"Die ÖVP gibt es sicher billiger als wir"
Von Maria Kern
Die Grünen kauen noch am Wahlergebnis, auch wenn das offiziell niemand zugibt. "Es ist wirklich schade, dass wir verloren haben, weil wir gute Leute und ein gutes Programm haben", sagt eine Funktionärin zum KURIER.
11,6 Prozent hat die Öko-Partei am Sonntag erreicht. Das ist ein Minus von einem Prozentpunkt bzw. einem Mandat (laut vorläufigem Ergebnis). Dass die Grünen nur in zwei Bezirken stimmenstärkste Partei geworden sind, schmerzt ebenso. Man hatte ja auf bis zu sieben Bezirke gehofft. Unangenehm ist auch die Diskussion über Maria Vassilakou. Die Spitzenkandidatin hatte im Wahlkampf angekündigt, sich zurückzuziehen, falls ihre Partei verliert. Aber schon Sonntagabend war klar, dass sie bleibt. "Ich bin geehrt, eure Chefin zu sein", sagte sie bei der Wahlparty zu ihren Mitstreitern im Volksgarten.
In der Landeskonferenz Montagabend folgte die offizielle Bestätigung: Vassilakou wurde mit 25 Pro- bei zwei Gegenstimmen in allen Funktionen bestätigt. Sie wird die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ führen.
Die Verknüpfung ihres Verbleibs mit einem Plus bei der Wahl sei "sicherlich keine Glanzleistung gewesen", sagte Vassilakou. Man habe sie im Parteigremium "fürchterlich beschimpft" – und zwar dafür, jetzt nach der Wahl einen Rückzug in den Raum gestellt zu haben.
Denn das "kleine Minus" sei ja "nicht auf Arbeit von Maria Vassilakou zurückzuführen", sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner, sondern "auf die Duellsituation".
Die Grünen argumentieren, die SPÖ habe von ihnen viele Leihstimmen bekommen. Wallner meint, dass das seine Partei "zwei bis drei Prozent" gekostet hat. Politologe Peter Filzmaier sprach von 1,5 Prozentpunkten. Auch die Neos haben den Grünen Stimmen abgeluchst.
Minus hin, Vassilakou-Debatte her – die Grünen hoffen, dass derlei Diskussionen rasch passé sind, wenn es um die Regierungsbildung geht. Sie wollen ja mit Michael Häupl weiterregieren.
Die Aussicht auf eine Verlängerung von Rot-Grün ist auch der Grund dafür, dass die Stimmung in der Partei trotz des unerquicklichen Wahlergebnisses passabel ist.
Fürchten Vassilakou & Co. nicht, dass die SPÖ der ÖVP den Vorzug geben könnte? Schließlich gibt es bereits Hinweise darauf. "Die Möglichkeit gibt es, weil es die ÖVP sicher billiger gibt als wir", sagt ein Partei-Stratege. Er geht dennoch davon aus, dass der Bürgermeister am Ende doch mit den Grünen kooperieren wird.
In der Partei argumentiert man das so: Nur für Rot-Grün gebe es eine klare Mehrheit (54 von 100 Mandaten). Rot und Schwarz kämen lediglich auf 51 Sitze. Häupl wolle mit dieser Option nur den "Preis" der Grünen drücken. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder habe sich Sonntagabend etwa auch für Rot-Grün ausgesprochen.
Sollte es mit der Koalition nichts werden, könnte aber Wehklagen einsetzen. Ein Kritiker wagte sich schon gestern aus der Deckung.
Langzeitmandatar Peter Pilz legte seiner Partei via profil nahe, einen linkspopulistischen Kurs einzuschlagen, um damit Proteststimmen abzuholen: "Wir stehen unabhängig vom Wiener Ergebnis vor einer historischen Entscheidung: Bleiben wir ein Anhängsel von Rot und Schwarz? Dann liegt unser Plafond bei 12 bis 13 Prozent. Oder bilden wir einen linkspopulistischen Gegenpol zu den Nationalisten?"
Willkommenskultur in Sachen Flüchtlinge halte er zwar "für wichtig, aber wichtiger ist, in der Krisenregion zu investieren, damit weniger Flüchtlinge zu uns kommen", ergänzte Pilz im KURIER-Gespräch.
Wallner hält von den Pilz-Vorschlägen nichts. Er meint, "grüne Wähler wollen, dass die Grünen mitbestimmen. Und mit wem außer mit SPÖ oder ÖVP sollen wir regieren? Peter Pilz wird doch nicht wollen, dass wir mit den Freiheitlichen koalieren." Fundamentalopposition zu machen, sei keine Option. "Wir wollen gestalten, das wollen auch unsere Wähler."
Das hätte sich bei vielen Urnengängen – Wien ausgenommen – gezeigt. Wallner: "Wir haben vor Wien bei 15 Wahlen dazugewonnen."