Politik/Inland

Grenzsicherung spaltet weiter Regierung

Der Haussegen in der Koalition hängt wegen der Flüchtlings-Debatte weiter schief. Zwar betonten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag ihre Arbeitsfähigkeit, in Details wichen ihre Meinungen aber deutlich ab. Einigkeit herrschte nicht einmal darüber, ob das Innenressort sein Grenzsicherungs-Konzept bereits vorgelegt hat oder nicht. Die Stimmung beim Pressefoyer nach dem Ministerrat war mehr als eisig.

Mitterlehner betonte, er kenne das Papier des Innenministeriums zur Sicherung der Grenze bereits: "Ich habe das am Freitag gesehen." Verwundert gab er sich darüber, dass am Wochenende das Papier in "mehreren Varianten" in Zeitungen gestanden sei, dies habe er "dem Herrn Kanzler" auch vermittelt, sagte er, ohne ihm direkt das Weiterspielen an die Medien vorzuwerfen.

"Es kann nicht sein, dass man der Innenministerin vorwirft, sie hat noch nichts vorgelegt."


Faymann hingegen betonte, er kenne das Papier noch nicht: Das Konzept sei von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner "bis zur Stunde nicht vorgelegt" worden - eine Aussage, über die sich Mitterlehner unverhohlen ärgerte: "Es kann nicht sein, dass man der Innenministerin vorwirft, sie hat noch nichts vorgelegt."

Ausgeräumt werden sollen die Differenzen bei einem Gespräch am Mittwoch. Teilnehmen daran sollen neben Mikl-Leitner auch Staatssekretär Harald Mahrer, Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) sowie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ), sagte Faymann. "Die werden darüber beraten, wie kann diese Kontrolle an unseren Grenzen mit baulichen und anderen organisatorischen Maßnahmen verstärkt werden." Am Mittwoch soll auch bereits eine Entscheidung über das Konzept fallen.

"Das Durchgriffsrecht haben wir geschaffen, damit wir durchgreifen."


Bereits zuvor hat SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dazu aufgefordert, bei der Schaffung von Flüchtlingsquartieren "einen Zahn zuzulegen". Die Ressortchefin verwies auf bereits getätigte Maßnahmen und kritisierte indirekt den 3-Punkte-Plan der SPÖ.

Schieder sagte vor Beginn der Regierungssitzung in Richtung Innenministerin, es sei dringend notwendig, Quartiere zu schaffen - und zwar ohne parteipolitische Rücksicht auf die Anliegen von Bürgermeistern (die sich gegen die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften in ihren Gemeinden stellen, Anm.). Der Klubobmann kritisierte, dass nach wie vor nur drei von neun Bundesländern die vereinbarte Quote bei der Flüchtlingsunterbringung erfüllen. "Das Durchgriffsrecht haben wir geschaffen, damit wir durchgreifen." Die Innenministerin solle hier nun "einen Zahn zulegen", sagte er.

Mikl-Leitner konnte dieser Kritik nicht folgen: Sie verwies darauf, dass die Regierung schon zahlreiche Quartiere geschaffen habe und auch weitere in Umsetzung seien. Gleichzeitig warnte sie davor, hier zu schnell vorzugehen, denn es brauche zur Schaffung von Quartieren Verhandlungen mit Beteiligten vor Ort. So gebe es zum Teil "exorbitante Preisvorstellungen" von Vermietern, hier dürfe man sich nicht unter Zugzwang bringen lassen.

25 Kilometer Zaun

Indirekte Kritik übte sie daran, dass die SPÖ am Wochenende ein eigenes Konzept (3-Punkte-Plan für sichere Grenzkontrollen) zum Umgang mit den Flüchtlingen vorgelegt hat: Sie habe sich an das Vereinbarte gehalten, nämlich zuerst ein Konzept auszuarbeiten, dieses dann dem Koalitionspartner vorzulegen und erst dann zu entscheiden. Folgerichtig wollte sie am Dienstag auch keinerlei Auskünfte über den Inhalt des vom Innenressort ausgearbeiteten Konzepts zu den technischen Sperren beim Grenzübergang Spielfeld geben. Zu einem Bericht des KURIER, wonach es sich um eine Sperre von 25 Kilometer Länge handeln soll, sagte sie: "Ich werde zu dem Konzept nichts sagen."

Bestätigt wurde von ihr lediglich, dass es zur Umsetzung von derartigen Grenzsicherungen Verhandlungen mit den Grundstückeignern geben müsse, auf deren Grund die Sperren errichtet werden. Die Entscheidung über das Konzept für die "technischen Sperren" am Grenzübergang Spielfeld werde innerhalb der Regierung am Mittwoch fallen, sagte Mikl-Leitner. APA-Informationen zufolge ist für morgen um 9 Uhr ein Treffen mit ihrem "Spiegel", Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), geplant.

Konfrontiert mit den Vorwürfen von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der der SPÖ wegen der öffentlichen Bekanntgabe ihrer Pläne zum Grenzmanagement "Profilierungsversuche" vorgeworfen und von "Chaos" gesprochen hatte, sagte Schieder, dies sei ein "falscher" Vorwurf. Die Politik sei gut beraten, sich der Sacharbeit zu widmen, anstatt gegenseitige Vorwürfe zu tätigen. Mikl-Leitner meinte, die Stimmung in der Koalition sei "fachlich-sachlich".

8.000 Flüchtlinge pro Tag

Gefragt, mit welchen Zahlen an Flüchtlingen sie in den kommenden Tagen rechne, sagte die Innenministerin, sie gehe davon aus, dass in den kommenden Tagen etwa 30.000 Flüchtlinge nach Slowenien kommen werden - und in weiterer Folge nach Österreich. Sie rechne daher mit 8.000 bis 10.000 Ankommenden pro Tag an der österreichischen Grenze (mehr dazu hier). Sorgen, angesichts dieser Zahlen in Schwierigkeiten zu kommen, macht sie sich nicht: Bisher seien rund 440.000 Personen nach Österreich eingereist, und die Betreuung und Organisation der Reisenden sei "professionell" bewerkstelligt worden.