Ärzte lenken ein - keine weiteren Proteste
Von Patricia Haller
Noch einen Tag vor der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer schäumten hohe Funktionäre: Das Ausgabenwachstum im Gesundheitssystem mit jährlichen 3,6 Prozent zu begrenzen bei gleichzeitig geplantem Ausbau des niedergelassenen Bereichs sei „die Quadratur des Kreises“. Proteste Mitte Jänner seien absehbar.
Wortreich
Am Freitag war alles anders: Bei der Versammlung kamen mögliche Protestmaßnahmen nicht einmal mehr zu Abstimmung. Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger begründete das Einlenken wortreich: Es gebe Signale, dass ein Bekenntnis zum Ausbau des niedergelassenen Bereiches in die endgültigen Gesetzestexte der Gesundheitsreform eingearbeitet werde. Bei der späteren Umsetzung der Reform werde die Ärztekammer in die Frage der Versorgungsstrukturen eingebunden. Auch bei der Vergabe von Kassenplanstellen, den Honorarordnungen, der Ausbildungskompetenz für den Berufsstand und der Qualitätssicherung bleibe alles wie gehabt. All das habe Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) zugesichert. Und Wechselberger ergänzte: Stögers Wort gelte sicherlich auch für die restlichen Partner, wie Länder und Sozialversicherung. Dass die Kostendynamik mit dem Wirtschaftswachstum begrenzt werde – einer der ursprünglichen Hauptkritikpunkte der Kammer – bezeichnete Wechselberger am Freitag als einen von zwei „Wermutstropfen“.
Der zweite betreffe die neuen Gremien, die für die operative Gestaltung der Reform entstehen würden. Es drohe „eine Aufblähung der Verwaltung“. Fazit dennoch: Die Ärztekammer gebe der Politik einen Vertrauensvorschuss und sehe deshalb von der Fortsetzung der Kampagne ab. Vom Gesundheitsminister wurde die neue Linie der Standesvertretung „begrüßt“. Stöger: „Nun müssen die konstruktiven Kräfte in der Ärztekammer Verantwortung übernehmen.“ Der Minister betonte aber, dass sich an der Reform, die diese Woche zwischen Bund, Sozialversicherung und Ländern vereinbart wurde, nichts geändert habe. Die Zusagen, von denen Wechselberger spreche, seien ohnehin Teil der Reform.
Warnung
Das Einlenken der Funktionäre hat für Beobachter folgenden Grund: Schon am 23. November bei einer Sitzung der Bundesgesundheitskonferenz, in der alle maßgeblichen Spieler des Gesundheitssystems vertreten sind, sei Wechselberger unmissverständlich zu Verstehen gegeben worden, dass die Kammer eindeutig überziehe. Wechselberger sei auch gewarnt worden: Komme es zur Eskalation, würde sich die Ärztekammer völlig aus dem Spiel nehmen. „Man hat klar gemacht, dass sie dann gar nichts mehr mitzureden hat und dass die Politik die ganze Reform alleine durchzieht, wenn sie so weiter machen“, berichtet ein Insider. Diese klare Botschaft sei nicht zuletzt auch vom Minister selber an die Ärztekammer gegangen. Zudem sei die Kammer-Spitze sowie deren Experten vom Verhandlungsverlauf informell laufend informiert worden. „Hinter den Kulissen wurde immer geredet,“ heißt es.