Amirs und Aamers Flucht
Von Susanne Bobek
Amir und Aamer, zwei unterschiedliche Flüchtlingsschicksale, zwei Männer, die es nach Wien geschafft haben und dem KURIER ihre Träume schildern: Arbeit finden und schnell Karriere machen. Gemeinsam ist ihnen ein unbändiger Ehrgeiz und der Wille, es zu etwas zu bringen. Zurück in ihre Heimat können sie derzeit nicht. Doch Aamer glaubt, dass auch Syrien ihn irgendwann wieder brauchen wird, für den Aufbau des Landes nach dem Krieg.
Amir ist noch keine 17 Jahre alt, er kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Jalalabad in Afghanistan. Er wartet in einem Wiener Caritas-Wohnheim seit einem Jahr auf die erste offizielle Einvernahme, damit er überhaupt einen Asylantrag stellen darf.
Aamer Natour hatte es leichter, er flüchtete aus Aleppo in Syrien und bekam nach sieben Monaten seine Papiere. Er ist 37 Jahre alt, unverheiratet und will so schnell wie möglich gut Deutsch können und Karriere machen.
8000 € für Schlepper
Beide Männer waren auf ihrer Flucht auf Schlepper angewiesen und haben Todesängste ausgestanden. "Ohne Schlepper hätten wir es nie geschafft", sagen sie.
In Triest angekommen bestieg Aamer Natour einen Zug und fuhr nach Salzburg. Dort meldete er sich am 13. Mai 2013 bei der Polizei. Die Reise in die Freiheit hat ihn 8000 Euro gekostet, sein Handy und alle anderen Wertsachen wurden ihm abgenommen.
Amir schildert, wie er von einer Schleppergruppe an die andere weitergereicht wurde. "Die Schlepper wollten mein Handy und meine Uhr. Ich hab sie ihnen gegeben, sonst schlagen die zu."
Seine Geschichte klingt plausibel, aber ob sie sich genau so abgespielt hat, lässt sich nicht nachweisen.
Mit dem Bus kam Amir nach Istanbul und dann an die griechische Grenze. Dort mussten er und seine Mit-Flüchtlinge ein Schlauchboot selbst aufpumpen und dann nach Griechenland übersetzen. Dann wurde der junge Afghane in den Laderaum eines Lastwagens verfrachtet. An die Weiterreise kann (oder will) er sich nicht so genau erinnern. "Wir hatten nicht genug Wasser", sagt er. Wie lange es dauerte, bis er in Rom ankam, weiß er nicht. "Es war stockdunkel, man verliert jedes Zeitgefühl." Irgendwann war Amir in Rom und wurde von weiteren Schleppern in Empfang genommen, die ihn schließlich im Flüchtlingslager Traiskirchen aussteigen ließen.
Amir darf jetzt immerhin die Aufnahmsprüfung in die Hauptschule machen. Er spricht ausgezeichnet Englisch, ganz gut Deutsch und wirkt viel reifer und älter, als er ist. "Ich habe mit 14 Jahren in Jalalabad für die NGO ,Save the Children‘ gearbeitet, weil ich meine Familie unterstützen musste." Für den Schulbesuch hatte er damals keine Zeit mehr, lesen und schreiben kann er.
"Ich bin so froh, dass ich in Wien bin, weil mein Bruder da ist und seit elf Monaten Papiere hat", sagt er. Und manchmal muss er lachen, wenn er sich auf der Straße nach Verdächtigen umdreht, dann sagt er sich, "wozu die Angst, ich bin in Österreich".
Nie über Libyen
Aamer und Amir berichten von Landsleuten, die auf ihrer Flucht noch viel Ärgeres erlebt haben. Aamer sagt, dass er allen davon abrät, über Libyen nach Europa zu kommen. Ein Freund von ihm, der diese Wahnsinnsroute gewählt hat, weil sie billiger ist und nur 2000 bis 3000 Euro kostet, kam in Italien an. Doch sein kleiner Sohn ist im Mittelmeer ertrunken. Und Aamer findet, dass man nicht einfach so "ins gelobte Land nach Europa kommen könne": "Man muss wissen, was man tun kann, wie es hier läuft und schauen, dass man schnell Arbeit findet."