Grassers Gegenangriff im BUWOG-Prozess
Eines muss man ihm zugestehen: Die Choreografie seines Verteidigungsmonologs ist nahezu perfekt. Sechs Stunden lang versucht Karl-Heinz Grasser reinen Tisch im Großen Schwurgerichtssaal zu machen. Sechs Stunden spricht der Ex-Minister ohne Versprecher, ohne den roten Faden jemals zu verlieren. Lange Strecken parliert er vollkommen frei, selten blickt er zur Gedächtnisstütze auf seine Notizen.
Grasser, der ein Perfektionist ist, hat an alles gedacht – so auch, wie er den Spannungsbogen für die Schöffen halten kann. Abwechselnd sucht er den Blickkontakt zu den Schöffen und zu Richterin Marion Hohenecker. Gekonnt dosiert er den Mix aus Emotion und Fakten. Mal gibt er sich sachlich („Zwei der vier Anklagepunkte wurden vom Oberlandesgericht abgelehnt“), mal aufgebracht („Ich war schockiert über die Anklage. Mir ging es nicht gut“), mal anklagend („Die Staatsanwaltschaft hat mich zum Harry Potter dieser Privatisierung gemacht“).
So viel zu KHGs Performance, die ein Strafgericht auf diesem Niveau wahrscheinlich noch selten erlebt hat. In diesem Punkt hat er neue Standards gesetzt.
Aber was präsentiert der 48-Jährige an inhaltlichen Entlastungen zu den Vorwürfen der Justiz? Schritt für Schritt geht er die Indizien durch. Seine Botschaft ist selbstverständlich, dass er ein „Opfer der Politjustiz“ ist.
- Der Tatplan ist eine der Säulen der Anklage. Dieser sei „lebensfremd und falsch“, so Grasser. Er basiere hauptsächlich auf der Aussage von Willibald Berner, der seinerzeit Kabinettschef von Kurzzeit-Infrastrukturminister Michael Schmid (FPÖ) war. Dieser habe ihn aus „Rache“ bei der Justiz angeschwärzt, analysiert KHG. Berner sei „ein Roter“ und ein Freund von Grassers Intimfeind Michael Ramprecht (Ex-Mitarbeiter, der Grasser belastet).
Im Jahr 2000 habe Peter Hochegger im Wiener Hotel Bristol auf einer Serviette das System des Tatplans vor den Augen Berners skizziert. Grasser und Jörg Haider hätten beschlossen, bei den Privatisierungen zu kassieren. Zwei Äste zeichnete Hochegger: Einen Haider-Ast und einen Grasser-Ast mit den Profiteuren Walter Meischberger, Ernst Karl Plech und Hochegger selbst. Von der Justiz wurde aber nur gegen ihn und seine Freunde, nicht gegen die Personen, die am Haider-Ast standen, ermittelt. Der Ex-Minister kontert: „Das Infrastrukturministeriums spielte bei den Privatisierungen keine Rolle. Berner hätte nichts zum Tatplan beitragen können. Dieser Tatplan hat in das Drehbuch der Staatsanwaltschaft gepasst. Das ist Absurdistan.“ Und Grasser beteuert, damals „kein Vertrauensverhältnis mehr zu Haider“ gehabt zu haben.
Best of Grasser, Tag 41
- Der Buwog-Verkauf Grasser behauptet, er habe nie in die Arbeit der Vergabekommission eingegriffen. Mehr noch: Er spielt seine Rolle als Minister hinunter. „Ein Finanzminister entwickelt eine politische Strategie. Aber er setzt nichts um und setzt keine exekutiven Handlungen.“
Doch von wem kam der Tipp für die 960 Millionen Euro? Grasser behauptet, dass die Staatsanwaltschaft hier einen gravierenden Fehler in der Anklage mache. Er habe die Summe nicht wissen können, da es gar keine Finanzgarantie des Mitbewerbers der Immofinanz – der CA Immo – gegeben habe, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet wird. Die angebliche „Finanzierungsgarantie“ von rund 960 Millionen Euro sei in Wahrheit das „Gesamtinvestitionsvolumen“ (inklusive aller Kosten) der CA Immo in der ersten Angebotsrunde gewesen, als die CA Immo noch 922,7 Millionen Euro geboten habe.
- Die Zahlungsströme Das ominöse Liechtensteiner Konto „400.815“, das Grasser von der Justiz zugeordnet wird, sei nie seines gewesen. „Ich war nie wirtschaftlich Berechtigter. Außerdem wurde es 2001 eröffnet. Da hätte ich ja schon wissen müssen, dass 2006 Geld fließt. Da wäre ich ja taktisch besser als jeder Schachweltmeister.“ Die Bareinzahlungen auf das österreichische Konto hätten vielmehr einen anderen Grund: Die Kreditkarte seiner Ehefrau Fiona hätte öfters nicht funktioniert. Er habe dann die Rechnungen beglichen, auch die der Hochzeit, und Fiona hätte ihre Schulden bar bezahlt.
- Schwiegermutter-Geld Dabei geht es um 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter geschenkt bekommen haben will – wovon die Schwiegermutter laut einer Erklärung allerdings nichts weiß. Grund für die Schenkung sei ein sehr privater gewesen, den Grasser vor Gericht zwar preisgibt, aber die Medien bittet, nicht darüber zu berichten. Er habe aber gleich gewusst, dass er das Geschenk nicht annehme. Physisch hatte er das Geld, das ihm die Schwiegermutter in der Schweiz geschenkt haben soll, jedoch angenommen und nach Österreich gebracht.
Der Ex-Minister erklärt das Verhalten seiner Schwiegermutter damit, dass die damals 70-Jährige nach einer Hausdurchsuchung und einer Steuerprüfung überfordert gewesen sei. Daher habe sie eine notarielle Erklärung abgegeben, dass sie nie die wirtschaftlich Berechtigte des Kontos gewesen sei.