Richter kritisieren "Strafrechts-Schnellschuss"
Von Evelyn Peternel
Härtere Strafen für Sexualstraftäter – das ist schon lange eine Forderung, mit der man politisch Wirkung erzielt.
Allein, ob solche Verschärfungen auch sinnvoll sind, daran scheiden sich die Geister: Der Plan der VP-FP-Regierung, höhere Mindeststrafen bei Sexualdelikten einzuführen, stößt bei Experten nämlich auf Skepsis. Unter Führung von Karoline Edtstadler (ÖVP), Staatssekretärin im Innenministerium, soll bekanntlich eine Task Force gebildet werden, die das "Ungleichgewicht beim Strafausmaß zwischen Vermögens-, Gewalt- und Sexualdelikten" bereinigen soll. Nachschärfen will man in puncto Mindeststrafen – bei der pornografischen Darstellung Minderjähriger gibt es etwa keine Untergrenze, beim sexuellem Missbrauch Unmündiger oder geschlechtlicher Nötigung liegt sie nur bei sechs Monaten.
Evaluierung nötig
Für Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, sieht das sehr nach einem "Schnellschuss" aus: Zum einen sei die letzte Strafrechtsreform gerade mal zwei Jahre alt – sie müsse evaluiert werden, bevor man Schritte setze, sagt sie zum KURIER. Damals wurden mehr als 200 Tatbestände so überarbeitet, dass Vermögensdelikte erst ab einem höheren Schaden auch schwerer bestraft werden, Strafdrohungen für Gewalttaten hat man indes deutlich verschärft.
Zum anderen sei das Problem von Sexualdelikten nicht mit höheren Strafrahmen beizukommen, sagt Matejka: "Gerade für Sexualstraftäter ist das irrelevant. Für sie zählt, ob sie erwischt werden. Sexuelle Übergriffe sind ja keine rationale Tat."
"Signal an Bevölkerung"
Rechtsanwältepräsident Rupert Wolff erkennt ebenfalls keinen Sinn in derartigen Überlegungen: „Wir sehen in der Praxis die Notwendigkeit nicht. Richter haben ohnehin genug Spielraum im Rahmen der vorgesehenen Höchststrafen“, so Wolff zur APA. Er sieht viel eher ein Signal an die Bevölkerung, dass man härter durchgreift und die Opfer durch höhere Strafen besser schützen möchte: „Das ist zu hinterfragen, weil das Opfer hat davon nichts.“ Diesen wäre mit höheren finanziellen Entschädigungen oder einer besseren psychologischen Begleitung zulasten des Straftäters wohl eher geholfen.
Zurückhaltend bis ablehnend reagierte indes die Opposition auf die Pläne der Regierung, das Strafrecht bei Sexualdelikten und bei Gewalt gegen Frauen und Kinder erneut zu verschärfen. SPÖ und NEOS meinen, dass man zunächst die letzte Reform evaluieren sollte, und auch die Liste Pilz ortet im Koalitionsvorhaben lediglich den „Versuch eines Imagegewinns“.
Zuständigkeits-Frage
Zusätzlich "irritierend" sei der Umstand, dass nicht das Justiz-, sondern das Innenministerium die Reform leitet, so Richtervereinigungs-Präsidentin Matejka. "Das Justizministerium hat eine eigene Strafrechtssektion, die dafür zuständig wäre", sagt sie. Dass gesagt werde, der Justizminister habe keine Zeit, weil es Dringenders zu erledigen gebe, findet sie darum "befremdlich". Auf diese Kritik reagierte die Regierung umgehend: Die Umsetzung der angekündigten Verschärfungen im Strafrecht werde selbstverständlich durch das Justizministerium erfolgen - lediglich die Arbeitsgruppe leitet die Staatssekretärin im Innenressort, Karoline Edtstadler (ÖVP), da sie selbst unter anderem als Strafrichterin tätig war. In die Task Force werden Experten des Justizministeriums eingebunden, hieß es gegenüber der APA.