wie künftig die Information der Bevölkerung organisiert wird.

Volksverblödung statt Information

In den letzten Wochen wurde ja jeder noch so primitive Wahlkampf der letzten Jahrzehnte nochmals unterboten. Der Sozialminister rief junge Leute auf, ihre Großeltern vom Berufsheer zu überzeugen, oder davon, zu Hause zu bleiben. Ein beachtliches Stück Staatsbürgerkunde. Die ÖVP war für ein viel, viel besseres Bundesheer, sagte uns aber nicht, wie das organisiert werden soll. Weiß sie es schon? Oder erst am Montag? ÖSV-Präsident Schröcksnadel, der jahrelang davon profitiert hat, dass ihm Soldaten die Skipisten hergerichtet haben, polemisierte gegen seine früheren Helfer und mutierte zum Freund des Berufsheeres. Was hat er davon? Ein Verfassungsrechtler versuchte sich als Boulevard-Soziologe und meinte, irgendwann werde sich die Frage stellen, ob nicht auch einmal Frauen einrücken müssten. Für wen war der Liebesdienst?

Den Verteidigungsminister hat sogar die trockene Austria Presse Agentur als „Militär-Koryphäe“ verspottet. Dass er in elf Monaten ein Berufsheer aufbaut, glauben ihm nicht einmal die Zeitungen, die er mit Steuergeld verwöhnt hat. Die 17-Jährigen, die er damit ködern will, sind auch nicht so blöd, darauf reinzufallen.

Wer als Nächster mehr Referenden vorschlägt, muss dazusagen, wie künftig die Information besser wird.